KHAOS. Lin Rina

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Название KHAOS
Автор произведения Lin Rina
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783959914208



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eilte an meine andere Seite und schob mir seinen starken Arm um die Taille. Es war mir unangenehm, von ihm berührt zu werden, doch ich hatte im Moment keine Wahl, wenn ich vorhatte, Erikson zu retten.

      Sie halfen mir hinüber und stützten mich, während ich mir eine Schere reichen ließ und begann, seine Kleider um die Wunde herum aufzuschneiden.

      Das Rohr musste raus. Doch damit würde er nur noch mehr Blut verlieren und das bedeutete in diesem Stadium ganz sicher seinen Tod.

      Verzweifelt kniff ich die Augenlider zusammen, ignorierte den Schmerz meiner Knochen, meiner Muskeln. Schmerz, der meine Gedanken zähflüssig machte, auch wenn die Medikamente in meinem Blut meinen Zustand von Sekunde zu Sekunde verbesserten.

      Blut war das Problem und die Lösung.

      »Er ist Avecianer«, sagte ich zu mir selbst, damit mein Kopf es auch begriff. Die riesigen wellenförmigen Ohren und die bei ihm besonders ausgeprägte Knochenerhebung in der Stirn waren Hinweis genug.

      Er war allerdings der Einzige seiner Spezies, den wir hier auf dem Planeten hatten, also brauchte ich einen anderen, dessen Blut mit dem seinen kompatibel war.

      Angestrengt dachte ich nach, doch meine Gedanken waren klebrig wie Gelee. Eriksons Blut hatte eine gräulich-grüne Färbung. Wessen Blut hatte die gleichen Bestandteile?

      »Schakalianer«, kam es mir endlich in den Sinn und eine unangenehme Gänsehaut zog sich über meine Haut. »Ich brauche Krung!«, sagte ich lauter und Cobal sah mich mit großen Augen an. Keine Ahnung, was er im Moment dachte, aber ich wollte es besser nicht wissen. »Ich brauche ihn als Blutspender! Hol ihn her, bevor Erikson tot ist!«

      Cobal ließ mich los, um eilig den Raum zu verlassen.

      Schwach kippte ich gegen Nefrot, der seinen zweiten Arm um mich schlang, sodass ich an seine Brust gepresst wurde.

      Nefrot räusperte sich verlegen und half mir dabei, mich wieder auf die Liege zu setzen, während er betreten überall hinsah, nur nicht zu mir.

      Seine Seele war aufgewühlt, seine Lenden machten sich bemerkbar und ich konnte die hormongetränkten Emotionen in seiner Seele beobachten, die für einen Mann so normal zu sein schienen wie Essen und der Gang aufs Klo.

      Und das, obwohl Erikson gerade im Sterben lag. Doch der Tod lauerte hier sowieso an jeder Ecke. Warum wunderte ich mich eigentlich noch über die Gleichgültigkeit der Leute.

      »Wie alt bist du eigentlich, Daya?«, fragte er mich plötzlich und immer noch ohne mich anzusehen.

      Erstaunt konnte ich in seinem Innern dabei zusehen, wie er fast schon ehrenhaft die körperliche Anziehung, die er zu mir empfand, niederzukämpfen versuchte und den Aufruhr seiner Seele mit Gewalt unterdrückte.

      Ich ging trotzdem nicht auf seine Frage ein. Bisher hatte er mich immer lil’Pid genannt, wie die anderen auch, und es gefiel mir nicht, dass sich das geändert hatte.

      »Hol die Flasche mit dem Desinfektionsmittel dort vorne vom Schrank. Die Kiste mit dem Verbandszeug und die Schublade mit dem chirurgischen Besteck.« Ich zeigte in die jeweilige Richtung und Nefrot beeilte sich, meiner Aufforderung nachzukommen.

      Krung betrat den Raum mit einem so breiten Grinsen auf dem Gesicht, dass mir ganz schlecht wurde bei seinem Anblick.

      »Du brauchst mein Blut?«, wollte er von mir wissen und verschlang mich mit seinen Augen. Er fühlte sich mächtig, weil er etwas hatte, das ich brauchte, und weil er dachte, er könnte einen Handel für sich rausschlagen.

      Aber so würde es sicher nicht laufen!

      »Erikson braucht es. Krempel deinen Ärmel hoch«, sagte ich ohne jegliche Emotion und schob Krung den Eimer hin, damit er sich setzte.

      »Du weißt, was ich dafür haben will?«, deutete er an und Nefrot schienen beinahe die Augen aus den Höhlen zu fallen. Ich drehte beiden den Rücken zu und kramte eine Braunüle und ein Stück Gummischlauch aus der Kiste mit Verbandszeug, die ich noch nicht geschafft hatte, wieder in Ordnung zu bringen.

      Mittlerweile stand ich wieder von allein auf meinen Füßen und musste lediglich mit übereilten Bewegungen aufpassen, damit der Schmerz nicht zu stark wurde oder ich ins Wanken geriet.

      »Ewige Dankbarkeit von Erikson und einen warmen Schulterklopfer von Boz. Und jetzt setz dich!«, befahl ich leise, aber in scharfem Ton.

      Krungs Lächeln erstarb. Er setzte sich und schlug sogar seinen Ärmel hoch, als Cobal ihm einen düsteren Blick zuwarf. Zum Glück war der Echsenmann geblieben.

      »Ich krieg dich, du Schlampe. Und dann werde ich deinen jungfräulichen Körper zu dem meinen machen!«, knurrte mir der Schakalianer verbissen ins Ohr, als ich mich ihm näherte, den Gummischlauch um seinen Oberarm festzog und dann mit einem sterilen Tuch den Unterarm desinfizierte. Nicht besonders sanft stieß ich ihm die Nadel ins Fleisch und klebte dann grob ein Pflaster darüber.

      Mein Körper begann leicht zu zittern unter der schrecklichen Vorstellung, die meine Fantasie produzierte, aber ich riss mich zusammen.

      Wenn mich eine Situation lehrte, dass ich doch am längeren Hebel saß, dann doch wohl diese. Ich hielt mich oft für so klein und schwach. Aber mir fehlte nur ein wenig Selbstbewusstsein und ein Funke Erkenntnis. Denn da rammte einem einer ein Eisenrohr zwischen die Rippen und ich wurde zu einem Menschen, der über Leben und Tod entschied. Ohne mich wäre Erikson so gut wie tot. Und viele der anderen Männer auch.

      Vielleicht hatte man mich bisher gar nicht unbehelligt gelassen, weil man mich für zu jung hielt, sondern weil ich die mit dem Skalpell war.

      Ein ganz neuer Gedanke, doch eingängig und gut zu handhaben. Und einer, der mir neue Kraft gab.

      »Wirst du nicht«, behauptete ich daher geradeheraus und zog einen der Schläuche, die aus dem Blutreinigungsgerät ragten, zu mir heran, um ihn an der Nadel festzumachen. Ich nahm die Kappe von der Braunüle und steckte den Schlauch an.

      »Ach ja, da …« begann Krung etwas lauter, doch ich schnitt ihm sofort das Wort ab, indem ich das Gerät einschaltete und es Blut aus seinen Adern zu ziehen begann, was ihn nach Luft schnappen ließ.

      »Ja. Denn früher oder später wirst du hier auf dieser Liege liegen. Und dann wirst du dir wünschen, dass du dich gut mit mir gestellt hättest«, flüsterte ich, während ich die Werte auf der Anzeige kontrollierte, bevor ich das Blut freigab, damit es in Eriksons Venen fließen konnte. Das Gerät spülte das Blut durch, passte es minimal an, damit es keine Komplikationen mit dem Rhesusfaktor gab, dann drückte ich einen weiteren Knopf.

      Ich konnte nur hoffen, dass das tatsächlich so funktionierte, wie ich mir das vorstellte.

      Krung hatte die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengekniffen und hielt still. Wenigstens ein kleiner Erfolg.

      Ich desinfizierte mir die Hände erneut, griff nach meinem Wagen mit dem Nähzeug und dem anderen Wundbehandlungsbesteck und machte mich bereit.

      Alles war hergerichtet. Cobal mein Aufpasser, Nefrot mein Laufbursche. Und ich packte das Rohr mit beiden Händen.

      5

      Ideenreichtum

      Gerade wusch ich mir die Hände und hängte meine OP-Schürze an einen Haken an der Wand, da wurde die Tür aufgeschoben. Zwei Männer kamen herein, die eine längliche Metallkiste zwischen sich trugen.

      Ich erkannte sie sofort. Es war eine der Kryokapseln aus dem Lagerraum hinter dem verschütteten Gang. Der Schock fuhr mir in die Glieder und ich stockte beim Versuch, mich über den Lärm zu beschweren.

      Die Entfernung des Rohres war mittelmäßig gut verlaufen, aber ich konnte zumindest vorweisen, dass Erikson noch am Leben war.

      Krung