Telefónica. Ilsa Barea-Kulcsar

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Название Telefónica
Автор произведения Ilsa Barea-Kulcsar
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783990650219



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Alarmzustand eingehalten werden sollte; und daß die Bombe von vorhin in Vallecas gefallen war.

      »Sind Sie Deutsche?« fragte Agustín die Frau, als der Journalist das Zimmer verlassen hatte.

      »Ja.« Sie spürte die erneute Feindseligkeit.

      »Wie heißen Sie? Zeigen Sie mir Ihre Legitimationen!«

      »Ich heiße Anita Adam, und hier haben Sie meine Ausweise vom Außenministerium«, sagte sie mit einiger Schärfe. »Ich bin gestern Nacht aus Valencia gekommen und habe von nun an Nachtdienst in der Zensur.«

      Die Papiere waren in Ordnung, aber das sagte ihm nicht viel. Hier war man in Madrid, nicht in Valencia. Das Ministerium war in vielen Dingen eine Domäne der alten Intriganten geblieben. Die Pressezensur war ein Departement des Außenministeriums. Aber in Madrid war Kriegszustand, die Verantwortung hatten die militärischen Autoritäten und hier in der Telefónica derzeit er selbst. Der brave, alte Hilario Gomá, der Vorstand der Zensur, bot ihm keine genügende Garantie für die Überwachung der Arbeit dieser Deutschen. Man sah, daß sie intelligent und energisch war. Warum war sie in Spanien?

      Er fragte das so, wie er es dachte: »Was suchen Sie hier in Madrid?«

      Anita verstand sein Mißtrauen nicht. Sie war bisher nur der spontanen Herzlichkeit ihrer Chauffeure und der überschwenglichen Höflichkeit der Ministerialbeamten gegenüber der ausländischen Journalistin begegnet und glaubte überdies in ihrem fanatischen Arbeitswillen und ihrer langen politischen Tätigkeit einen Freibrief für das republikanische Spanien zu besitzen. »Was ich suche? Ich verstehe Sie nicht gut, Comandante. Ich sehe nur, daß Sie meine Funktion hier in Frage stellen. Ich bin natürlich hier wie wir alle, als Sozialistin und Antifaschistin oder wie Sie es nennen wollen. Jedenfalls als Genossin, die hier helfen will.«

      »Haben Sie draußen nichts zu tun gehabt?«

      »O ja, Genosse, verzeihen Sie: wenn ich mich einmal entschließe, Sie nie mehr als Genosse anzureden, so wird das eine Bedeutung haben, die ich diesem Gespräch einstweilen noch nicht verleihen will. Also nenne ich Sie weiter Genosse. Ja, ich habe draußen Arbeit. Aber nichts ist jetzt so wichtig wie Spanien. Und ich bilde mir ein, hier nützliche Arbeit leisten zu können und zu müssen. Warum haben Sie diese Frage gestellt?«

      Auf die Rückfrage war er nicht gefaßt gewesen. Er sah sie an – jetzt waren ihre Lippen wieder schmal und ihre Brauen zuckten. Sie mußte sehr zornig sein. Macht nichts, sie sollte nur merken, daß man ihrer ausländischen Autorität erst recht auf die Finger sah.

      Unwillkürlich schaute er ihr tatsächlich auf die Finger. Sie hatte sehr weiche, kleine, weibliche Hände.

      Agustín war so furchtbar übermüdet, daß er nicht merkte, wie lange er mit der Antwort zögerte und wie deutlich sein Blick zu verfolgen war. Anita sagte mit ihrer kältesten Stimme (sie zog bewußt dieses Register): »Sie wollen hier wohl keine Ausländerin und keine Frau sitzen haben. Leider kann ich einige Sprachen und kenne die ausländischen Presseverhältnisse, Kenntnisse, die hier fast ganz zu fehlen scheinen.« (Schweinerei, aber wahr, dachte er. Umso gefährlicher ist sie. Aber sein Mißtrauen kam ihm auf einmal übertrieben vor.) »Ich arbeite hier, wie meine Freunde in der Internationalen Kolonne kämpfen.«

      Sie hätte das nicht sagen sollen, sie spürte es sofort. Er war Spanier, seine Reaktion war doch ganz logisch: aber sie tat weh. Sein Schweigen nach dem indirekten Vorwurf war peinlich. Ein unguter Anfang der Arbeit.

      Inzwischen gingen ihm die Gedanken widerspruchsvoll durcheinander. Die Internationale Kolonne – Fremdenlegion. Nein, das nicht, es sind außer Abenteurern auch Revolutionäre dabei – und unsere Milizianer sind davongelaufen. Aber die deutschen Flieger und Granaten – die da ist eine ehrgeizige Abenteurerin – aber wenn sie doch ehrlich ist, hab ich ihr weh getan – sie antwortet gut – das Schlimme ist, daß wir keine gebildeten Spanier für diese Arbeit haben – sie hat vernünftige Augen, vielleicht kann man mit ihr reden. Die Funktion hat sie nun – die Konferenz mit Valencia ist gleich fällig – abschließen und hinaufgehen.

      »Warum sind Sie allein hier heroben?« fragte er unvermutet in verändertem Tonfall. Er setzte sich dabei auf die Tischkante, was gewöhnlich ein Zeichen innerer Abrüstung ist.

      Anita tastete dem neuen Stimmklang nach und kam zu dem Schluss, daß er sie wohl für mutig hielt. »Ich habe die Ordonnanz in den Keller geschickt, ich mußte hierbleiben. Ich finde, daß Bombardementsnachrichten von unserem Propagandastandpunkt aus sehr wichtig sind und man da der Presse alle Unterstützung geben muß.« Auch sie veränderte ihre Stimme, deren Wirkung sie sehr genau kannte.

      »Sie können den Korrespondenten sagen, daß die Bombe von vorhin in Vallecas gefallen ist, sieben Tote, sechzehn Verletzte, die Bombe war deutsches Fabrikat. Es ist eine zweite als Blindgänger gefallen.«

      »Danke, Genosse. Aber man müßte die Fabrikmarke und womöglich die Herstellungsnummer genau angeben, photographieren lassen, wenn es geht. Sehen Sie, man muß die Zeitungsleute mit echten Nachrichten füttern.« Sie sprach eifrig, ihr ganzes Gesicht war in Bewegung.

      Spürt sie nicht, daß es eine Schande für alle Deutschen ist, was da geschieht, oder findet sie, daß sie nicht zu ihnen gehört? fragte er sich. Ihm war sie so neu wie er ihr. Merkwürdiger Typ, dachten sie beide fast zu gleicher Zeit. Aber als eben Johnson eintrat, tat ihnen die Unterbrechung leid.

      Dieser sandhaarige Engländer war ein Freund der Frau, stellte Agustín sofort fest. Sie erklärte ihm die Nachricht, die sie soeben empfangen hatte, und war offenbar erfreut, den Mann zu sehen. Der Engländer begann in sie hineinzusprechen, eindringlich, besorgt, wahrscheinlich wollte er sie in den Keller schicken. Agustín wurde ärgerlich, daß er nicht Englisch verstand. Er wies die naheliegende Annahme, die alle seine Landsleute geglaubt hätten, nämlich, daß dies hier ein Verhältnis sei, zurück. Aber Freundschaft – wenn es Freundschaft zwischen Mann und Frau gab, was er nicht glaubte. Er, Agustín, kannte Männer und Frauen, er hielt den Engländer für schüchtern in die Deutsche verliebt, sie aber nicht in ihn. Er beugte sich über sie, sie hielt sich mit einem freundlichen Lächeln zurück. Agustín beobachtete, wie sich ihr Mund dabei veränderte; in seinen Winkeln bildete sich ein kleines Fragezeichen. Ihm gefiel der Mund, er dachte, es müßte angenehm sein, ihn zu küssen. Nur das, nicht mehr.

      Als Johnson gegangen war, zögernd und unzufrieden, Anita in dieser dunklen Unsicherheit der Telefónica in einem merkwürdigen Dienst zurückzulassen, erhob sich Agustín. Er war länger geblieben, als er beabsichtigt hatte, und immer noch hätte er gern weiter mit ihr gesprochen. Anita erklärte ihm, wer Johnson war – die wichtige gemäßigte englische Zeitung, die ihn hergeschickt hatte –, und sagte noch: »Er ist ein feiner Kerl, ich kenne ihn, seitdem er einmal mit meinem Mann in einem internationalen Nachrichtenbüro gearbeitet hat.«

      Sie war also verheiratet. Aber wo war der Mann? Sie sah nicht verheiratet aus, aber auch nicht wie eine unbefriedigte Frau. Hoffentlich suchte sie keine Kriegsabenteuer, mit diesem Mund da. Das hätte ihm eben noch gefehlt. Er mußte jedenfalls einiges klarstellen:

      »Hören Sie, ich habe jetzt keine Zeit mehr. Ich werde Ihnen später erklären, was die Militärbehörden vom Zensurdienst verlangen. Sie werden mit mir und mit dem Kriegskommissariat arbeiten müssen. In Angelegenheiten, die das Gebäude und den Telephondienst betreffen, bin ich die Stelle, an die Sie sich wenden müssen. Außerdem – es ist für einen Ausländer unmöglich, die spanische Psychologie zu verstehen, und da es unser Krieg ist, sollten Sie das nie vergessen. Sie können hier nicht nach Ihrem Standard entscheiden. Vermeiden Sie die üblichen Fehler der Ausländer, Sie sind klug genug dazu. Wo schlafen Sie?«

      »Im Hotel Gran Vía«, sagte sie beinahe schüchtern und sah ihn unsicher an. Er hatte ihr die Leviten mit klarer Freundlichkeit gelesen, ohne die verletzende Schärfe der ersten Viertelstunde. Er hatte sie ihre Grenzen so deutlich erkennen lassen, daß sie sich plötzlich ihres Alleinseins und Fremdseins erschreckend klar wurde.

      »Also, damit ich Ihnen die militärischen Zensurvorschriften erklären kann, kommen Sie zu mir in den achten Stock, bevor Sie ins Hotel hinübergehen. Ich werde Ihnen für den Rückweg meine Ordonnanz mitgeben und Ihnen die letzten Nachrichten