FASTENPREDIGT IN UNTERFILZBACH. Eva Adam

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Название FASTENPREDIGT IN UNTERFILZBACH
Автор произведения Eva Adam
Жанр Языкознание
Серия Unterfilzbach
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958353381



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die Flucht zu ergreifen, jedoch verhängte sich der ausladende Reifrock im Türrahmen und er konnte weder vor noch zurück. Ein wenig verzweifelt sah er dabei aus, der Esoterik-Guru von Unterfilzbach, amüsierte sich Hansi.

      Ashanti war ein selbsternannter Heiler, Yoga- und Kamasutra-Meister. Nebenbei besaß er seiner Meinung nach noch einige weitere herausragende Fähigkeiten und Talente. Angeblich war er eine Zeit lang in einem indischen Ashram gewesen und wurde dort »erleuchtet«. Ashanti war der intelligenten Indira immer schon sehr suspekt vorgekommen und sie hatte vor ein paar Monaten ein wenig in seiner Vergangenheit gewühlt. Es stellte sich heraus, dass der indische Ashram eigentlich eine niederbayerische Justizvollzugsanstalt war. Dort hatte er wegen Veruntreuung und Betrugs seines ehemaligen Arbeitgebers, einer großen bayerischen Versicherung, eingesessen. Aber die Verkaufsschulungen in Sachen Rhetorik und Kundenüberzeugung für Versicherungen aller Art waren wohl sehr lehrreich gewesen, denn Ashanti konnte wirklich eloquent und überzeugend sein. Letztes Jahr hatte er mit seinen angebotenen Kursen an der Volkshochschule die gesamte Gemeinde Unterfilzbach in ein wahres Kamasutra-Fieber versetzt.

      Im Grunde aber war der Amberger Loisl ein Luftikus, der sich von heute auf morgen durch das Leben schlug. Auf die Dauer nervtötend war seine penetrant missionarische Art. Da konnte er einen wirklich in Grund und Boden reden. Furchtbar! Hansi hatte da schon so seine Erfahrungen gemacht und deshalb ging er dem grauhaarigen Esoterik-Messias lieber aus dem Weg.

      Und jetzt stand der also vor ihm. Er, der angeblich allen irdischen Besitztümern abgeschworen hatte. Was ein Leichtes war, weil Ashanti quasi keinerlei Besitz mehr hatte. Ashanti stand da also als Kaiserin Sissi verkleidet in der Haustür seines besten Freundes und hing mit seinem Reifrock am Türrahmen fest. Wenn er nicht so unglaublich überrascht gewesen wäre, hätte Hansi ihm vielleicht sogar geholfen. Aber dieser Anblick war einfach zu komisch. Es war fast wie bei einem Unfall, man konnte gar nicht wegschauen.

      »Hallo Hansi, ich hab’s gleich, hihi«, stammelte Ashanti verlegen, während er wie wild an seinem Unterrock zerrte.

      »Servus Hansi«, war jetzt Sepps Stimme aus der Dunkelheit zu hören. Mit einem Kasten Bier in der Hand kam Sepp nun zu dieser skurrilen Szene hinzu.

      »Was machst jetzt du da? Ashanti? Alles klar bei dir?« Auch Sepp schien ein wenig überrascht über den Anblick, der sich ihm in seiner Haustür bot. Endlich konnte Ashanti sich befreien und eilte schnell in das Haus zurück, dass sein Kleid nur so raschelte.

      »Ähm, was ist jetzt da bei dir los, Sepp?«, wollte Hansi natürlich gleich wissen.

      Als Antwort kam lediglich ein tiefes Seufzen, was Hansis Spannung auf die Auflösung jedoch nicht geringer werden ließ.

      »Bist jetzt schwul geworden, weil dich die Maria nicht mag?«, wollte Hansi mit einem kleinen Witz die Stimmung ein wenig auflockern.

      Augenblicklich verzogen sich allerdings Sepps Gesichtszüge und er warf seinem Bauhofkollegen einen sehr ernsten Blick zu, sodass Hansi für einen Moment sogar befürchtete, er könnte recht gehabt haben.

      »Wenn du eh nur blöd daherredest, kannst gleich wieder abhauen, Scharnagl«, entgegnete Sepp ihm sehr betroffen und stapfte mit seinem Kasten Bier wieder ins Haus zurück.

      Hansi vermutete, dass Sepp immer noch großen Liebeskummer hatte. Der arme Kerl. Gleich tat ihm sein Spruch über die mögliche sexuelle Neuorientierung wieder leid. Hansi folgte ihm und dem Kasten Bier.

      Sepp war in der Küche und schichtete die Flaschen naturtrübes Filzer Hell wortlos in seinen Kühlschrank. In der Küche verteilt lagen überall Räucherstäbchen und LoFi-Massagestäbe. So was hatten auch die Scharnagls daheim, seit Bettina auf Yoga schwor. Das müssen Ashantis Sachen sein, dachte Hansi. Denn soviel er wusste, war Sepp nicht unbedingt ein Fan von diesem esoterischen Zeug.

      »Tut mir leid, Sepp, ich hab das nicht so gemeint«, entschuldigte sich Hansi kleinlaut. »Aber jetzt sag mir bitte, was der Ashanti hier zu suchen hat.«

      »Mei Hansi, ich kann halt nicht nein sagen, das weißt doch. Vor ein paar Tagen hab ich die Stille hier im Haus nicht mehr ausgehalten und bin kurzentschlossen zu einem Kurs bei der VHS gegangen – Bring positive Energie in dein Leben. Ich war dann wirklich auch besser drauf, weil so ein positiver Energiefluss hilft schon ein bisserl. War gar nicht mal schlecht, die ganze Sach’. Auf jeden Fall hat der Wiggerl den Ashanti rausgeworfen, oder vielmehr seine Hilde. Da hat er doch als Untermieter gewohnt. Also hat der mich dann so dermaßen zugetextet, bis ich gesagt hab, ja dann bleibst halt ein paar Tage da. Und jetzt ist er halt da. Ich sag dir, ich könnt ihn manchmal an die Wand klatschen.« Sepp war sichtlich genervt von seinem neuen Mitbewohner.

      »Typisch! Hätt’st ihn halt gleich nicht aufgenommen«, schimpfte Hansi seinen gutmütigen Freund. »Und jetzt läuft er hier den ganzen Tag als Sissi rum?«, erinnerte sich Hansi schmunzelnd wieder an das soeben Erlebte.

      »Ach, was weiß ich, der spinnt halt. Er will mit auf den Feuerwehr-Faschingsball gehen. Also, falls ich ihm bis dahin noch nicht an die Gurgel gegangen bin. Blöderweise hat er mitbekommen, dass ich den Ball als Feuerwehrkommandant organisieren muss, und er fühlt sich jetzt mitverantwortlich. Ich komm mir vor, als wenn ich verheiratet wär. Stell dir vor, er möchte, dass wir in einem Partnerkostüm gehen. Also lange pack ich den nimmer, ich sag’s dir, der geht mir so was von auf die Nerven«, klagte Sepp sein Leid über die Eigenarten Ashantis.

      Aber Faschingsball war jetzt Hansis Stichwort und er wurde gleich hellhörig. »Ach, ja genau, der ist ja schon in drei Wochen. Wie war noch mal das Motto heuer? Stars und Sternchen? Da brauch ich ja noch ein Kostüm. Als was gehst du denn, Sepp?« Hansi freute sich, er war nämlich ein leidenschaftlicher Faschingsballgänger.

      »Wenn ich nicht müsste, dann würd ich gar nicht hingehen, das kannst mir glauben«, antwortete Sepp melancholisch.

      Er öffnete zwei Flaschen Filzer Hell und stellte sie auf den Küchentisch. Anscheinend hatte der Positive-Energie-Kurs in Sepp etwas bewirkt, denn so redselig war er sonst eigentlich nie. Sepp schüttete Hansi sein Herz aus. Über Maria, die nun doch noch mal mit Reiner eine Ehetherapie wagen wollte. Über den Sinn des Lebens und über den allgemeinen Unterfilzbacher Tratsch. Hansi freute sich darüber, denn so richtig geratscht hatten die beiden Freunde schon lange nicht mehr.

      Der Redeschwall brach allerdings sehr schnell ab, als Ashanti in die Küche kam. Er hatte sich wieder in seinen gewohnten hellen Leinen-Flatterlook geworfen und war ganz der Alte. Sofort versuchte er wieder missionarisch auf Sepp einzureden, von wegen positiver Gedanken und Energiefluss und so weiter. Angeblich hatte er ein Fernstudium zum Happiness-Trainer gemacht, prahlte er. So wirklich bedrückt war die Stimmung nun auch gar nicht mehr, denn Sepp und Hansi mussten sich absolut beherrschen, um Ashanti nicht laut auszulachen. Sein Make-up à la Kaiserin Sissi hatte er nämlich im Eifer des Gefechts wohl abzuwaschen vergessen.

      Rund geht’s

      In einem Dorf war es eigentlich immer derselbe Rhythmus. Manchmal rührte sich wochenlang gar nichts und Bettina musste an ihrem Arbeitsplatz, der Kasse im Unterfilzbacher Supermarkt KaufGut, tatsächlich mit ihren Kunden über das Wetter reden. Und dann kamen – wie im Moment – wieder so Phasen, da gab es viele Neuigkeiten aus einem breit gefächerten themenübergreifenden Tratsch- und Klatschreservoir zu berichten, zu erfahren und zu diskutieren. Da ging’s dann so richtig rund und man konnte die Informationsflut gar nicht mehr ordnen. Besonders »g’schaftig« war da die Hinkhofer Berta immer unterwegs, man könnte auf gut Bayerisch auch sagen, sie hatte es unglaublich wichtig. Sie verkörperte so etwas wie den »Berta-Nachrichten-Dienst« im Staatsgebiet Unterfilzbach und den Randgebieten. Deshalb hatte Bettina die Hinkhoferin auch heimlich auf den Insidernamen BND getauft. Im Moment war sie auf Dauerempfang und wechselte mehrmals täglich ihre investigativen Standorte. Sie pendelte zwischen Supermarkt, Recyclinghof, Friedhof und Apotheke, um ja möglichst viele Informanten anzutreffen.

      Neben den zwei aktuellen Topthemen im Dorfklatsch, dem Erweiterungsanbau an das Altenheim Zum ewigen Licht und dem anstehenden Kommunalwahlkampf, war heute auch die Helden-Crew vom Bauhof wieder einmal Gesprächsthema.

      Die