Название | Der Kettenträger |
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Автор произведения | James Fenimore Cooper |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783849626334 |
Revolutionen, zumal solche von volksthümlichem Charakter, zeichnen sich nicht dadurch aus, daß sie Männer emporbringen, welche eine treffliche Bildung empfangen haben oder sonst für ihre neue Stellung vorzüglich geeignet sind, wenn nicht anders ihr Eifer sie empfiehlt. Es ist wahr, der Dienst klassificirt in der Regel die Menschen, stellt ihre Eigenschaften in's Licht, und die Notwendigkeit zwingt bald zur Beförderung derjenigen, welche die meisten Vorzüge gewähren. Unser großer Nationalkampf jedoch bewirkte dies wahrscheinlich in geringerem Maße, als irgend ein ähnliches Ereigniß der neuern Zeit, wenn eine achtbare Mittelmäßigkeit einmal einen höheren Posten erlangt hatte, den sie, in der Regel, im Stande war bis zum Ende des Kriegs zu behaupten. Es ist eine eigenthümliche Thatsache, daß in unsern militärischen Annalen kein einziger Fall sich findet, daß, während des ganzen Kampfes, ein junger Soldat durch seine Talente zu einem hohen Kommando sich emporgeschwungen hätte. Dies konnte – und wahrscheinlich war dies wirklich der Fall – von den Meinungen und Ansichten des Volkes herrühren, und von dem Umstande, daß der Dienst selbst von der Art war, daß er mehr Umsicht und Klugheit, als Eigenschaften glänzenderer und blendender Art, mehr die Vorzüge der Erfahrung und des Alters, als Jugend und Unternehmungsgeist erheischte. Es ist wahrscheinlich, daß Andries Coejemans, nach dem Maßstabe seines ursprünglichen Standes, eher über als unter der Durchschnittslinie der gesellschaftlichen Stellung der Mehrzahl der Subalternoffiziere von den verschiednen regulären Corps der nördlicheren Colonieen stand, als er zuerst in die Armee trat. Zwar war seine Bildung nicht seiner Geburt entsprechend; denn in jenen Tagen waren die Holländer von New-York, einzelne Fälle und gewisse Familien ausgenommen, selbst wo es an Geldmitteln gar nicht fehlte, nichts weniger als Freunde der Gelehrsamkeit. In diesem Punkte behaupteten unsere Nachbarn, die Yankees, gar sehr den Vorzug vor uns. Sie schickten jeden Knaben zur Schule, und obgleich ihre Erziehungs- und Bildungsweise in der Regel nur oberflächliche Halbwisser zog, ist es doch ein Vorzug, auch nur ein Halbwisser unter ganz Unwissenden zu seyn. Andries hatte sich auch nicht mit gelehrten Studien befaßt, und man kann sich leicht denken, was vernachlässigte Cultur bei einem von Natur schon magern Boden für Folgen hatte. Er konnte zwar lesen und schreiben, aber das Rechnen war es, unter dessen Last er als Geometer erlag. Ich habe ihn oft sagen hören, wenn man das Land vermessen könnte ohne Ziffern, so würde er keinem Berufsgenossen in ganz Amerika weichen, wenn nicht etwa »Seiner Excellenz,« der, wie er nicht zweifle, nicht nur der beste, sondern auch der ehrlichste Landvermesser sey, den die Menschheit je gesehen.
Der Umstand, daß Washington während einer kurzen Zeit in seiner Jugend die Kunst des Landvermessens getrieben hatte, war für Andries Coejemans die Quelle großen Triumphes. Er empfand es als eine Ehre, auch nur als untergeordneter Gehülfe einen Beruf auszuüben, in welchem ein solcher Mann als Meister thätig gewesen war. Ich erinnere mich, daß, lange nachdem wir bei Saratoga zusammen gewesen. Kapitän Coejemans, wie wir vor Yorktown standen, eines Tages auf den Oberbefehlshaber deutete, wie dieser an unserm Lager vorbeiritt, und mit Emphase ausrief: »Da, Mordaunt, da, mein Junge, reitet Seine Excellenz! Es wäre der glücklichste Tag meines Lebens, dürfte ich nur einmal die Meßkette tragen, während er die Vermessung eines Landstückes in der Nähe leitete!«
Andries sprach einen mehr oder weniger holländischen Dialekt, je nachdem er mehr oder weniger im Eifer war. Zu der Regel sprach er ein ganz ordentliches Englisch – ein Colonial-Englisch meine ich, nicht das der Schulen, obgleich in seinem Wörterbuch nicht ein einziger Yankeeismus sich fand. Auf diesen letztern Punkt that er sich viel zu Gute und empfand einen ehrlichen Stolz, wenn er gelegentlich gemeiner Ausdrücke sich bediente, eine fehlerhafte Aussprache sich zu Schulden kommen ließ, oder einen Mißgriff in der Bedeutung eines Wortes beging – eine Sünde jedoch, die nicht häufig bei ihm vorkam; waren doch alle seine Fehler ehrliche New-Yorker Fehler und kein »Neu-Englands Gewelsche.« In Folge der verschiedenen Besuche, die ich im Lager abstattete, wurden Andries und ich ganz vertraut; seine Eigenthümlichkeiten machten Eindruck auf meine Einbildungskraft, und ohne Zweifel erregte meine unverhehlte Bewunderung seine Dankbarkeit. Im Verlauf unserer vielfachen Gespräche erzählte er mir seine ganze Geschichte, wobei er mit der Auswanderung der Coejemans aus Holland anfing und mit unserer damaligen Lage im Lager bei Saratoga schloß. Andries war oft ins Treffen gekommen; und ehe der Krieg zu Ende ging, konnte auch ich mich rühmen, in nicht weniger als sechs Treffen ihm zur Seite gefochten zu haben, nämlich bei White Plains, Trenton, Princeton, Bhemis Heights, Monmouth und Brandywine; denn ich hatte mich vom Collegium weggestohlen, um diesem letzten Treffen anzuwohnen. Der Umstand, daß unser Regiment sowohl unter Gates als Washington focht, hatte seinen Grund in der edlen Großmuth des Letzteren, welcher einen Theil seiner besten Truppen seinem Nebenbuhler als Verstärkung sandte, als der Krieg im Norden eine entscheidendere Bedeutung bekam. Dann wohnte ich der ganzen Belagerung von Yorktown bei. Aber es ist nicht meine Absicht, über meine Kriegsdienste mich weitläufiger auszusprechen.
In Saratoga fielen mir Wesen, Haltung und Benehmen eines Gentleman sehr auf, welcher die Achtung aller Anführer im amerikanischen Lager zu genießen und bei Allen bereitwilliges Gehör zu finden schien, obgleich er, wie es schien, keine amtliche Stellung einnahm. Er trug keine Uniform, obgleich er mit dem Titel General angeredet wurde, und hatte weit mehr das Wesen eines wirklichen Soldaten an sich, als Gates, welcher kommandirte. Er mußte damals zwischen vierzig und fünfzig Jahren alt seyn, und stand da der vollsten geistigen und förderlichen Kraft. Dies war Philipp Schuyler, mit so großem Recht gefeiert und berühmt in unseren Annalen wegen seiner Weisheit, seines Patriotismus, seiner Rechtschaffenheit und seiner dem Staate geleisteten Dienste. In welchem Verhältnis er zu dem großen Feldzug im Norden stand, ist zu gut bekannt, als daß hier eine weitere Erklärung nöthig wäre. Der Erfolg desselben jedoch war mehr seinem Rath und seinen Vorkehrungen zu verdanken, als dem Einfluß und der Thätigkeit irgend eines anderen Mannes; und er beginnt schon, im Zusammenhang mit diesen großen Begebenheiten, eine Stelle in der Geschichte einzunehmen, die eine auffallende Ähnlichkeit hat mit derjenigen, die er dann beim wirklichen Eintritt der wichtigsten Ereignisse behauptete; mit anderen Worten, man sieht ihn im Hintergrunde des großen Nationalgemäldes, bescheiden und anspruchslos, aber Alles leitend und beherrschend durch die Kraft seines Verstandes, durch den Einfluß seiner Erfahrung und seines Charakters. Gates hatte bei den wirklichen Begebenheiten dieser denkwürdigen Periode nur eine untergeordnete Bedeutung. Schuyler war der waltende und lenkende Geist, obwohl durch das Vorurtheil des Volkes gezwungen, auf den Namen und Schein des Oberbefehls über die Armee zu verzichten. Unsere geschriebenen Geschichten schreiben den Uebelstand, welcher diese Ungerechtigkeit gegen Schuyler veranlaßte, einem Vorurtheil zu, welches unter den Milizen aus dem Osten herrschte, und das seinen Grund in dem Mißgeschick von St. Clair gehabt haben soll, oder in den Unglücksfällen während der ersten Bewegungen des Feldzuges. Mein Vater, welcher den General Schuyler in dem Kriege von 1756 kennen gelernt hatte, wo er die rechte Hand von Bradstreet war, leitete die Gesinnungen gegen Schuyler von einer andern Ursache her. Nach seiner Meinung rührte die Entfremdung und Abneigung her von dem Unterschied in den Ansichten und Lebensgewohnheiten, der zwischen Schuyler, einem Gentleman von New-York und den Yeomen von Neu-England bestand, welche im Jahr 1777 ausrückten, getränkt mit den eigenthümlichen Begriffen, die die Folge ihres besonderen gesellschaftlichen Zustandes waren. Vorurtheile mögen auf beiden Seiten gewaltet haben, aber es ist leicht zu sehen, welche Partei am meisten Großherzigkeit und Selbstverläugnung bewährte. Vielleicht war das letztere unvermeidlich bei dem Uebergewicht der Zahl, da es nicht leicht ist, Massen von Menschen zu überzeugen, daß sie Unrecht haben können und ein Einzelner Recht. Das ist der große Irrthum der Demokratie, welche sich einbildet, die Wahrheit finde sich dadurch, daß man die Nasen zählt, während die Aristokratie den entgegengesetzten Schnitzer macht, zu glauben, die Trefflichkeit erbe sich von Mann auf Mann fort, und zwar nach der Reihe der Erstgeburt! Es ist nicht leicht zu sagen, wo man in diesem Leben die Wahrheit suchen soll.
Was den General Schuyler betrifft, so hatte, glaube ich, mein Vater Recht, seine Unpopularität einzig den Vorurtheilen der Provinzen zuzuschreiben. Die Muse der Geschichte ist die ehrgeizigste unter allen neun Schwestern,