Название | Im grünen Raum von Saint-Leu |
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Автор произведения | Peter Lenzyn |
Жанр | Современная зарубежная литература |
Серия | |
Издательство | Современная зарубежная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954628575 |
„Das Wesen des Meers ist schwarz“, sagte ich, „und wer das nicht weiß, der unterschätzt es.“
Es gongte zur Pause.
Die Kunstlehrerin war nicht so hilflos wie meine Mutter oder die neuen Freundinnen meiner Mutter, die einen kleinen Hund mit großen Augen in der Jackentasche hatten und gegenüber ihren Hausangestellten klein beigaben. Obwohl die Kunstlehrerin jung war, strahlte sie einen solitären Autoritätsanspruch aus und wusste sich gegenüber uns Schülern durchzusetzen. Ich erwartete, dass sie mich zur Rede stellte; wie ich denn dazu käme, ihr vor der gesamten Klasse zu widersprechen?
Wenn es um Autorität ging, hatte ich mir seit meiner Rückkehr nach Paris einiges anhören müssen. Insbesondere mein langhaariger Onkel hatte die Sorge, das tropische Klima von La Réunion hätte mich verdorben; es hätte mir die Fähigkeit genommen, mich in das in Paris herrschende Leben einzufinden. Sehr schnell redete er davon, dass es so etwas wie Autorität gab und dass sie nicht in Frage zu stellen sei. Er vermittelte mir das auf eine sehr freundliche Art, er wollte mir bloß helfen, es sei nur zu meinem Besten und so weiter. Und eigentlich redete er weniger von der Autorität als der Idee, die in Paris so ziemlich alles zusammenhielt, sondern er redete von einer sublimen, einer vorauseilenden Form. Er holte etwas aus, sprach über seine Arbeit, über die Leute, für die er arbeitete, oder die Leute, die für ihn arbeiteten, und feierte diese so sublime und vorauseilende Form als etwas, das er selbst erst hatte verstehen müssen. Wovon er sprach, das benannte er dann mit ausgebreiteten Armen und großer Hingabe als Loyalität. Loyalität, das war es, was er mir vermitteln wollte, und Loyalität sei etwas, was man zu leisten hatte.
„Kannst du kurz dableiben?“, sagte die Kunstlehrerin zu mir, als alle anderen den Klassenraum Richtung Pausenhof verließen.
Ich meinte, sehr genau zu wissen, was kommen würde.
„Ich möchte dich um einen Gefallen bitten“, sagte sie. „Ich möchte, dass du mir das Meer erklärst.“
Das überraschte mich ein wenig. „Wie soll ich das denn machen?“
„Vielleicht beschreibst du mir, wie du mit dem Meer aufgewachsen bist. Vielleicht schreibst du es auf.“
„Eine Strafarbeit also?“
Die Kunstlehrerin lachte. „Nein, es ist keine Strafarbeit.“
„Was ist es dann?“
„Es ist Neugier.“
„Neugier?“
„Ich möchte wissen, was genau du verloren hast.“
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