Die zwei Formen von Management, Funktion und Institution, sind aufeinander bezogen. In einer Bildungsorganisation treten immer beide Erscheinungsformen eines Bildungsmanagements auf. Deutlich wird an dieser Funktionsbeschreibung allerdings auch, dass das Bildungsmanagement keine Wunder vollbringen kann und die o.g. Scherenbewegung nicht aufzulösen vermag.
1.2 Bandbreiten-Genauigkeits-Dilemma
Zwei Zugänge können unterschieden werden: (1) Bildungsmanagement mit vielfältigen Sektorenbezügen (Seufert 2013; Griese und Marburger 2011) und (2) Bildungsmanagement mit spezifischem Sektorenbezug. Spezifische Ansätze sind beispielsweise das kommunale Bildungsmanagement (Euler et al. 2016; Döbert und Weishaupt 2015), das betriebliche Bildungsmanagement (Miroschnik 2010; Diesner 2009; Falk 2000), das schulische Bildungsmanagement (Röbken 2008; Eichelberger 2005; Bader und Sloane 2002), das Bildungsmanagement in Hochschulen (Iberer 2010; Hanft 2008), das Sozialund Bildungsmanagement (Böttcher und Merchel 2010; Schuster et al. 2006) und das Bildungsmanagement in der Erwachsenen- und Weiterbildung (Zech 2010; Gieseke 2000).
Diese zwei Zugänge, allgemein und anwendungsbezogen, erinnern an das „Bandbreiten-Genauigkeits-Dilemma“: Die Verwendbarkeit und Nützlichkeit des Domänenwissens steigen einerseits mit dem Allgemeinheitsgrad, da es vielfältig zur Bearbeitung von Fragen, Aufgaben und Problemen in unterschiedlichen Situationen verwendbar ist (Bandbreite). Andererseits wird dieser Zugewinn „erkauft“ mit einer geringeren Passgenauigkeit des Wissens, da es auf spezifische Situationen wenig abgestimmt ist, womit die Anwendbarkeit und Nützlichkeit für konkrete Situationen sinken (Friedrich und Mandl 1992). Anders formuliert: Je allgemeiner bzw. abstrahierter Domänenwissen ist, desto vielfältiger verwendbar und desto schwerer anwendbar ist es. Das Dilemma wirkt auch im umgekehrten Fall: Je spezifischer und situierter Domänenwissen ist, desto leichter anwendbar und desto schwieriger ist es in unterschiedlichen Bereichen verwendbar.
Die Wahl der Bandbreite bildet im Hinblick auf ein Managementthema eine zentrale Frage, da notwendigerweise Produkte, Personen, Organisationen und Kontextbedingungen gleichzeitig zu betrachten sind, woraus automatisch eine gewisse Bandbreite resultiert. Um die Bandbreite zu gewährleisten, basiert die nachfolgende Betrachtung der Domäne Bildungsmanagement auf einem generischen Strukturmodell, das sich an grundsätzlichen beruflichen Handlungsfeldern des Bildungsmanagements orientert. Um einen Anwendungsbezug zu ermöglichen, wurden die einzelnen Beiträge schwerpunktmäßig mit Blick auf den quartären Bildungssektor ausgearbeitet, gleichwohl die Bezüge in den einzelnen Beiträgen deutlich darüber hinausgehen.
2 Strukturmodell
Die Handlungsfelder wurden mittels eines Strukturmodells ausgewählt, das empirisch validiert wurde (Gessler 2009). In der vorliegenden zweiten Auflage wurde dieses Strukturmodell inhaltlich einerseits erweitert (neu aufgenommen wurde beispielsweise das Handlungsfelder „Strategisches Bildungsmanagement“). Andererseits konnten die formalen Prinzipien der Modellierung beibehalten werden. Das Modell basiert auf drei Prinzipien: (1) Objekte und Prozesse, (2) Schnittstellen und Übergänge sowie (3) Binnen- und Außenstruktur.
2.1 Objekte und Prozesse
Zur Identifikation der Handlungsfelder werden zwei Perspektiven, Objekte und Prozesse, unterschieden und sodann miteinander verschränkt. (1) Objekte: Auf welche „Gegenstände“ ist das Bildungsmanagement ausgerichtet? (2) Prozesse: Welcher Verfahren (und Mittel) bedient sich das Bildungsmanagement?
2.1.1 Objekte
Die Objekte werden als Objektkategorien bezeichnet, da sie Elementklassen bilden. Objektkategorien sind (1) Bildungsprodukt, (2) Bildungspersonal und (3) Bildungsorganisation.
Die Objektkategorie „Bildungsprodukt“ umfasst das Leistungsspektrum einer Bildungsorganisation mit Blick auf die Teilnehmer/innen. Hierzu zählen u.a. Konzeptentwicklung, Training, Coaching, Beratung, Evaluation und Zertifizierung. Die Wahl des Begriffs „Bildungsprodukt“ erscheint ungewöhnlich, da mit einem Produkt Bedeutungen, wie Material und Ergebnis (Endprodukt), assoziierbar sind. Bildungsprodukte können materiell und immateriell, prozess- und ergebnisbezogen sein (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1: Vier-Felder-Matrix der Bildungsprodukte
Quelle: Eigene Darstellung
• Bildungsprodukte können unterschiedliche Schwerpunktsetzungen und unterschiedliche Bezüge zwischen Feldern aufweisen. Besonderheiten von Bildungsprodukten sind insbesondere, dass (1) das „Objekt“ der Bildung, die Person, expansiv, affirmativ oder widerständig (vgl. Faulstich und Ludwig 2004) selbst „produziert“ bzw. nicht „produziert“, im Prozess der Bildung (2) diskursiv Bedeutungen erst ausgehandelt werden, weshalb „Produktion und Konsumption weitgehend zusammenfallen“ (Schiersmann 2002, 26) und (3) dieser Prozess linear nicht steuerbar ist. Zudem ist (4) das Ergebnis, der Output und Outcome schwer bis nicht messbar und (5) Wirkungen können zeitverzögert sowie in anderen als den beabsichtigten Lebensbereichen auftreten.
• Bildungspersonal: Die Objektkategorie „Bildungspersonal“ umfasst die Leistungsträger einer Bildungsorganisation und ist umfassend zu verstehen. Hierzu zählen sowohl die fest angestellten Mitarbeiter als auch die freien Mitarbeiter. Gemeint sind u.a. Dozenten, Kursleiter, Projektleiter, Trainer, Ausbilder, Berater, Coaches und Verwaltungskräfte als Organmitglieder, Arbeitnehmer, Selbstständige, arbeitnehmerähnliche Beschäftigte, Heimarbeiter und Leiharbeitnehmer.
• Bildungsorganisation: Die Objektkategorie „Bildungsorganisation“ umfasst schließlich die Leistungsbedingungen einer Bildungsorganisation. Hiermit sind sowohl die Aufbau- und Ablauforganisation innerhalb der Bildungsorganisation gemeint als auch ihre Abgrenzung und Anbindung an die Umwelt, die Einbindung in das Umfeld sowie die Konstitution der Grenze zwischen Bildungsorganisation und Umfeld. Themen der Objektkategorie „Bildungsorganisation“ sind die interne Integration, die externe Integration sowie die Abstimmung von interner und externer Integration. Der Begriff Bildungsorganisation wurde gewählt, da er eine Abteilung, z.B. innerhalb einer Unternehmung, eine Einrichtung, Institution bzw. Unternehmung und auch organisations- bzw. unternehmensübergreifende Kooperationen bezeichnet.
Gleichwohl die Objektkategorien analytisch unterscheidbar sind, bestehen vielfältige und nicht trennbare Wechselwirkungen.
2.1.2 Prozesse
Ein Prozessschritt besteht aus der Definition der Voraussetzungen (Input), der Definition des Verfahrens (Aktivität) sowie der Definition der Ergebnisse (Output). Die Verknüpfung verschiedener Prozessschritte bildet sodann einen Prozess, wobei jeweils der Output des Vorgängerprozessschritts die Voraussetzung für den Nachfolgerprozessschritt bildet. Die Prozesse des Bildungsmanagements können in vier Prozesskategorien untergliedert werden. Diese sind (1) Lernen & Entwicklung, (2) Steuerung und Regulierung, (3) Innovation und Veränderung sowie (4) Leitung und Orientierung. Zweck und Erfolg eines Prozesses ist dessen Wirkung (Outcome).
Die Prozesskategorie „Lernen und Entwicklung“ umfasst alle auf Dauer angelegten grundlegenden Verfahren einer Bildungseinrichtung. Prozesse der Kategorie „Lernen und Entwicklung“ realisieren regelbasiert sowie werteorientiert Anfragen und Erwartungen von Kunden.