Der Kaiser. Geoffrey Parker

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Название Der Kaiser
Автор произведения Geoffrey Parker
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783806240108



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im römisch-deutschen Reich hatte einen englischen Diplomaten schon 1518 prophezeien lassen: »Zwischen diesen beiden kann es keinen Frieden geben.« Ein venezianischer Kollege stimmte zu: Die beiden Monarchen könnten sich vielleicht »an die Gegebenheiten anpassen, aber in Wahrheit hegt doch jeder einen abgrundtiefen Hass auf den anderen«. Ein französischer Geistlicher wiederum hatte »keinen Zweifel daran, dass der Hauptgrund« für den Krieg der Jahre 1521–1529 »in Karls Wahl zum Kaiser lag«, weil Franz fürchtete, dass diese den sofortigen Verlust seiner beiden neuesten Eroberungen, Mailand und Genua, bedeuten werde, die beide kaiserliche Lehen waren.1

      Aber nicht alle Zeitgenossen hielten einen Krieg für unvermeidlich. In der Rückschau aus den 1530er-Jahren sah der italienische Diplomat und Historiker Francesco Guicciardini vier Hauptgründe für den Ausbruch des Krieges: Karl wollte Burgund zurückgewinnen, das sein Urgroßvater Karl der Kühne verloren hatte, und war verärgert darüber, dass der französische König Mailand und Genua unter seine Herrschaft gebracht hatte; Franz wiederum wollte Navarra zurückgewinnen, das Karls Großvater Ferdinand von Aragón dem dortigen Königshaus entrissen hatte, und nahm die spanische Kontrolle über Neapel übel. Allerdings, fuhr Guicciardini fort: »Da sie beide derart mächtig waren, ließ das große Risiko eines Angriffs sie noch zögern, in die Offensive zu gehen.« Als Beispiel für diese abwartende Haltung zitierte er Franz’ launige Antwort an die Adresse einer spanischen Delegation, die ihm Karls Ambitionen auf die Kaiserkrone übermitteln sollte: »So müssen wir eben jenem Beispiel folgen, das man manchmal sieht, wo zwei Männer in dieselbe Frau verliebt sind: Jeder gibt sein Bestes, um die Schöne für sich zu gewinnen, doch geraten die beiden darüber nicht gleich in Streit.«2

      Anfangs schien Franz die Wahl seines Rivalen mit Fassung zu tragen. Ein Gesandter am spanischen Hof berichtete im Juni 1519, der französische König habe »Seiner Majestät dem Kaiser unlängst geschrieben, um ihm seine überschwänglichen Glückwünsche mitzuteilen; und er sagte ihm auch, es gebe – von ihm selbst einmal abgesehen – keinen anderen auf der Welt, den er auf diesem Posten befürwortet hätte, als allein Seine Majestät«. Am französischen Hof hieß es zuweilen sogar, es sei »ein großer Glücksfall für den hiesigen König gewesen und überaus günstig für sein ganzes Reich, dass nicht er zum Kaiser gemacht wurde; denn man sagt, wenn er es geworden wäre, hätte er sich damit unendliche Mühen aufgeladen, und seine Untertanen wären ausgepresst, ja ganz und gar ruiniert worden«.3 Noch im Januar 1521 ließ sich Franz von Papst Leo X. nicht dazu drängen, Karl in die Schranken zu fordern. Der französische König gab zwar zu, dass »es nun, da sich das Reich, das Königreich Neapel und auch Spanien alle in derselben Hand befinden, viel besser wäre, zukünftige Schwierigkeiten gleich vorbeugend anzugehen, anstatt erst hinterher nach Heilmitteln zu suchen«; auch habe der Papst bestimmt nicht unrecht mit seiner Ansicht, »dass ich zur Stunde einen größeren Vorteil gegenüber dem Katholischen König habe, als ich nach seinem Machtantritt im Reich haben werde«. Andererseits schien es Franz wahrscheinlich, dass auch Karl »dann nicht weniger Probleme haben wird als jetzt, ja es ist gut möglich, dass er mehr haben wird«. Ferner gab er zu bedenken:

      »Da seine Herrschaftsgebiete an verschiedenen Orten weit verstreut liegen und zudem so ungehorsam und eigenwillig sind, wie wir es alle gesehen haben, wird [Karl] gezwungen sein, zuerst diese zu sichern und zu behaupten, ohne zugleich irgendwelche neuen Eroberungen zu unternehmen. Und weil er schon so viel besitzt, sollte er sich viel eher um Frieden bemühen, was immer ihn das kosten möge, als die großen und untragbaren Kosten auf sich zu nehmen, die ein Krieg ihm aufzwingen würde.«4

      Wie eine Urkunde Franz’ vom 14. Februar 1521 erkennen ließ, hatte er seine Meinung bis zu jenem Zeitpunkt geändert. Darin wurde Robert de La Marck, Seigneur de Sedan, ermächtigt, »mit seiner Person und seinem Besitz gegen ausnahmslos jeden Waffendienst zu tun, und wenn es der Kaiser selbst ist«; im Gegenzug erhielten La Marck und drei seiner Söhne von Franz beträchtliche Geldsummen, die sie umgehend dazu einsetzten, ein Heer aufzustellen und Städte in den habsburgischen Niederlanden anzugreifen. Dies stellte, wie ein französischer Minister meinte, »den ersten Schlag dar, den Ursprung und Beweggrund des Krieges zwischen dem König [von Frankreich] und dem erwählten Kaiser, der später einen so heftigen und blutigen Verlauf nehmen sollte«, und er sah es mit Staunen, dass »dieser kleine Funke ein solch tobendes Feuer entfacht hat«. Tatsächlich war der Überfall derer von La Marck nur einer von mehreren »Funken«: Franz hatte heimlich zugesagt, den König von Navarra bei der Rückeroberung seines Königreiches zu unterstützen; er hatte den Herzog von Geldern dazu angestiftet, in Friesland und Overijssel einzufallen; und er hatte einen Geheimvertrag mit Leo X. geschlossen. Darin versprach der Papst, dass er Karl das Königreich Neapel wegnehmen und sich überdies weigern werde, den »erwählten römischen König« zum Kaiser zu krönen. Außerdem ließ Franz verlauten, dass jeder deutsche Landsknecht, der sich in seinen Dienst begebe, mit »einem auskömmlichen Unterhalt« rechnen dürfe – ein klares Zeichen dafür, dass er gewillt war, zu kämpfen wenn nötig. In den Worten Karl Brandis war nun der Zeitpunkt gekommen, dass »nun wirklich diese beiden Valois, der König von Frankreich und der Herzog von Burgund, ihren Lebenskampf antraten«.5

      Die Nachrichten von diesen Entwicklungen beunruhigten Karl, der sich noch immer in Worms aufhielt, um dort die Angelegenheiten des Reiches zu regeln. Einige Ratgeber »legten ihm nahe, dem französischen König zuvorzukommen, statt jenen Streich zu erdulden«; doch Karl »antwortete ihnen nach seinem eigenen Dafürhalten« – was offenbar noch immer als eine Besonderheit galt –, »dass er den französischen König als Ersten angreifen und in seine Territorien einfallen lassen werde, falls jener dies beabsichtigte, schwor aber zugleich, dass er selbst in einem solchen Fall alles aufs Spiel setzen wolle, was Gott ihm gegeben habe, auf dass er ihn [d. i. Franz] vernichte oder aber selbst vernichtet werde«.6 Aus gesundheitlichen Gründen konnte Karl diesen Vorsatz nicht sogleich in die Tat umsetzen, denn er »musste eine Nacht und einen ganzen Tag lang speien« und konnte für mehrere Tage »seine Kammer nicht verlassen, nahm seine Medizin ein und führte keinerlei Geschäfte«. Aber am 1. April 1521 teilte Karls persönlicher Gesandter Franz mit, dass »der Kaiser jene Handlungen als eine Kriegserklärung und einen Vertragsbruch aufgefasst hatte; und da er also angegriffen und provoziert wurde, so hat er beschlossen, sich zu verteidigen«. Unterdessen griff in Rom der Botschafter Juan Manuel »Seine Heiligkeit nahezu körperlich an«, indem er »aggressiv und mit überaus wütendem Gesicht« (so sein französischer Kollege) auf »einem klaren Ja oder Nein« bestand, das Papst Leo einem ihm vorgelegten Offensivbündnis gegen Frankreich erteilen sollte. Der Papst knickte schon bald ein, annullierte seinen Vertrag mit Franz und versprach, eine Armee aufzustellen, die Karl dabei helfen sollte, die Franzosen aus Italien zu vertreiben. Außerdem versprach er, Karl in Rom zum Kaiser zu krönen und den beiden dynastischen Verbindungen seinen Segen zu erteilen, die Maximilian zur Verteidigung Mitteleuropas gegen einen möglichen osmanischen Angriff arrangiert hatte – der Heirat von Karls Bruder Ferdinand mit Anna, der Schwester (und Erbin) König Ludwigs von Ungarn und Böhmen, sowie der Heirat Ludwigs selbst mit Karls Schwester Maria. Karl seinerseits gab das Versprechen, die Herzogtümer Parma und Piacenza (die Leo nach der Schlacht von Marignano an Frankreich abgetreten hatte) für den Kirchenstaat zurückzugewinnen und die Medici-Verwandtschaft des Papstes unter kaiserlichen Schutz zu stellen.7

      Inzwischen war Karl begierig auf eine militärische Auseinandersetzung. Als dem Kaiser zu Ohren kam, dass Franz ganz unverhohlen einige der in Deutschland angeworbenen Truppen La Marck zur Verfügung gestellt hatte,

      »erhob er seine Hände zum Himmel und sprach: ›Gelobt seist Du, Gott, dass durch Deine Gnade nicht ich es war, der diesen Krieg begonnen hat – und dafür, dass der König von Frankreich mich nun wohl mächtiger und größer machen wird, als ich es schon bin! Dir sei immer Dank, der mir die Mittel gegeben hat, mich zu verteidigen. Ich hoffe, dass ich nun bald ein verarmter Kaiser sein werde oder aber er ein verarmter König.«

      Als seine Tante Margarete ihn drängte, den Frieden zu halten, antwortete Karl: »Nein, Madame: Wenn ich nun mit ihm verhandelte und Frieden schlösse, würde er mir doch in zwei Monaten wieder Ärger bereiten.« Im Sommer 1521 schlugen kaiserliche Heere ihre Feinde in den Niederlanden, in Navarra und Italien zurück; und ein englischer Diplomat bemerkte, dass die Franzosen »das Ruder herumgeworfen haben: Gut ein halbes Jahr lang wollten sie nun, wenn