Название | Der Sommer mit Josie |
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Автор произведения | Sandy Lee |
Жанр | Короткие любовные романы |
Серия | |
Издательство | Короткие любовные романы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783969405147 |
»Und Daniel ist so ein Mensch?«, fragte Ilsa weiter.
Barbara nickte.
»Ja. Ich hab es vorgestern durch Zufall erfahren. Aber es ist sehr schwer, für beide Seiten. Diese Menschen haben oft Angst, es anderen mitzuteilen. Und die anderen haben Angst, es nicht verstehen zu können. Deshalb kann es sehr lange dauern, bis beide miteinander reden.«
»Wird er eines Tages auch äußerlich ein Mädchen sein?«
Barbara dankte heimlich Anka Richter, die ihr gestern Abend einen kurzen Abriss der Thematik verabreicht hatte. So konnte sie jetzt wenigstens einige grundsätzliche Fragen beantworten.
»Das kann später passieren. Manches geht ganz natürlich, wie bei dir. Bei anderen Sachen braucht es einen Arzt.«
Langsam dämmerte es in Ilsa, welch große Veränderung Daniel bevorstand. Und diese Veränderung würde Kreise ziehen und alle betreffen, die mit ihm zu tun hatten. Sie begann jetzt auch zu verstehen, weshalb ihre Mutter sie wegen des Versprechens so in die Mangel genommen hatte. Doch ihre Fragen wurden nicht weniger.
»Mama, ich weiß jetzt, dass ich darüber schweigen muss. Ich dachte, es wäre nur großes Getue, aber ich weiß, dass es wirklich wichtig ist.«
Barbara war gerührt von der Erkenntnis ihrer Tochter.
»Danke, mein Schatz.«
»Ich habe noch Fragen.«
»Dann stelle sie! Solange wir Zeit haben, werden ich oder Daniel versuchen, sie zu beantworten.«
Beide schauten auf die Uhr. Es war kurz nach eins.
Ilsa stellte fest. »Wir haben noch viel Zeit.«
»Aber in zwei Stunden sollst du bei Caro sein. Zur Grillparty?!«
»Mama, wenn das hier so wichtig ist, kann die Grillparty warten.«
Barbara war erstaunt, wie erwachsen sich Ilsa jetzt benahm. Sie schenkte ihr einen achtenden Blick dafür.
»Gut. Es ist deine Entscheidung. Dann ruf sie aber bitte an, damit Westphals nicht warten!«
Ilsa ging kurz in ihr Zimmer, wo das Handy lag.
Barbara nutzte den Augenblick, um mit ihrer großen Tochter zu sprechen.
»Ist das in Ordnung für dich, Josie?«
»Ja. Was ich in den letzten Tagen gelernt habe, ist, dass Ungewissheit und Angst viel kaputt machen können.«
Barbara nickte anerkennend. Auch Josie entwickelte sich weiter.
Ilsa kam zurück, ihr Notebook unterm Arm.
»Hier, Mama! Das wolltest du doch gestern haben.«
Sie legte es auf den Tisch.
»Und die Party?«
»Ich hab gesagt, dass etwas dazwischen gekommen ist.«
»Und was willst du sagen, wenn dich Caro danach fragt?«
»Mama, du kennst mich doch. Mir fällt schon was ein.«
Ja, Barbara kannte ihre Tochter. Sie war nicht auf den Mund gefallen und um keine Ausrede verlegen.
Ilsa setzte sich in Position, was bedeutete, dass sie weiterfragen wollte.
»Weiß Papa schon davon?«
»Nein. Ich werde zu ihm fahren und versuchen, es ihm langsam beizubringen. Das wird ein schweres Stück Arbeit werden. Aber er ist intelligent genug, es zu verstehen – denke ich jedenfalls.«
Das war jetzt Barbaras größte Angst. Denn sie wollte heute noch anrufen und Hendrik um dieses Treffen bitten.
Ilsa fuhr fort: »Aber Daniel kann doch nicht mehr Daniel heißen, wenn er ein Mädchen ist?«
Barbara pflichtete ihr bei: »Nein, das geht nicht. Daniel darf selbst bestimmen, wie er nun heißen möchte. Dafür gibt es ein Gesetz.«
»Und …?« Ilsa schaute ihre neue Schwester an.
»Ich möchte gern … Josie heißen. Ist das okay?« Die nachgesetzte Frage sollte Josies Unsicherheit überdecken.
»Josie … jaaa … Josie klingt gut.« Ilsa lachte. »Ist genehmigt, große Schwester.«
Jetzt mussten die anderen auch lachen. Barbara wurde jedoch gleich wieder ernst.
»Das ist jetzt vielleicht schwer für dich, mein Schatz, aber du musst aufpassen! Josie gibt es vorerst nur in der Wohnung. Draußen darfst du dich nicht versprechen. Tu uns die Liebe und gib acht!«
Ilsa nickte: »Ich werd mir Mühe geben, es nicht zu verbocken. Aber«, fuhr sie fort, »eines Tages muss er … äh, sie … doch auch mal raus aus der Wohnung. Was wird dann?«
Gut, dass Barbara vorbereitet war.
»Ja natürlich. Und zwar bald. Das nennt sich Alltagstest und ist am Anfang sicher sehr schwer für Josie. Sie muss nämlich draußen zeigen, dass sie ein Mädchen ist. Damit sie später auch wie ein richtiges Mädchen leben kann. Deshalb müssen wir auch bald beginnen, Mädchensachen für Josie zu kaufen.« Sie schaute die Große an. »Damit du mir nicht dauernd meinen Kleiderschrank plünderst.«
Josie lächelte.
»Das hab ich auch nicht vor. Nichts gegen dich, Mama, aber manche Sachen taugen für mein Alter nicht.«
Barbara zog einen Flunsch. War sie wirklich schon so weit weg von der Jugendmode? Ihr kam es immer vor, als läge die Teeniezeit gerade erst hinter ihr.
Der Nachmittag verging wie im Fluge.
Als Barbara Ilsa erschöpfend Antwort auf deren Fragen gegeben und ihre Tochter sich zurückgezogen hatte, bat sie Josie zu bleiben. Sie wollte noch einige Dinge klären, die ihr am Herzen lagen.
»Josie, ich möchte dir keine Vorschriften machen, aber als du dich vorhin über meine Kleider geäußert hast – was hast du mit ›mein Alter‹ gemeint? Was möchtest du gern tragen?«
Josie zuckte die Schultern.
»Da hab ich keine richtige Ahnung. Weiß nicht …«
»Sieh mal, zu Hause kannst du – theoretisch – anziehen, was du möchtest. Aber draußen, da musst du realistisch sein. Da kannst du nicht rumlaufen wie ein schriller Popstar.«
Barbara sah Josie eindringlich an. Die wusste keine Antwort und starrte auf ihre Schuhspitzen.
»Es gibt nämlich einen großen Unterschied, ob die Leute vor der Kamera stehen oder nur einkaufen gehen. Da kann es passieren, dass du sie einfach übersiehst. Also überleg dir, was dir stehen könnte. Schau dich draußen unter den Mädchen um. Und deine Schwester oder mich kannst du auch fragen. Ich bin schließlich schon eine halbe Ewigkeit Mädchen.«
Barbara vertraute hier schon auf ihre beruflichen Modekenntnisse.
»Es geht bei der Sache nämlich auch darum, wie du bei deinem Alltagstest bewertet wirst. Wenn du dich zu sehr aufdonnerst, zweifeln die Psychologen deine Ernsthaftigkeit an. Die halten dich dann für so eine Drag-Queen, aber nie für ein ganz normales Teenager-Mädchen.«
Josie sah auf.
»Okay, das hab ich verstanden. Keine überdrehten Kostüme. Ich werd mir's merken.«
Ihre Mutter stand auf, als Zeichen, dass die Unterredung beendet war.
Hendrik saß gerade an einigen Vorbereitungen für die nächste Woche. Es war die letzte vor den Semesterferien. Da passierte in den Hörsälen nicht mehr die Welt. Er wollte zum Beispiel einige interessante Experimente vorführen, deren Effekte die Studenten sicher zum Staunen bringen würden. Gerade beim ersten Studienjahr, wenn die ›Neuen‹ noch nicht so tief in der Materie steckten, kam so etwas immer an.
Die Uhr zeigte fast acht, als das Handy klingelte.