5 harte Western 1/2020: Das unbarmherzige Gesetz des Revolvers: Sammelband mit 5 Wildwestromanen. Alfred Bekker

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Название 5 harte Western 1/2020: Das unbarmherzige Gesetz des Revolvers: Sammelband mit 5 Wildwestromanen
Автор произведения Alfred Bekker
Жанр Вестерны
Серия
Издательство Вестерны
Год выпуска 0
isbn 9783745211658



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habe es nicht getan!“, beteuerte Tom, während Cliff aufschloss. „Webster hat es getan, aber auch nicht mit Absicht. Er wollte mir das alte Gewehr aus den Händen reißen. Und keiner hat gewusst, dass es geladen gewesen war.“

      „Geladen? Das Ding? Das ist ein Vorderlader, Junge! Dann müsste das einer vor zehn Jahren geladen haben."

      „Es war verrostet. Ich wollte ...“

      „Junge, jetzt musst du hier heraus und weiter nichts. Du hast diese Nacht Zeit, so weit und so lange zu laufen, wie du kannst. Ein Pferd würde dich zwingen, im Tal zu bleiben. Zu Fuß kommst du über die Berge, wo sie dich nicht verfolgen. Deine Mutter hat dir Proviant mitgegeben. Los, Wolters in die Zelle, zugeschlossen und dann nichts wie weg!“

      „Du hast es wirklich nicht getan, Tommy?“, fragte die Frau und nahm Toms Kopf zwischen die Hände. „Wirklich nicht?“

      „Nein, Ma, wirklich nicht“, erklärte Tom bestimmt.

      Sie küsste ihn auf die Stirn. „Gott sei dafür Dank. Nun komm, mein Junge. Und sieh dir bei Tage den Plan an, den dir Cliff gezeichnet hat. Wenn du diesen Weg gehst, werden sie dich nicht erwischen. Der Weg führt dich zu deinem Vater. Zu Wild John Stafford ...“

      *

      Niemand verfolgte ihn, denn in der Richtung, die er auf Grund von Old Cliffs Ratschlägen hin eingeschlagen hatte, suchten sie ihn nicht. Sie alle fielen auf einen Trick herein, von dem Tom auch nichts wusste. Old Cliff hatte eines von Websters Pferden, genau das, auf dem Tom eilige Nachrichten aus der Stadt zu einsamen Gehöften schaffen musste, aus Websters Stall geholt und war damit ein Stück aus der Stadt geritten, nachdem Tom schon weg war. Nachher hatte er das Tier ins seichte Uferwasser des Missouri getrieben und es ohne eine Spur zu hinterlassen auf die Weide im Osttal geschafft. Von da war er zu Fuß in die sehr nahe Stadt zurückgekehrt.

      Am Morgen dann - an jenem Mittwoch, an dem das Gewitter kam - begann die Suche nach Tom. Das Aufgebot fand heraus, dass ein Pferd bei Webster fehlte, das Pferd, das meist von Tom geritten worden war. Prompt begann man nach Spuren zu suchen, fand eine deutliche und frische Spur, und ihr folgte man genau bis zu der Stelle, wo sie den Fluss erreichte. Man nahm aber an, der Fliehende sei durch den Fluss geritten und würde ihn irgendwo westlich verlassen haben.

      Doch die Suche nach dem Austritt der Spuren aus dem Fluss war umsonst. Dennoch führte Sheriff Klein das Aufgebot noch weit nach Westen, bis sie alle ins Gewitter gerieten und völlig durchnässt den Rückritt antraten.

      Tom kam über die Berge im Norden und geriet in jenes Tal, als der Damm brach, so dass er sich vor der plötzlichen Flutwelle nur noch auf diese Felseninsel retten konnte. Wenige Minuten später gelang es ihm, außer sich selbst, noch ein Lebewesen auf festen Grund zu ziehen: ein Wollknäuel, dem er den Namen Sam gab.

      *

      Es begann zu dunkeln. Der Wasserspiegel sank allmählich, und bald war der Bach wieder, was er zuvor schon gewesen war, ein sprudelndes, knietiefes Gewässer, harmlos, wie es schien. Und nur der Schlamm, das Geröll und die mitgerissenen, verstreut liegenden Büsche und kleinen entwurzelten Bäume bewiesen, dass er eben noch ganz anders gewesen war.

      Sam fror erbärmlich und kuschelte sich dicht an den warmen Körper des Menschen, der eine so anheimelnde Stimme und so liebevolle Hände hatte.

      Immer wieder kraulten ihn diese Hände.

      Die Stimme sagte: „Sam, ich weiß, du hast Hunger, aber in diesem verdammten Wasser ist mir mein Proviant aus der Hand gerissen worden, bis auf das Stück Brot von meiner Mutter, das du schon gefressen hast. Wir beide müssen jetzt zwei Dinge tun, kleiner Mann: Wir müssen erstens sehen, dass wir hier verschwinden, und zweitens müssen wir uns irgendwo etwas zu essen besorgen. Einverstanden?“

      Sam spürte die Zuneigung dieses Menschen. Er hatte trotzdem noch etwas Angst, rechnete mit neuen Überraschungen, aber es kam keine. Plötzlich nahm ihn der Mensch auf den Arm, presste ihn an sich und sagte: „Also, uns bleibt nichts weiter übrig, als abzuhauen. Sonst kommen Dutch-Billys Männer noch, und dann, Sam, dann ist keiner mehr da, der für dich sorgt. Und mich hängen sie auf, diese Lügner! Mann, wenn ich es wenigstens gewesen wäre. Aber ich bin auch noch unschuldig. Glaubst du mir das?“

      Sam sah ihn an, neigte den Kopf etwas schief und machte treuherzige Augen. Es sah aus, als würde er über das nachdenken, was ihm der Mensch gerade gesagt hatte. Die warme, anheimelnde Stimme hatte etwas Beschützendes, Mütterliches, auf alle Fälle etwas, wo sich Sam geborgen fühlte. Und dann ließ er es sogar zu, dass der Mensch seinen Arm um seinen Hals schlang, ein Zustand, der zunächst auch Sam aufs äußerste erschreckte, an den er sich aber gewöhnte, weil er den Menschen nicht fürchtete, diesen Menschen Tom Cadburn nicht.

      Kein Wolf und kein verwilderter Hund ließe sich den Kopf von einem Menschen widerstandslos unter den Arm nehmen, weil diese Tiere instinktiv meinten, in einer Falle zu sitzen. Ein Ring um den Hals, aus dem sie womöglich nicht mehr entrinnen konnten. Auch Sams Fell sträubte sich, als Tom etwas tat, wobei er sich nichts dachte, was ihm sogar als Zeichen zärtlicher Freundschaft vorkam, in dem das Wolfsblut aber meinte, sich absolut unterworfen zu haben.

      Etwas später gingen sie los. Zunächst hatte Tom seinen neuen Bekannten auf dem Arm. Aber das geschah gegen Sams Willen. Der wollte auf den Boden, und als ihn Tom absetzte, wieselte Sam ein Stück weit davon, setzte sich hin und blickte den Mann mit schiefgeneigtem Kopf an. So etwa, als wollte er sagen: Wieso soll ich mit dir gehen? Weil du mir mein Leben gerettet hast? Ich bin hier zu Hause und nicht dort, wo du hingehst. Warum also soll ich mitkommen?

      „Also wenn du nicht kommen willst, bleib ruhig da sitzen. Hörst du? Das Gewitter kommt wieder. Vielleicht schwimmst du diesmal ein Stückchen weiter als vorhin. Na?“

      Sam rührte sich nicht. Er hielt den Kopf schief, starrte Tom an, zeigte aber keine Miene, zu ihm zu kommen. Da ging Tom weiter.

      Der alte Cliff hatte Tom einen Whitneyville Walker-Revolver gegeben, ein schweres Monstrum, dessen Trommel von vorn geladen wurde. Bestimmt war das Schwarzpulver nass geworden, aber Tom wollte die Waffe jetzt nicht neu aufladen. Und so klatschte sie ihm bei jedem Schritt an den rechten Schenkel. Jedesmal, wenn dieses lederne Klatschen ertönte, zwinkerte Sam mit den Augen.

      Tom war schon ein ziemliches Stück den Hang hinaufgegangen, als Sam plötzlich aufstand, ein Stück unentschlossen hinter Tom herlief, wieder stehenblieb und dann abermals hinter ihm hertrabte.

      Der Mann sah sich nicht einmal nach ihm um. Er ging einfach weiter. Da blieb Sam erneut sitzen, witterte plötzlich und schnupperte an einer Fährte, folgte ihr ins Gestrüpp hinein, lief jetzt, sprang, und als dicht vor ihm ein Kaninchen aufgeschreckt würde, jagte er dem Tier nach. Aber da war ein Bau, und schwupp! Das Kaninchen verschwand, und Sam beschäftigte sich mit brotloser Kunst, als er versuchte, den Bau mit den Pfoten auszuscharren.

      Als er trotz des starken Kaninchengeruchs, der ihm den Speichel im Munde zusammenlaufen ließ, nicht ans Ziel kam, gab er auf, winselte enttäuscht und pirschte wieder zurück zum alten Platz, nahm die Spur des Mannes auf und folgte ihr.

      Er war nicht sehr groß, und mit seinem Vater verglichen wäre er ein Krümel gewesen. Doch schon begann sich sein Körper zu strecken, wurden die Beine länger, verlor sich das pummelige Aussehen allmählich. Er war ein Kämpfer, hatte schon eine Schlange besiegt, wenn ihn dabei außer seinem tollkühnen Übermut auch ein bisschen viel Glück begünstigt hatte. Immerhin war er wie ein Feldherr über einen tiefen Strom gegangen und hatte die Brücken zur Vergangenheit hinter sich abgebrochen. Er tat es nicht bewusst, aber er tat es, und ein unerklärlicher Drang zwang ihn, diesem Menschen zu folgen, der dort im Gestrüpp auf dem Bergpfad verschwunden war. Nur der Duft seines Körpers, der über seiner Spur schwebte, erinnerte daran. Und Sam hatte die feine Nase, um das genau zu riechen.

      Es fiel ihm leicht, auf der Spur zu bleiben. Dazu hätte es noch schwärzere Nacht sein können, obgleich sich Sam nachts, ehrlich gesagt und zugegeben, ziemlich fürchtete.

      Plötzlich wurde der Geruch von seinem neuen Bekannten so stark, dass Sam stehenblieb, und da sah er den Mann