Leuchtfeuerherzen. Tanja Janz

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Название Leuchtfeuerherzen
Автор произведения Tanja Janz
Жанр Учебная литература
Серия
Издательство Учебная литература
Год выпуска 0
isbn 9783401808895



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Ich bin per Losverfahren nachgerückt.« Alicia drückte ihrer Mutter das Schreiben der Schutzstation in die Hand.

      Sie überflog den Brief. »Wie toll! Herzlichen Glückwunsch, mein Schatz. Du rufst am besten nachher sofort Tante Heide an, damit sie weiß, dass du doch kommst.«

      »Aber zuerst wird dein Praktikumsplatz gebührend gefeiert«, beschloss Alicias Vater.

      »Nachdem du mir geholfen hast, den Tisch zu decken, mein Lieber«, sagte Alicias Mutter und zog ihren Mann an der Krawatte ins Haus.

      Alicia und Clara lachten und ließen sich wieder in die Polster der Hollywoodschaukel sinken.

      »Du hast echt klasse Eltern«, meinte Clara.

      »Ich weiß. Manchmal sind sie zwar etwas albern, aber meistens vorzeigbar.«

      Clara legte den Kopf schief. »Und?«

      »Was und?«

      »Wie geht es dir jetzt? Und wie war das mit ›dich kann nichts begeistern‹?«

      Alicia lehnte den Kopf gegen die Rücklehne der Schaukel. »Ach, ich kann es einfach noch nicht fassen. Ich bin einfach unbeschreiblich glücklich, dass es doch noch klappt. Das ist eine riesige Chance für mich, meinen Traumjob kennenzulernen.«

      »Und Mister Blöd hast du glatt über der Nachricht vergessen«, stellte Clara zufrieden fest.

      »Du hast recht. Jetzt ist die Zeit für meinen großen Traum gekommen und den lasse ich mir nicht von Elias verderben.«

      Später als Clara weg und Alicia in ihrem Zimmer war, schrieb sie schnell eine E-Mail an die Schutzstation, um ihr Kommen zu bestätigen. Sie musste nicht lange auf eine Antwort warten. Lena, ein Mädchen vom Stationsteam, schrieb ihr gleich zurück und fragte sie, wann sie anreisen wolle. Alicia vereinbarte mit ihr, dass sie nächste Woche Samstag vor Ort sein könnte. Danach rief sie bei ihrer Tante Heide an, um ihr die guten Neuigkeiten zu erzählen.

      »Das ist ja wunderbar! Freut mich riesig zu hören, dass es doch geklappt hat.«

      »Und mich erst! Ich wusste ja, dass es nahezu unmöglich sein würde, einen Praktikumsplatz in der Schutzstation Westerhever zu ergattern, weil es nur vier Plätze gibt und die von Leuten im Freiwilligen Ökologischen Jahr oder Bundesfreiwilligendienst für ein Jahr besetzt sind«, plapperte Alicia aufgeregt. »Und dann kam auf einmal die Nachricht.«

      »Manchmal muss man eben ein bisschen Glück haben. Aber ich habe ja von Anfang an gesagt, dass es klappen wird«, sagte ihre Tante. »Und wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen. Das wird höchste Eisenbahn.«

      »Das stimmt. Kann ich nächsten Freitag vielleicht eine Nacht bei dir bleiben, bevor es losgeht?«, erkundigte Alicia sich. Immerhin war Hochsaison und sie wusste, dass ihre Tante keinen Mangel an Gästen haben würde.

      »I wo! Ganz und gar nicht. Das passt sogar gut, die nächsten Gäste reisen erst am Samstag an. Ich freu mich so, dass es doch noch klappt, dich in den Ferien zu sehen! Hoffentlich hast du überhaupt ein bisschen Zeit für mich.« Tante Heide lachte.

      »Na klar! Mehr als sechs Stunden täglich werde ich im Praktikum nicht arbeiten. Dann bleiben immerhin noch 18 Stunden übrig.«

      Nach dem Telefonat durchstöberte Alicia ihren Kleiderschrank. Für die Arbeit in der Schutzstation brauchte sie vor allem praktische und bequeme Sachen und nichts, womit sie eine Modenschau hätte veranstalten können. Als ihr ein Kleid in die Hände fiel, dachte sie trotzdem darüber nach, es einzupacken. Sie würde immerhin nicht den ganzen Tag arbeiten und hoffentlich einige Leute kennenlernen, mit denen sie ihre freie Zeit verbringen konnte.

      Kurzerhand warf sie das Kleid auf ihr Bett und kramte noch einige Jeans, mehrere T-Shirts, eine Fleecejacke und einen Strickpullover hervor. Sie wusste von ihren Urlauben bei ihrer Tante, dass es auch im Sommer ziemlich frisch an der Küste werden konnte. Nach kurzer Zeit bedeckte der komplette Inhalt des Kleiderschranks den Boden ihres Zimmers. Mäxchen hatte es sich auf einem Stapel T-Shirts bequem gemacht. Die Sachen, die sie mitnehmen wollte, hatte sie zu dem Kleid auf ihr Bett gelegt.

      »Na, bist du schon im Reisefieber?« Ihre Mutter lehnte im Türrahmen und begutachtete lächelnd das Chaos, das sich ihr bot.

      »Ja. Ich dachte, ich packe schnell, bevor die von der Schutzstation es sich anders überlegen«, erwiderte Alicia grinsend. »Was ich nicht hoffe. Du weißt ja, wie lange ich von diesem Praktikum geträumt habe.«

      Ihre Mutter nickte. »Und jetzt wird dein Traum wahr. Es hat die Richtige getroffen. Einen größeren Tier- und Naturfan als dich kenne ich nicht.«

      »Und dann auch noch in Westerhever! Wusstest du, dass es die einzige Schutzstation ist, die direkt in einem Nationalpark liegt?«, fragte Alicia aufgekratzt.

      »Hört sich an wie für dich gemacht.« Ihre Mutter stieg über Alicias Kleidung und schaute auf die Sachen, die auf dem Bett lagen. »Sind das die Klamotten, die du mitnehmen willst?«

      Alicia nickte.

      »Falls du noch etwas brauchst, sag Bescheid. Bevor mein Mädchen nach St. Peter-Ording fährt und vielleicht erwachsen zurückkommt, könnten wir ruhig noch mal zusammen shoppen gehen. Wo wir dir schon keinen Sommerurlaub schenken konnten.«

      Alicia verdrehte gespielt die Augen. »Jetzt übertreibst du. Aber wir könnten wirklich einkaufen gehen, bevor ich nächsten Freitag zu Tante Heide fahre.«

      »Ah! Nächsten Freitag schon. Gut zu erfahren.« Ihre Mutter grinste. »Gibt es sonst noch etwas, was ich wissen sollte? Hast du mit deiner Tante Pläne geschmiedet, wie ihr die Welt revolutionieren wollt?«

      Alicia überlegte kurz. »Nö. Eigentlich nicht. Das machen wir dann, wenn ich da bin.«

      »Wieso macht mir diese Vorstellung nur solche Angst?« Ihre Mutter gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Gute Nacht und mach nicht mehr allzu lange. Komm, Mäxchen, du bekommst noch ein Betthupferl.« Sie nahm den Kater auf den Arm und ging mit ihm nach unten.

      Als Alicia wieder alleine in ihrem Zimmer war, räumte sie schnell die Kleidung zurück in den Schrank, die nicht die Reise mit ihr nach St. Peter-Ording antreten würden. Danach putzte sie sich rasch die Zähne, bevor sie in ihren Pyjama schlüpfte, das Licht ausknipste und sich in ihr Bett kuschelte. Obwohl sie müde war, war an Schlaf nicht zu denken. Die freudige Aufregung durchströmte sie immer noch und würde in den nächsten Tagen sicher nicht nachlassen.

      Instinktiv griff sie nach ihrem Handy und begann, eine Nachricht an Elias zu schreiben. Hey, tippte sie, ehe sie erstarrte. Für einen Moment hatte sie tatsächlich den großen Streit mit ihm und vermutlich auch das Ende ihrer Beziehung vergessen. Alles kam mit einem Schlag zurück, doch anstatt wie eine Flutwelle über sie hereinzubrechen und all ihre Freude unter sich zu begraben, versetzte der Schmerz ihr nur einen kleinen Dämpfer.

      Sie legte das Smartphone wieder zurück auf ihr Nachttischchen und dachte an Claras Worte, dass sie sich mehr wert sein sollte. Und wie recht sie damit hatte.

      Mit dem Thema Jungs war sie für die nächste Zeit durch, beschloss Alicia selbstbewusst. Mittlerweile war die Trauer der großen Vorfreude auf die bevorstehende Zeit gewichen. Anstatt in Selbstmitleid und Liebeskummer zu baden, würde sie ihre zukünftigen Pläne von einem Studium als Tierärztin oder Biologin verfolgen. Das Praktikum in der Schutzstation war die perfekte Möglichkeit, um erste Erfahrungen mit der Tierwelt an der Nordseeküste zu sammeln – zumal ihre Lieblingstiere, die Robben, in großer Anzahl im Wattenmeer zu finden waren.

      Apropos Wattenmeer, im Keller standen doch noch ihre gelben Gummistiefel. Die mussten auch unbedingt mit nach St. Peter-Ording, dachte sie, bevor sie einschlief und von niedlichen Heulern auf einer großen Sandbank träumte.

      4. KAPITEL

      Auf dem Bahnsteig war es zugig. Alicia zog den Reißverschluss ihres roséfarbenen Blousons hoch, den sie am Shoppingtag mit ihrer Mutter gekauft hatte. Ihre Hände vergrub sie in den Jackentaschen und stieß dabei an ihr Handy darin. Sie hatte es lautlos und auf Vibrationsalarm gestellt, sodass sie eingehende Nachrichten