Deutsche Geschichten. Группа авторов

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Жанр Историческая литература
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Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783954623525



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nun dem Franzosen und Engländer zuhören konnten, wie sie in voller Uebereinstimmung und mit den kräftigsten Argumenten für jene Sache eintraten. Dabei waren es ja keine »obskuren Schwärmer«, sondern einer der höchsten Würdenträger des Britischen Reiches und einer der berühmtesten Gelehrten an der Pariser Universität.

      Nachmittags, beim Empfang der russischen Gesandtschaft, treffen wir Sir Julian Pauncefote. Aeußere Erscheinung: einundsiebzig Jahre, aber von strammer Haltung; das Haupthaar schon weiß, ebenso der Bart; dieser, nach österreichischer Art, mit ausrasiertem Kinn. Gestalt groß und schlank. Gesichtsausdruck freundlich und edel. So wie geleistete Kriegsdienste zur Verleihung eines Oberkommandos im Feldzug berechtigen, so sind hervorragende Friedenstaten die richtigen Titel zur Delegation an die hiesige Konferenz. Sir Julian hat in seiner diplomatischen Laufbahn zwei Friedenssiege zu verzeichnen:

      Als Clevelands Botschaft über die Venezuelafrage die Welt erschütterte und überall verkündet wurde, der Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und England sei unvermeidlich, damals war er Botschafter in Washington. Wäre statt seiner ein Chamberlain auf diesem Posten gewesen, so wäre es vielleicht zum Losschlagen gekommen. Sir Julian wußte die Angelegenheit mit solcher Ruhe und Versöhnlichkeit zu leiten, daß sie mit dem Schiedsgericht geendet hat, das heute – unter dem Vorsitz des Professors von Martens – in Paris die Sache verhandelt. Zweitens ist Sir Julian derjenige, der den bekannten Schiedsgerichtsvertrag zwischen Amerika und Großbritannien (der erste solche Vertrag, der jemals aufgesetzt wurde) am 11. Januar 1899 mit dem amerikanischen Staatssekretär Olney unterzeichnet hat. Daß die Ratifikation des Vertrags nachher an der fehlenden (durch drei Stimmen fehlenden) Zweidrittelmehrheit scheiterte, dafür ist er nicht verantwortlich.

      Wie neulich Mr. White, so teilt uns diesmal Sir Julian mit, daß seine Delegation mit einem bestimmten Vorschlag in der dritten (der Schiedsgerichts-) Kommission hervortreten würde. Er hegt die besten Hoffnungen auf ein positives Ergebnis. Ich bringe das Gespräch auf den englisch-amerikanischen, wirkungslos gebliebenen Vertrag. Er antwortet, daß man die Sache jedenfalls wieder aufnehmen werde:

      »Was auf den ersten Wurf nicht gelingt, my dear Baroness, gelingt auf den zweiten oder dritten.«

      Abends Rout bei der Obersthofmeisterin der Königin. Werde wieder mit vielen, darunter auch exotischen Größen bekannt gemacht. Nur von der deutschen Delegation erweist mir niemand die Ehre, sich zu nähern. Graf Münster behandelt mich als Luft. Als Professor Stengel in seiner Broschüre von den »komischen Personen« der Friedensbewegung sprach, vor deren groteskem Benehmen und Ideen er nicht genug warnen konnte, hat er offenbar auch mich daruntergezählt.

      26. Mai. Bloch faßt den Entschluß, vor geladenem Publikum eine Reihe von Vorträgen zu halten. Kein anderer Ort und keine andere Gelegenheit eignet sich so gut zur Darstellung der Utopie des Krieges. Besonders für militärische Delegierte müßten die dokumentierten und ziffernbelegten Tatsachen und Schlüsse von Interesse sein, die diese Vorträge enthalten werden. Der Meine und ich sind behilflich in den Vorbereitungen, fahren mit ihm Säle besichtigen, Bestellungen machen u. s. w.

      Besuch des Korrespondenten der »Frankfurter Zeitung«. Kommt eben von Herrn von Stengel. Dieser hat den Interviewer versichert, daß er nur gegen die Auswüchse der Friedensbewegung (nun ja, die komischen Personen) protestiert hat, daß er jedoch als Delegierter sein möglichstes tun werde, die Sache zu fördern. Desto besser!

      Die Korrespondenten des »Figaro« und »Echo de Paris« interviewen mich; Mr. Leveson Gower, Sekretär der britischen Botschaft, verlangt im Auftrag der »North American Review« einen Artikel über die Bewegung für das Juliheft.

      Um drei Uhr im Hotel Vieux Doelen zu tun. Treffe da Stead. »Endlich sehe ich Sie, « rief ich, »gerade von Ihnen, der Sie mit den Delegierten auf so gutem Fuße sind, erwarte ich immer Nachricht und –«

      »Und die sollen Sie auch haben. Heute wichtiger und glücklicher, als Sie hoffen konnten. Hier ist eine Kopie des Berichtes, den ich eben an die englischen Blätter gesandt – lesen Sie und freuen Sie sich mit mir. Die Konferenz hat ein wunderschönes Stück Arbeit gemacht.«

      Hier ein Auszug des Berichtes:

      Plenarversammlung vom 25. Mai.

      Auf der Tagesordnung der Gegenstand der dritten Kommission, nämlich: »Friedliche Schlichtung internationaler Konflikte.«

      Als Grundlage zu den Verhandlungen legt Herr von Staal die russischen Vorschläge auf den Tisch. Es ist ein aus 18 Artikeln bestehendes Dokument, das den Titel führt: »Elemente zur Ausarbeitung einer zwischen den an der Konferenz teilnehmenden Mächten abzuschließenden Konvention.« Diese Elemente sind:

      1. Gute Dienste und Vermittlung.

      2. Internationales Schiedsgericht.

      3. Internationale Untersuchungskommission.

      Ehe die Diskussion über die Artikel beginnt, erhebt sich Sir Julian Pauncefote im Namen seiner Regierung und beantragt, daß dem russischen Plane noch ein Zusatzartikel beigefügt werde, nämlich: Die Errichtung eines ständigen Schiedsgerichtstribunals.

      Mit kurzer, aber sehr eindrucksvoller Rede begründet der englische Delegierte diesen Antrag. Er verweist auf die Argumente, die in der »Adresse an die Regierungen« seines Kollegen Descamps enthalten sind.2

      Die Worte und die positive Tat des Chefs der englischen Delegierten bringen sichtlich tiefen Eindruck hervor. Als er geendet, herrscht feierliche Stille. Viele der Mitglieder schauen einander mit hellem Staunen an – manche unter ihnen mögen da zum erstenmal empfinden, daß es sich um ernste Dinge handle, vorgebracht von praktischen Staatsmännern, die es redlich meinen.

      Noch größer ist die Ueberraschung, als nun Herr von Staal erklärt, daß auch die russische Regierung einen Plan – in 26 Artikeln – für die Errichtung eines permanenten Schiedsgerichtshofes in Bereitschaft habe.

      Nun rückt Mr. A. White mit dem amerikanischen Antrag hervor. In dessen Einleitung heißt es:

      »Der Antrag zeigt den ernsten Wunsch des Präsidenten der Vereinigten Staaten, daß ein ständiges internationales Tribunal zur schiedsrichterlichen Schlichtung der Streitigkeiten zwischen den Völkern errichtet werde, und zeigt die Bereitwilligkeit des Präsidenten, bei dieser Einsetzung behilflich zu sein.«

      Wie radikal dieser Vorschlag gemeint war, erhellt aus den Artikeln III und IV:

      Art. III. Das Tribunal hat in Permanenz zu bestehen, stets bereit, alle sich bietenden Fälle zu übernehmen.

      Art. IV. Alle Streitfragen jeglicher Art3 sollen bei gegenseitigem Uebereinkommen zur Entscheidung unterbreitet werden, und jede solche Unterbreitung muß von der Verpflichtung begleitet sein, daß man sich dem Schiedsgerichte fügen werde.

      Ein schönes Stück Arbeit in der Tat. Hier sind also gleich zu Anfang positive, konkrete Pläne, im Namen von vier Regierungen, zur Behandlung und zur Beschlußfassung vorgelegt.

      Wie schade, daß nicht auch aus Oesterreich, Deutschland und Frankreich solche Initiativen gekommen!

      Schade auch, daß die Berichte über diese Sitzung samt den genauen Texten der Anträge nicht sofort in alle Weltgegenden hinaustelegraphiert und von sämtlichen Blättern gebracht und kommentiert werden, damit der Welt das Verständnis der großen Interessen aufdämmere, die hier auf dem Spiele stehen, und sie Zeugin und Richterin sein könne über die Art und Weise, wie – und von wem diese Interessen hier vertreten werden.

      QUELLE: Bertha von Suttner: Memoiren, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart/​Leipzig 1909, S. 440 – 455.

       DAS ZARENMANIFEST VON 1899

       Das am 28. 8. 1899 vom russischen Außenminister Murawjew überreichte sogenannte »Zarenmanifest« hatte folgenden Wortlaut:

      »Die Aufrechterhaltung des allgemeinen Friedens und eine mögliche Herabsetzung der übermäßigen