Название | FASTENPREDIGT IN UNTERFILZBACH |
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Автор произведения | Eva Adam |
Жанр | Языкознание |
Серия | Unterfilzbach |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783958353381 |
Das ist ja auch irgendwie lustig, musste Hansi schmunzeln. Der Howie muss sich bei der Arbeit mit Unterwäsche von hübschen Frauen bewerfen lassen. Da gab es jetzt wirklich Schlimmeres, fand Hansi. Ein breites Grinsen huschte ihm über das ganze Gesicht, als seine Fantasie zu diesem Gedanken sofort das passende Kopfkino bot: Hansi sah sich an einem heißen Sommertag selbst auf dem Bauhof-Aufsitzrasenmäher »Gras-Killer 4.0« sitzen. Er mähte mit nacktem, braungebranntem, leicht muskulösem Oberkörper den Rasen am Unterfilzbacher Badeweiher. Die Realität in Bezug auf den Oberkörper sah allerdings drastisch anders aus. Im selben Moment schlenderte die scharfe blondgelockte Elke, die von der Männerwelt angeschmachtete Sprechstundenhilfe beim Zahnarzt Dr. Herzinger, in einem ultrakurzen Sommerkleidchen vorbei. Als sie Hansi auf dem Rasenmäher erblickte, kam sie augenblicklich genauso in Wallung wie gerade eben die attraktive Anwältin neben Hansi und warf ihm einen roten Spitzen-Stringtanga, der quasi nur aus Schnürl bestand, direkt an den Kopf. Das Grinsen in seinem Gesicht wurde tatsächlich noch breiter. Allerdings schlug Hansi sofort auch wieder in der Realität auf, als im Kopfkinofilm hinter der scharfen Elke nun die fast siebzigjährige Dorfratschn Berta Hinkhofer ebenfalls am Badeweiher vorbeiwatschelte und Hansi nun wohl auch in ihr ein loderndes Feuer der Leidenschaft entfachte. Er zuckte direkt zusammen, als er gedanklich von Bertas alter Miederhose circa aus dem Modeherbst 1954 getroffen wurde. Das war fast wie eine gefühlte Watsch’n!
Wieder zurück in der Wirklichkeit musste sich Hansi, der nebenbei bei der Unterfilzbacher Feuerwehr ehrenamtlich als Oberlöschmeister im Einsatz war, erst einmal schütteln, ließ sich aber sofort wieder von Howie und seiner beeindruckenden Pyrotechnikshow auf der Bühne in seinen Bann ziehen.
So ausgelassen hatte Bettina ihren Gatten schon lange nicht mehr gesehen. Er tanzte und hüpfte, bis sein Hemd klatschnass geschwitzt war. Bettina war heilfroh, dass ihre drei Kinder nicht mitgekommen waren, denn ihr Vater wäre ihnen wieder einmal furchtbar peinlich gewesen.
Außer Howard Carpendale waren auch noch die Spider Murphy Gang, Roland Kaiser und die Münchner Freiheit im Staraufgebot des Schlagerabends. Bettina geriet beim Auftritt der Spider Murphy Gang dann doch auch ein wenig in Wallung. Das hatte wenigstens Pep. »… unter 32-16-8 herrscht Konjunktur die ganze Nacht …«, sang nun auch Frau Scharnagl lautstark mit.
»Das waren noch Texte! Da konnte man sich wenigstens was drunter vorstellen«, schrie Bettina begeistert ihrem Mann ins Ohr, denn die Lautstärke war schon extrem.
Sie war wirklich ein Kind der Achtziger und der Neuen Deutschen Welle. Da waren deutsche Lieder, logischerweise, auch sehr angesagt gewesen und hatten wenigstens eine Aussage, fand Bettina. Sie erinnerte sich sehr gerne an 99 Luftballons, Karl der Käfer oder Major Tom. Den Sinn von Liedern wie Tretboot in Seenot oder Da Da Da hingegen hatte sie noch nicht durchschaut. Wenn Bettina etwas nicht leiden konnte, dann waren es sinnlose, blöde Liedtexte. Bei den englischsprachigen Liedern, die im Radio tagein, tagaus gespielt wurden, war das nicht wirklich ein Problem, denn Englisch war nicht unbedingt Bettinas Stärke. Aber dieser neue Trend, wieder deutsch zu singen, war Bettina ein Graus. Wenn sie das schon hörte – Ich lass für dich das Licht an oder Ich und mein Holz –, da stellten sich bei Bettina sofort alle Haare auf und sie wechselte automatisch im Autoradio den Sender auf Bayern 1. Das führte dann zu regelmäßigen Diskussionen mit ihrer jüngsten, extrem pubertierenden Tochter Indira, wenn die mit im Auto saß. Wobei, eigentlich diskutierten Bettina und ihr Nesthäkchen permanent über jedes Thema. Manchmal betete Bettina wirklich zum Herrgott, dass diese Pubertät doch bald vorbeigehen möge. Die dreifache Mutter müsste eigentlich so eine Pubertät inzwischen locker wegstecken, aber sie stellte gravierende Unterschiede zwischen ihren Kindern während dieser Zeit des Erwachsenwerdens fest. Bei Isabelle war es vielleicht ein paar Monate mal ein bisserl anstrengend gewesen, damals konnte sich Bettina höchstens über den sehr freizügigen Kleidungsstil ihrer Erstgeborenen aufregen. Manchmal konnte man schon meinen, Isabelle wäre das tschechische Au-pair-Mädchen und wohnte normalerweise gleich hinter der Grenze in der Villa Ludmilla – der Bar für besondere Stunden.
Bei Hansi junior war die Pubertät irgendwie total ausgefallen oder kam sie bei ihrem Sohn jetzt mit neunzehn Jahren noch? Aber Indira war schon eine Herausforderung für Bettina als Mutter. Wie dem auch sei, bei der Spider Murphy Gang erinnerte sich Bettina wieder an ihre eigene Jugend und fühlte sich für ein paar Stunden wieder jung. Vor allem bei dem schnuckeligen Sänger der Band schlug ihr Herz ein wenig höher. Günther Sigl hieß er, das wusste Bettina noch. Denn früher hatte sie sehr für ihn geschwärmt. Diese Locken! So einen Wuschelkopf fand Bettina unglaublich sexy, wobei der Lockenkopf von Günther Sigl auch nicht mehr das ist, was er mal gewesen war. Mit so einer Kringelmähne hatte auch Hansi seine Bettina vor über fünfundzwanzig Jahren erobert. Damals, als er noch Haare hatte und die noch gelockt waren. Also ein paar Haare hatte Hansi ja auch noch, aber es wurde schon recht überschaubar an manchen Stellen. Die Resthaare versuchten sich so krampfhaft an Hansis Kopfhaut zu klammern, dass sie wohl keine Kraft mehr hatten, um sich noch zu kringeln. Denn die ganze Lockenpracht war leider auch verschwunden. Überhaupt hatte sich Hansi schon verändert, fand Bettina, vor allem in letzter Zeit. An diesem Abend stellte sie so manche neue Eigenart an ihm fest und bemerkte, dass sie nicht nur im Musikgeschmack auseinandergedriftet waren. Früher hatten sie da doch noch relativ viele Gemeinsamkeiten gehabt, aber Hansi schien total auf diese recht oberflächliche Schnulzenschiene mit allem Drum und Dran abzufahren. Das fand Bettina nicht wirklich gut. Aber sie hatte ja schließlich eine Mission zu erfüllen am heutigen Abend und diese war wohl geglückt. Helene war hoffentlich nun nicht mehr ständig Atemlos – daheim bei den Scharnagls. Jedoch kam bei Bettina bereits auf der Heimfahrt der leise Verdacht auf, dass Hansi zwar seine Helene etwas in den Hintergrund stellen würde, sie aber nun wohl ein neues Problem hatten: Howie. Wie man auf Bayerisch so schön sagt – Deife dauscht, den Teufel getauscht.
»Also weißt, mein Zuckerschoaserl, ich wusste ja gar nicht, dass man in diesem Alter noch so eine Ausstrahlung haben kann. Das ist vielleicht ein Mann! Findest nicht? Jetzt sag a mal selber, Bettina, findest du den Howard Carpendale nicht unglaublich attraktiv?«, fragte Hansi.
»Mei, Bärle, ja, der is schon ganz nett. Aber mein Typ wär das jetzt nicht unbedingt. Der ist mir echt zu schmalzig«, antwortete Bettina, wie immer sehr ehrlich.
»Findest du? Geh, der ist doch super. So lässig. Weißt, wie ich mein? Dem laufen die Frauen in Scharen nach. Hast du gesehen, wie viele BHs die Weiber da auf die Bühne geworfen haben?«, schwärmte Hansi weiter.
Bettinas Gatte hatte sich nach dem Konzert am Merchandising-Stand von Herrn Carpendale noch eine Doppel-CD mit seinen größten Hits erstanden. Sogar signieren hatte er sie lassen. Von seinem neuen Idol ganz persönlich. Da war ihm die Warteschlange, die er normalerweise absolut verabscheute, mit circa vierzig aufgekratzten Frauen im zweiten Frühling tatsächlich nicht zu lang gewesen. Für Hansi von Howie – stand mit schwarzer Eding-Farbe über das ganze Cover gekritzelt. Von da an war Bettina klar, dass dieses Weihnachtsgeschenk zwar die Helene zum Schweigen gebracht hatte, aber nun hatten sie Howie mit heim genommen.
Ein wenig geschockt von Hansis überdurchschnittlicher Begeisterung, die er auch bei der Heimfahrt noch sehr enthusiastisch versprühte, versuchte Bettina ihren Mann zu zügeln, indem sie ihn auf die winterlichen Straßenverhältnisse aufmerksam machte. Sogar in München schneite es, und der Schnee wurde auf dem Nachhauseweg nicht weniger. Da Hansi ein schrecklich ängstlicher Beifahrer war, überließ er seiner Frau eher selten das Steuer. Es sei denn, Bettina musste ihn zu späterer Stunde irgendwo in fahruntauglichem Zustand abholen. Dann durfte sie gerne sein