Der Sommer mit Josie. Sandy Lee

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Название Der Sommer mit Josie
Автор произведения Sandy Lee
Жанр Короткие любовные романы
Серия
Издательство Короткие любовные романы
Год выпуска 0
isbn 9783969405147



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glaub, sie heißt Anka. Ja.«

      Barbara schaute ihren Sohn an.

      »Daniel, wir müssen jetzt zusammenhalten und jede Chance nutzen. Wir brauchen Hilfe, verstehst du?«

      »Ist ja in Ordnung. Mama.« Und als sie sich schon anschickte, das Zimmer zu verlassen, sagte er noch leise: »Ich find dich toll. Ehrlich …«

      Seine Mutter drehte sich noch einmal um.

      »Ich dich auch. Ehrlich!«

      Barbara schnappte sich ihr Handy. Dann klopfte sie bei Ilsa.

      »Schatz, ich geh noch mal kurz Luft schnappen. Wenn ich wiederkomme, gibt es Abendessen.«

      Dann verschwand sie nach unten.

      Ilsa musste nicht hören, was sie am Telefon zu sagen hatte. Deshalb ging sie ein Stück die Straße entlang und bog in die enge Gasse ein, die dort einmündete.

      Der Zettel! Barbara griff in die Tasche und holte das farbige Papier heraus. Sie wählte die Nummer.

      »Richter.«

      »Hier ist Barbara Wegener, Daniels Mutter. Klasse 8b.«

      »Ja, ich weiß. Guten Abend, Frau Wegener. Was gibt es.«

      »Ich habe ein Problem mit Daniel und komme damit nicht klar. Ich brauche Ihre Hilfe als Vertrauenslehrerin.«

      Das Telefon blieb still. Wahrscheinlich ordnete Frau Richter erst einmal die Fakten.

      »Es ist dringend!«, setzte Barbara nach.

      »Gut. Können Sie mir sagen, was genauer …«

      Barbara senkte die Stimme: »Ich glaube, mein Sohn ist Transgender.«

      Sie hörte ein Rauschen im Telefon. Frau Richter hatte bei der Nachricht wohl selbst tief durchgeatmet.

      »Das ist natürlich wirklich wichtig. Können Sie zu mir kommen.«

      Barbara schaute auf den Zettel.

      »Gutenbergstraße 17?«

      »Ja genau. Würde es gegen acht Uhr passen?«

      »Glauben Sie mir, es würde zu jeder Zeit passen!«

      »Dann sehen wir uns um acht.«

      Es wurde still. Frau Richter hatte aufgelegt.

      Als Barbara wieder die Wohnung betrat, hatte sie zumindest das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Sie würde Gelegenheit haben, sich jemandem mitzuteilen, sich einen Rat zu holen, und trotzdem konnte sie sicher sein, dass die ganze Sache absolut diskret behandelt wurde. Die Probleme wurden dadurch nicht weniger, aber sie verteilten sich auf mehrere Schultern.

      Ilsa hatte bereits den Tisch gedeckt und wartete. Ihr kam das alles höchst verdächtig vor. Ihr Bruder war unter unbekannten Umständen kaum noch zu sehen, und ihre Mutter lief wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend. Nur sie konnte sich keinen Reim auf das alles machen. Sie beschloss, den Stier bei den Hörnern zu packen.

      »Mama!«

      Barbara kam zur Küchentür und sah in die trotzigfragenden Augen ihrer Tochter.

      »Mama, was ist hier eigentlich los?«

      Was sollte sie sagen? Das Fass war kurz vorm Überlaufen.

      »Schatz, ich habe dir gesagt, du wirst alles erfahren. Aber bitte, lass mir etwas Zeit! Ich muss einiges ordnen, ehe wir reden können.«

      »Glaubt ihr wirklich, ihr könnt mich hinhalten? Ich gehöre auch zur Familie! Ist es was Schlimmes?«

      Barbara musste ihr etwas entgegenkommen, damit sie das Vertrauen der Kleinen nicht einbüßte. Also rang sie sich zu einer halben Aussage durch.

      »Nein. Es ist nichts, was wir nicht in den Griff bekommen könnten. Und es wird keinem von uns ein Schaden entstehen. Es … Es braucht nur einige Zeit, bis wir es alle verarbeiten können.«

      Sie kam sich ziemlich schäbig bei dieser Antwort vor. Und sie wusste nicht, ob sie lange vorhielt.

      Auch Ilsa merkte, dass etwas in der Luft lag, worüber ihre Mutter eigentlich sprechen wollte, aus irgendwelchen Gründen aber noch nicht konnte. Wenn sie jetzt weiter bohrte, würde es wohl nur noch peinlicher werden. Da wartete sie lieber ab und machte ihre eigenen Recherchen.

      Barbara hatte schon während ihrer Antwort begonnen, das Abendbrot auf den Tisch zu stellen. Jetzt rief sie die Kinder.

      »Ilsa! Essen! Daniel! Kommst du bitte auch!«

      Die Familie versammelte sich am Tisch.

      Daniel hatte versucht, die Probleme in seinem Zimmer zu lassen. Er setzte sich auf seinen Platz und langte demonstrativ ordentlich zu. Nur eines entging seiner Schwester nicht. Er war nicht sehr gesprächig.

      Sie wollte es wissen.

      »Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen?«, fragte sie provozierend und stupste ihn an.

      Die Mutter sah sie streng an.

      »Lass das, bitte!«

      Plötzlich warf Daniel die angefangene Stulle auf den Teller und polterte los: »Ach was! Ist doch sowieso alles egal! Warum tust du das, Mama?«

      Er stand auf und wandte sich zum Gehen.

      Ilsa schaute ihren Bruder mit großen Augen an. Auch Barbara war zusammengezuckt.

      »Nicht, Daniel! Nein!«

      Sie sprang ebenfalls auf und holte ihn im Flur ein. Ihn an beiden Schultern fassend, sah sie ihm flehend ins Gesicht und sprach mit leiser Stimme: »Bitte, Daniel! Ein Tag! Ich bitte dich um einen Tag! Tu mir den Gefallen! Tu uns den Gefallen!«

      Barbara zog ihn an sich. Sie spürte das leichte Zittern seines Körpers. Da hielt sie ihr Kind ganz fest.

      Daniel schluckte. Er schämte sich auf einmal für sein Benehmen.

      4

      Die Gutenbergstraße lag nicht weit von der Wohnung der Wegeners entfernt. Barbara hatte das Fahrrad genommen und nur fünf Minuten gebraucht.

      Sanierte Altbauten bestimmten hier das Bild, die meisten drei, maximal vier Etagen hoch. Barbara drückte auf die Klingel neben dem Namen »Richter«.

      In der zweiten Etage öffnete sich ein Fenster. Eine junge Frau steckte den Kopf heraus und sagte einladend: »Kommen Sie herein! Die Tür ist noch offen. Zweiter Stock links.«

      Barbara betrat den Hausflur. Während sie nach oben stieg, konstatierte sie: ›Hätte gar nicht geglaubt, dass die Vertrauenslehrerin noch so jung ist. Sie kann maximal Ende dreißig sein, wie ich.‹

      Oben wartete Frau Richter schon an der geöffneten Tür.

      »Anka Richter«, stellte sie sich vor.

      »Barbara Wegener. Guten Abend, Frau Richter.«

      Die Lehrerin bat ihren Gast herein. Sie ging ins Wohnzimmer vor und bot ihr einen Sessel an.

      »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«

      »Ja, danke. Wenn Sie ein Glas Wasser hätten.«

      Die Gastgeberin brachte eine Flasche Mineralwasser und zwei Gläser. Sie schenkte ein, dann nahm sie selbst auf der Couch Platz.

      Barbara dachte: ›Sie ist noch jünger, als ich vermutete. Höchstens Mitte dreißig.‹ Ihr bordeauxrotes Haar war zu einem flotten Kurzhaarschnitt frisiert. Auch sonst machte sie einen durchaus sportlichen Eindruck.

      »Sie haben ein ernsthaftes Problem mit Ihrem Sohn?«, nahm Frau Richter den Faden wieder auf.

      »Ja. Seit gestern.«

      »Bitte erzählen Sie!« Und als Barbara noch etwas zögerte, verstand die Lehrerin.