Mühlviertler Blut. Eva Reichl

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Название Mühlviertler Blut
Автор произведения Eva Reichl
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839256565



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nicht um die Liebe, dann geht es um Macht«, ließ Hartmeier aufhorchen.

      »Wie meinen Sie das? Welche Macht soll ein Pfarrer denn haben?« Stern wartete gespannt auf die Antwort des Hartmeiers.

      »Unterschätzen S’ das nicht, Herr Chefinspektor. So ein Pfarrer kennt alle Sünden von den Leuten. Schließlich rennen auch alle zu ihm beichten wie die Viecher zum Futtertrog. Da ist sicher das eine oder andere dabei, aus dem man Kapital schlagen könnte. Natürlich nur, wenn man das auch will! Aber funktionieren täte das schon, da bin ich mir ganz sicher.«

      »Spielen Sie auf etwas Bestimmtes an?« Stern hoffte, endlich auf einen konkreten Hinweis zu stoßen. Dieses an den Haaren herbeigezogene Verdächtigen des Nachbarn, weil der einem nicht zum Gesicht stand und man ihm endlich eins auswischen konnte, oder das von Rache geprägte Denunzieren der Nachbarin, weil die am Sonntagvormittag lieber in die Rostbar pilgerte als in die Kirche, hatte er sich schon den ganzen Nachmittag über anhören müssen. Davon hatte er genug.

      »Nein, nichts Bestimmtes. Ich sitze ja nicht im Beichtstuhl auf dem Schoß vom Pfarrer.« Georg Hartmeier grinste. »Aber interessant wär’s schon. Da würden wir gern ein Mäuschen sein wollen, gell?«

      »Also nichts Bestimmtes«, wiederholte Stern enttäuscht.

      »Fragen S’ doch mal die Herta, die Pfarrersköchin«, schlug Hartmeier noch immer grinsend vor.

      »Die Herta Bachmeier? Etwa die mit den roten Haaren?«

      »Ja, genau die meine ich. Die Frau ist ein Unikat.«

      »Wohl eher ein Ungeheuer!«, schrie einer der Männer grölend heraus.

      »Mit der hab ich schon gesprochen.« Stern erinnerte sich genau an das Gespräch, welches ihm aber auch nicht weitergeholfen hatte.

      »Und? Was hat sie g’sagt, die Herta?«

      »Dass der Pfarrer ein lieber Mensch gewesen ist und sie keine Ahnung hat, wer ihm das angetan haben könnte.«

      »Sonst nix?« Hartmeier blieb hartnäckig.

      »Nein, sonst nichts.«

      »Da müssen S’ aber noch mal ran, Herr Chefinspektor. Die Herta Bachmeier weiß alles, was es in Liebenau zu wissen gibt, auch, welche Unterwäsche Sie gerade tragen.« Da waren sich die Männer ausnahmsweise mal einig und nickten zustimmend.

      »Na, dann werde ich das morgen noch mal tun«, sagte Stern, bedankte sich für den Tipp mit der Pfarrersköchin, trank sein Bier aus und verabschiedete sich von der geselligen Runde. Es war ein langer Tag gewesen, und er war hundemüde.

      Grünbrecht hatte seine Reisetasche vor der Tür der Gaststube abgestellt. Er hatte nur wenige Sachen eingepackt, da er ja gehofft hatte, dass sie in ein paar Tagen den Fall aufgeklärt hätten. Wenn er sich da nur mal nicht täuschte! Die Liebenauer schienen zwar ein geselliges Völkchen zu sein, aber wenn es um einen aus ihren Reihen ging, hielten sie zusammen wie Pech und Schwefel.

      Stern nahm die Reisetasche und machte sich damit auf die Suche nach seinem Zimmer. Die Treppe hinauf und dann links, hatte die Wirtin gesagt und auch, dass er und Grünbrecht die schönsten Gästezimmer bekommen hätten. Zwischen den Zeilen glaubte Stern herausgehört zu haben, dass das Gasthaus nicht voll belegt war, da das im Ort befindliche Hotel dem Brücklwirt gehörig Konkurrenz machte und immer wieder Gäste wegschnappte. Gerade im Sommer kamen viele Touristen nach Liebenau, um in einer völlig intakten Natur zu wandern und die Ruhe und die gute Luft zu genießen. Das Ortszentrum war das höchstgelegene in ganz Oberösterreich, und mit seinen 76 Quadratkilometern war Liebenau die größte Gemeinde im Mühlviertel. Doch der wahre Anziehungsmagnet für die Menschen stellte das Tannermoor dar, welches zu den größten Latschenhochmooren Österreichs zählte und mit einem Reichtum an seltenen Pflanzen und Tieren aufwarten konnte. Das alles hatte Stern aus den Zeugenaussagen im Pfarrsaal erfahren, nur nicht, wer den Priester ermordet haben könnte.

      Vor der Tür mit der Nummer Sieben angelangt steckte er den Schlüssel ins Schloss, drückte die Klinke nach unten und betrat das Zimmer. Möbel aus hellem Holz empfingen ihn sowie ein mindestens 43 Zoll großer Flachbildfernseher. Da hatte der Dienststellenleiter ausnahmsweise einmal recht gehabt, als er Stern prophezeit hatte, dass es ihm in Liebenau nicht an Fernsehgeräten mangeln würde. Den Boden zierte ein roter Teppich, und ebenso farbige Vorhänge säumten seitwärts das Fenster, das einen Blick hinaus auf Liebenau gewährte. Das Zimmer strahlte Gemütlichkeit aus, fand Stern, und wäre nicht der Mord an dem Pfarrer, so könnte er sich hier durchaus wohlfühlen. Er warf rasch einen Blick in das Badezimmer, welches weiß gefliest war und ziemlich neu aussah. Dicke rote Handtücher lagen in einem schmalen Regal, und ein frischer Duft drang aus einem unter dem Spiegel stehenden Potpourri aus getrockneten Obstschalen und Blütenblättern.

      Stern stellte die Reisetasche neben dem Bett ab. Indem er mit dem jeweils anderen Fuß auf seine Fersen stieg, schlüpfte er aus den Schuhen und ließ sich rücklings in das Bett fallen. Die Decke raschelte und würde es ihm schwermachen einzuschlafen. Am Nachttisch lag eine Bibel. Dieser ungewollte Fingerzeig auf den Mord am Pfarrer entlockte Stern einen tiefen Seufzer. Am Kopfpolster war mittig eine Schokoladenpraline platziert, ein gern gesehener Willkommensgruß, gerade heute, wo Sterns Magen lediglich mit Bier gefüllt war und er noch immer Hunger verspürte. Er nahm die Schokolade und löste sie aus dem Papier. Dann steckte er sie in den Mund und ließ sie auf der Zunge zergehen. Grünbrechts Aussage, dass sich zu dieser Zeit jedes Gramm, das man verzehrte, doppelt um die Hüften anlegte, fiel ihm wieder ein. Aber wie viel wog schon so eine Praline? Zwei Gramm. Oder waren es fünf? Bestimmt war ihr Gewicht kaum der Rede wert.

      Nachdem die süße Verführung Sterns Gaumen passiert und die Speiseröhre hinuntergerutscht war, kreisten seine Gedanken wieder um den Mord. Es quälte ihn, dass sie noch keine handfesten Hinweise hatten. Es schien, als säßen er und Grünbrecht für längere Zeit in Liebenau fest, wenn nicht etwas Unvorhersehbares geschah. Dass dieses Unvorhersehbare längst geschehen war, wusste er natürlich nicht.

      3. Kapitel

      Am nächsten Morgen saßen Stern und Grünbrecht in der Gaststube des Brücklwirts und frühstückten. Während Stern drei Semmeln mit Butter und Marmelade auf seinen Teller lud, pickte Grünbrecht, wie erwartet, ein paar Körner aus einer Müslischüssel. Der Chefinspektor hatte schlecht geschlafen. Ihm hatte der Straßenlärm, der ihn in seiner Wohnung in der Linzer Herrenstraße jede Nacht sanft in den Schlaf lullte, gefehlt. Hier war es in der Nacht mucksmäuschenstill. Kein einziger Laut war zu hören gewesen, außer dem Knistern des Bettzeugs. Nun saß er übelgelaunt am Frühstückstisch, woran auch die zweite Tasse Kaffee nichts ändern konnte, während Grünbrecht heiter an ihrem Kräutertee nippte. In solchen Situationen spürte er, dass der Zahn des Alterns an ihm nagte und er nicht mehr ganz so fit und belastbar war wie früher.

      »Wir müssen noch mal mit der Pfarrersköchin reden«, sagte er mit vollem Mund.

      »Mit dieser Herta Bachmeier?« Grünbrecht blickte kurz von ihrem Haferflockengemisch auf.

      Stern nickte, ließ aber keine weitere Erklärung folgen.

      »Wollen Sie jetzt doch wissen, welche Gefühle sie gehabt hat, die sie uns eventuell hätte erzählen wollen«, stichelte Grünbrecht und nahm einen weiteren Schluck von ihrem Tee.

      »Die Männer von der Stammtischrunde haben gestern gemeint, dass sie alles wüsste, was es in Liebenau zu wissen gibt«, erklärte Stern seine Absichten, ohne auf die Anspielung von Grünbrecht wegen der Gefühle der Pfarrersköchin einzugehen. »Das impliziert auch Fakten rund um den Tod des Pfarrers.«

      »Sie haben sich also mit der hiesigen Stammtischrunde angefreundet«, schlussfolgerte Grünbrecht.

      »Angefreundet ist zu viel gesagt, aber man kann ja nie wissen, für was das gut ist, wenn man Kontakte in der Bevölkerung knüpft.« Stern biss in die Semmel, die dick mit Butter und Marmelade bestrichen war, und genoss die Süße des Aufstriches. Das üppige Frühstück entschädigte ihn für den schlechten Schlaf.

      »Dann holen wir die Bachmeier halt noch einmal zur Vernehmung her.« Grünbrecht trank