Название | Dien Bien Phu |
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Автор произведения | Harry Thürk |
Жанр | Историческая литература |
Серия | |
Издательство | Историческая литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954628490 |
1942 begann er mit der Formierung der ersten bewaffneten Widerstandsgruppen, die sich feindfreie Räume erkämpften, in denen sie militärische Basen aufbauten. Im Winter 1944 existierte bereits die erste Einheit einer vietnamesischen Volksarmee, ein ernst zu nehmender Gegner für die japanischen Okkupanten.
Diese versuchten die Vietminh auszuschalten, indem sie Bao Dai, den letzten Sprößling der ehemaligen Kaiserdynastie, ausgruben und als Staatsoberhaupt eines Gebildes einsetzten, das sie »Unabhängiges Vietnam« nannten. Die Farce verfehlte ihre Wirkung: Der bewaffnete Widerstand nahm zu.
Der 16. August des Jahres 1945 markierte eine geschichtliche Wende – es war eine Provisorische Regierung der Republik Vietnam gegründet worden, ihr Präsident Ho Chi Minh rief das Volk zum allumfassenden Kampf für die Unabhängigkeit auf und verlangte von den japanischen Okkupanten die Kapitulation. Drei Tage später wurde Hanoi befreit. Bao Dai unterstellte sich erschrocken der Provisorischen Volksregierung. Eine Woche danach wehte auch über Huê und Saigon die Vietminh-Flagge: rotes Tuch mit gelbem Stern.
»Vietnam hat das Recht, frei und unabhängig zu sein und ist tatsächlich frei und unabhängig geworden!« Diesen Satz aus der Rede Ho Chi Minhs in Hanoi hatte sich Anh Chu in seinem Büchlein nachträglich notiert, obwohl er ihn ohnehin nie vergessen würde, ebenso wie alles, was die neue Republik im Leben der Leute schon in ihren Anfängen veränderte: das System der feudalen Mandarine wurde abgeschafft; es gab keine willkürlich auferlegten Steuern mehr; jeder erhielt das Recht auf Arbeit, durfte Bildung erwerben und sich an der Lösung öffentlicher Fragen beteiligen.
Wiedergekehrt waren die Franzosen im September 1945, nachdem in Paris ein neuer »Hochkommissar« ernannt worden war, für eine Kolonie, die es juristisch gar nicht mehr gab. Frankreich verfolgte die inzwischen gebräuchlich gewordene Politik der Nichtanerkennung. Truppentransporter spuckten von nun an zehntausende Soldaten an den Küsten Vietnams aus.
Die Republik war gezwungen, die Befreiung zu wiederholen. Ho Chi Minh selbst rief dazu auf, der schmächtige Mann, dem die Entbehrungen des langen illegalen Kampfes noch zu schaffen machten, gab der Nation ein Beispiel, indem er sich selbst keine Schonung gönnte.
»Erhebt euch zum Kampf!«, forderte er seine Landsleute auf. »Jeder Bürger Vietnams, ob Mann oder Frau, alt oder jung, muß sich ungeachtet seiner religiösen, parteipolitischen und nationalen Zugehörigkeit um der Rettung der Heimat willen zum Kampf gegen die französischen Kolonialisten erheben. Wer ein Gewehr hat, bewaffne sich mit diesem Gewehr. Wer ein Schwert hat, bewaffne sich mit dem Schwert. Wenn ihr auch keine Schwerter habt, bewaffnet euch mit Spaten, Hacken und Stöcken …«
Bald erwies sich der Norden Vietnams, vor allem seine Gebirgsregionen, als das Herzland des Widerstandes. Aber auch in Zentral- und Südvietnam gab es befreite Zonen. Die Kampftaktik der Volksarmee bestand darin, daß kleine, nach Partisanenart operierende Einheiten den Gegner überall dort verunsicherten, wo Erfolg möglich war. Die regulären, oft noch in der Ausbildung begriffenen Einheiten der Volksarmee hingegen wichen den Vorstößen des Gegners aus und schlugen ihrerseits dort zu, wo französische Truppen die Verbindung verloren oder sich in ungünstigen Stellungen befanden.
Das änderte sich auch nicht, als die Franzosen zu einer neuen taktischen Variante griffen: Wo sie nur konnten, errichteten sie Bunker und befestigte Punkte, die wie ein Netz über dem Land wirken sollten. Man versprach sich davon die Paralysierung des Widerstandes. Das Gegenteil trat ein, weil sich die Vietminh unter der flexiblen Führung von Ho Chi Minh, Truong Chinh, Pham Van Dong und Vo Nguyen Giap schnell auf mobile Taktik verlegten und ihrerseits nun die befestigten Punkte isolierten, sie zu unsicheren Inseln für den Gegner machten.
1951/52, als die Vietminh bereits über straff organisierte Divisionen verfügten, die von gesicherten Stützpunkten im Norden aus größere Operationen führen konnten, kam es zum Kampf um die Stadt Hoa Binh am Schwarzen Fluß. (Dort kreuzte sich die Straße von Hanoi westwärts in Richtung Laos mit der wichtigen Verkehrsader, die südwärts führte.) Die Serie von Gefechten, bei denen die Franzosen schwere Artillerie, Panzer und Fluzgzeuge einsetzten, endete mit einer peinlichen Niederlage des Kolonialheeres. Fortan hieß Hoa Binh bei den französischen Soldaten der »Fleischwolf«.
Nun verfügte Frankreich im gesamten Norden nur noch über ein so gut wie eingeschlossenes Stützpunktsystem in Nordlaos sowie über das Delta des Roten Flusses, mit Hanoi und Haiphong. Außerdem gab es im Nordwesten den Dschungelstützpunkt Lai Chau, und an der Grenze zur laotischen Provinz Sam Neua lag ein ebensolches Urwaldfort, Na San. Erst in der zentralvietnamesischen Küstenregion gab es wieder fest in französischer Hand befindliche Gebiete. Zwischen diesen befestigten Punkten, auf die sich Frankreichs Kriegsführung stützte, lagen Hunderte von Kilometern unsicherer Straßen und befreiten, von der Volksarmee beherrschten Territoriums.
Die Bedingungen, unter denen die Armee des vietnamesischen Staates kämpfte, hatten sich entscheidend verändert: Die offensive Verteidigung war möglich geworden, und die Voraussetzungen für einen umfassenden Gegenangriff begannen sich abzuzeichnen.
Einen Tag nachdem der Kurier aus Hanoi im Hauptquartier angekommen war, versammelten sich die Stabsoffiziere sowie eine Anzahl Truppenkommandeure an dem langen Holztisch in der Felsgrotte. An den rissigen Wänden waren Karten befestigt. General Giap begrüßte alte Kampfgefährten, die über weite Entfernungen angereist waren. Es war eine lockere, beinahe heitere Atmosphäre, die noch zusätzlichen Schwung erhielt, als Ho Chi Minh und Truong Chinh eintrafen. Bei einer Hochzeit könnte es lärmender zugehen, fand Anh Chu, der einen Blick in die Grotte warf, als er die Posten kontrollierte. Doch dann wurde es plötzlich still. Truong Chinh eröffnete die Besprechung: »Genossen, wir sind zusammengekommen, um über die Weiterführung des Kampfes im Herbst/Winter 1953/54 zu beraten …«
Er informierte die Anwesenden über Veränderungen in der weltpolitischen Lage, hauptsächlich darüber, daß es der sowjetischen Diplomatie gelungen war, die westlichen Mächte endlich zu einer Konferenz zu bewegen, auf der nicht nur über Korea, sondern vor allem über die Beendigung des Indochina-Krieges Beschlüsse gefaßt werden sollten. Truong Chinh faßte sich kurz. Er sagte: »Trotzdem liegen Monate des Kampfes vor uns. Der Gegner will bis zu dieser Konferenz eine Entscheidung, er will uns auf den Knien sehen, wenn die Konferenz beginnt. Diesen Plan haben wir zu durchkreuzen. Genosse General Giap wird seine Vorschläge zur Strategie und Taktik in der nächsten Etappe unterbreiten …«
Giap war sofort auf den Füßen. Er machte ein paar Schritte, als wolle er seinem Körper endlich Bewegung verschaffen, dann überflog sein Blick die Anwesenden, und er begann, in nüchterne Zahlen gekleidet, die gegenwärtigen Kräfteverhältnisse auf dem Kriegsschauplatz darzustellen. Er versprühte förmlich Energie. Was er vortrug war wohlgeordnet, und er wirkte dabei bedächtig, als überlege er immer noch. Vo Nguyen Giap war ein Mann, der durch seine Haltung andere zum Nachdenken anregte.
Er begann mit dem Delta des Roten Flusses. »Genossen, wir dürfen den Gegner in diesem Raum nicht zur Ruhe kommen lassen. Ich schlage vor, die Tätigkeit beweglicher Kräfte zu verstärken, so daß er es nicht wagen kann, von dort nennenswerte Truppen in andere Gebiete abzuziehen …«
Nachdem sich einige Kommandeure über Möglichkeiten geäußert hatten, den Partisanenkrieg im Delta zu intensivieren, fuhr Giap fort: »Sehen wir uns die Karten an. Wenn wir es schaffen, trotz der verstärkten Kämpfe im Delta von dort eigene reguläre Truppen abzuziehen, auch aus anderen Gebieten, können wir sie auf Lai Chau ansetzen, die letzte Bastion des Gegners im Nordwesten, im Fleisch unseres befreiten Nordens sozusagen …«
Raunen ging durch die Versammelten. Ein Ziel war genannt worden! Der Vorschlag war kühn. Aber Giap sprach schon weiter: »Greifen wir diesen isolierten Stützpunkt an, schaffen wir es, ihn zu nehmen, dann können wir unseren laotischen Kampfgefährten, die dann die Flanke frei haben, vorschlagen, gemeinsam mit vietnamesischen Freiwilligen aus ihren Basen südwärts vorzustoßen, Richtung Zentrallaos. Damit würde sich das Gesamtgewicht des befreiten nördlichen Indochinas enorm erhöhen …«
Er ging zu einer der Landkarten an der Felswand und bezeichnete die Richtung möglicher Vorstöße. Dann drehte er sich um. Seine Augen blitzten,