Название | Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke |
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Автор произведения | Walter Benjamin |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9789176377444 |
Die allgemeinste Rolle hat diese mystische Terminologie in der Frühromantik in der Form des Witzes gespielt. Neben Friedrich Schlegel haben sich auch Novalis und Schleiermacher für dessen Theorie interessiert; sie nimmt in den Fragmenten des ersten einen breiten Raum ein. Im Grunde ist sie keine andere als die Theorie der mystischen Terminologie. Diese ist der Versuch, das System beim Namen zu nennen, d. h. in einem mystischen individuellen Begriff so zu erfassen, daß die systematischen Zusammenhänge in ihm inbegriffen sind. Die Voraussetzung eines stetigen medialen Zusammenhanges, eines Reflexionsmediums der Begriffe liegt dabei vor. Im Witz tritt, wie im mystischen Terminus, jenes begriffliche Medium blitzartig in Erscheinung. »Ist aller Witz Prinzip und Organ der Universalphilosophie und alle Philosophie nichts anderes als der Geist der Universalität, die Wissenschaft aller sich ewig mischenden und wieder trennenden Wissenschaften, eine logische Chemie, so ist der Wert und die Würde jenes absoluten, enthusiastischen, durch und durch materialen Witzes, worin Baco und Leibniz … jener einer der ersten, dieser einer der größten Virtuosen war, unendlich.«110 Wenn der Witz bald als »logische Geselligkeit«111, bald als »chemischer … Geist«112, als »fragmentarische Genialität«113, oder als »prophetisches Vermögen«114 charakterisiert, wenn er bei Novalis als ein »magisches Farbenspiel in höheren Sphären«115 bezeichnet wird, so ist dies alles von der Bewegung der Begriffe in ihrem eigenen Medium gesagt, welche im Witz bewirkt und im mystischen Terminus bezeichnet wird. »Witz ist die Erscheinung, der äußere Blitz der Phantasie. Daher … das Witzähnliche der Mystik.«116 In dem Aufsatz »Ueber die Unverständlichkeit« will Schlegel zeigen, »daß die Worte sich selbst oft besser verstehen, als diejenigen, von denen sie gebraucht werden, … daß es unter den philosophischen Worten … geheime Ordensverbindungen geben muß; … daß man die reinste und gediegenste Unverständlichkeit gerade aus der Wissenschaft und aus der Kunst erhält, die ganz eigentlich aufs Verständigen und Verständlichmachen ausgehen, aus der Philosophie und Philologie«.117 Gelegentlich hat Schlegel von einer »dicke(n), feurige(n) Vernunft« gesprochen, »welche den Witz eigentlich zum Witz macht und dem gediegenen Stil das Elastische gibt und das Elektrische«. Indem er diese dem »was man gewöhnlich Vernunft nennt« gegenüberstellte118, hat er offenbar seine Art zu denken höchst treffend bezeichnet. Es war, wie schon gesagt wurde, die eines Menschen, dem jeder einzelne Einfall die ganze ungeheure Ideenmasse in Bewegung setzte, der Phlegma mit Glut im Ausdruck seiner geistigen wie seiner leiblichen Physiognomie vereinigte. Es soll schließlich im Vorbeigehen die Frage aufgeworfen werden, ob nicht jener terminologischen Tendenz, die bei Schlegel so klar und bestimmend hervortritt, für alles mystische Denken eine typische Bedeutung zukomme, deren nähere Untersuchung sich verlohnen und schließlich auf das a priori, das der Terminologie jedes Denkers zugrunde liegt, führen würde.
Nicht sowohl aus polemischen und rein literarischen Motiven, als vielmehr auf Grund der dargestellten tieferen Tendenzen ist die romantische »Kunstsprache«119 gebildet worden, von deren »hypertrophische(r) Ausbildung«120 Elkuß spricht. Aber er verkennt dabei nicht: »Jene Spekulationen werden ja für das Bewußtsein jedes Einzelnen durchaus eine reale Funktion besessen haben, und es entsteht die schwierige Aufgabe, den Inbegriff von Bedürfnis … und Erkenntnis zu entwickeln, den die romantische Schule in allen jenen Hieroglyphen von der Transzendentalpoesie bis zum magischen Idealismus zu besitzen meinte«.121 Groß ist in der Tat die Anzahl jener hieroglyphischen Ausdrücke; für einige von ihnen, wie den Begriff der Transzendentalpoesie und der Ironie, wird sich eine Erklärung im Laufe der Arbeit ergeben, andere, wie die Begriffe des Romantischen und der Arabeske, können hier nur ganz kurz, wieder andere, wie z. B. der der Philologie, gar nicht behandelt werden. Dagegen ist der romantische Begriff der Kritik selbst ein exemplarischer Fall mystischer Terminologie, und aus diesem Grunde ist denn auch diese Arbeit nicht Wiedergabe einer romantischen Theorie der Kunstkritik, sondern die Analysis ihres Begriffs. Diese kann hier noch nicht seinen Gehalt, sondern nur seine terminologischen Beziehungen treffen. Sie führen über die engere Bedeutung des Wortes Kritik als Kunstkritik hinaus, und es muß daher ein Blick auf die merkwürdige Verkettung fallen, durch welche der Begriff der Kritik zum esoterischen Hauptbegriff der Romantischen Schule, neben jenem Terminus, der ihr den Namen gibt, wurde.
Von allen philosophischen und ästhetischen Fachausdrücken