Название | Die Kleinbürger |
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Автор произведения | Оноре де Бальзак |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783955013363 |
Eine vertrauliche Mitteilung, die Cardot dem berühmten Generalstaatsanwalt, dem Vater dieses jungen Beamten gemacht hatte, war die Veranlassung zu dessen Besuch gewesen. Olivier Vinet war als Staatsanwaltsgehilfe von dem Gericht in Arcis-sur-Aube an das Seinegericht versetzt worden. Der Notar Cardot hatte Thuillier mit dem Generalstaatsanwalt, der Aussicht hatte, Justizminister zu werden, und seinem Sohne zum Essen eingeladen. Cardot schätzte das Vermögen, das Celeste einmal zufallen sollte, augenblicklich auf siebenhunderttausend Franken. Der junge Vinet war entzückt, dass er Sonntags bei Thuilliers erscheinen durfte. Große Mitgiften verführen heutzutage zu großen Gemeinheiten, ohne dass man sich deren schämt.
Zehn Minuten später erhob ein anderer junger Mann, der vor der Ankunft des Staatsanwaltsgehilfen mit Thuillier geplaudert hatte, bei einer erregten politischen Diskussion laut seine Stimme und nötigte den Beamten, infolge der Lebhaftigkeit der Debatte, seinem Beispiele zu folgen. Es war die Rede von einem Beschluss, durch den die Deputiertenkammer soeben das Ministerium des 12. Mai gestürzt hatte, weil sie die für den Herzog von Nemours verlangte Apanage ablehnte.
»Ich bin gewiss weit davon entfernt,« sagte der junge Mann, »zur monarchischen Partei zu gehören, aber ebenso weit davon, den Anspruch der Bourgeoisie auf die Regierung zu billigen. Die Bourgeoisie hat ebensowenig wie früher der Adel das Recht, zu behaupten, dass sie der Staat sei. Aber schließlich hat doch die französische Bourgeoisie eine neue Dynastie geschaffen, ihr Königtum, und jetzt behandelt sie es so! Wenn das Volk den Aufstieg Napoleons zuließ, so hat es mit ihm doch etwas Großartiges, etwas Monumentales geschaffen; es war stolz auf seine Größe und hat edelmütig sein Blut und seinen Schweiß hergegeben, um das Kaiserreich aufzurichten. Neben dem Glanz des aristokratischen Thrones und dem kaiserlichen Purpur, neben den Großen und dem Volke erscheint die Bourgeoisie armselig, sie zieht die Regierungsgewalt zu sich herab, anstatt sich zu ihr hinauf zu erheben. Ihre Kontorsparsamkeit mit Kerzenendchen mutet sie den Prinzen zu. Was in ihrem Laden eine Tugend ist, das ist oben ein Fehler und ein Verbrechen. Ich würde viel für das Volk verlangt haben, aber ich hätte von der neuen Zivilliste nicht zehn Millionen abgestrichen. Nachdem sie in Frankreich fast alles geworden ist, schuldet die Bourgeoisie dem Volke das Glück, sie schuldet ihm Glanz ohne Prunk, Größe ohne Privilegien.«
Der Vater Olivier Vinets war damals schlecht auf die Regierung zu sprechen: Die Amtstracht des Großsiegelbewahrers, die sein Traum war, wollte sich immer noch nicht um seine Schultern legen. Der junge Staatsanwaltsgehilfe wusste daher nicht recht, wie er antworten sollte, und glaubte am besten zu tun, wenn er nur einer Seite der Frage zustimmte.
»Sie haben recht, mein Herr,« sagte Olivier Vinet. »Aber bevor sie sich bereit macht, muss die Bourgeoisie ihre Pflichten gegen Frankreich erfüllen. Der Glanz, von dem Sie sprechen, kommt erst hinter der Pflicht. Was Ihnen so sehr tadelnswert erscheint, entspricht dem Zwange der augenblicklichen Verhältnisse. Die Kammer ist weit davon entfernt, den ihr zukommenden Anteil an den Geschäften gewährt zu erhalten; die Minister dienen weniger Frankreich als der Krone, und die Kammer will, dass das Ministerium wie in England eine selbständige Macht haben soll und nicht nur eine entliehene. An dem Tage, an dem das Ministerium selbständig handeln und als Exekutivgewalt die Kammer repräsentieren wird, wie die Kammer die Repräsentantin des Landes ist, wird sich das Parlament auch sehr freigebig gegen die Krone bezeigen. Hierin liegt der Kernpunkt der Frage; ich erkläre sie bloß, ohne meine persönliche Meinung zu äußern, denn die Pflichten meines Amtes verlangen von mir in politischer Hinsicht eine Art von Lehnstreue gegenüber der Krone.«
»Abgesehen von der politischen Seite der Frage«, erwiderte der junge Mann, dessen Aussprache und Akzent ein Kind der Provence verrieten, »ist es nicht weniger wahr, dass die Bourgeoisie ihre Mission nur mangelhaft begriffen hat; wir sehen Generalstaatsanwälte, erste Gerichtspräsidenten und Pairs von Frankreich im Omnibus fahren, Richter, die von ihrem Gehalt leben, Präfekten ohne Vermögen, Minister, die Schulden haben; wenn die Bourgeoisie solche Stellen besetzt, dann muss sie auch angemessene Gehälter für ihre Inhaber aussetzen, wie das früher die Aristokratie getan hat, damit sie sie nicht dazu benutzen, um sich ein Vermögen zu verschaffen, wie das Skandalprozesse erwiesen haben, sondern um ihr Einkommen auszugeben ...«
»Wer ist denn dieser junge Mensch?« fragte sich Olivier Vinet als er ihn so reden hörte; »ein Verwandter? Cardot hätte mich eigentlich bei meinem ersten Besuche begleiten können.«
»Wer ist denn dieser kleine Herr?« fragte Minard Herrn Barbet; »ich habe ihn hier schon mehrmals getroffen.«
»Er ist ein Mieter«, erwiderte Métivier, während er Karten gab.
»Es ist ein Advokat«, sagte Barbet leise; »er hat eine kleine Wohnung im dritten Stock vorn heraus ... Oh, nichts von Bedeutung, er hat nichts.«
»Wie heißt er denn?« sagte Olivier Vinet zu Herrn Thuillier.
»Theodosius de la Peyrade; er ist Advokat«, erwiderte Thuillier leise.
In diesem Moment blickten die Damen wie die Herren auf die beiden jungen Leute, und Frau Minard konnte sich nicht enthalten, zu Colleville zu sagen:
»Der junge Mann sieht recht gut aus.«
»Ich habe schon ein Anagramm auf ihn gemacht«, antwortete Celestes Vater; »sein Name und seine Vornamen bedeuten nichts gutes ... Deshalb hüten Sie sich, meine liebe Mama Minard, ihm Ihre Tochter zu geben.«
»Man findet diesen jungen Mann hübscher als meinen Sohn«, sagte Frau Phellion zu Frau Colleville; »wie denken Sie darüber?«
»Oh, was das Äußere anlangt,« erwiderte Frau Colleville, »so könnte eine Frau schwanken, bevor sie ihre Wahl träfe.«
Der junge Vinet glaubte jetzt klug zu handeln, wenn er sich, im Hinblick auf diesen Salon voller Kleinbürger, für die Bourgeoisie begeisterte, und er stimmte der Ansicht des jungen provenzalischen Advokaten bei, indem er sagte, dass die mit dem Vertrauen der Regierung beehrten Leute es machen müssten wie der König, dessen Freigebigkeit noch die des früheren Hofes überträfe, und dass Sparen bei den Repräsentationspflichten einer Stellung eine Torheit sei. Und außerdem, wie sei das vor allem in Paris möglich, wo das Leben dreimal so teuer sei und wo zum Beispiel die Wohnung eines Richters dreitausend Franken koste? ...
»Mein Vater«, schloss er, »gibt mir jährlich tausend Taler und ich kann damit und mit meinem Gehalt kaum meiner Stellung entsprechend leben.«
Als der Staatsanwaltsgehilfe sich auf dieses schlüpfrige Gebiet begab, wechselte der Provenzale, der ihn geschickt dorthin geführt hatte, ohne dass es jemand merkte, einen Blick mit Dutocq, der wieder am Bouillottetisch seinen Platz einnehmen musste.
»Und es sollen soviele Stellen besetzt werden,« sagte der Gerichtsvollzieher, »dass man davon spricht, es würden in jedem Bezirk zwei Friedensgerichte gebildet werden, damit wir noch zwölf Gerichtsvollzieherstellen mehr bekommen ... Gerade als ob man unsere Rechte angreifen wolle, wo wir doch unsere Ämter so übermäßig hoch bezahlt haben!«
»Ich hatte noch nicht den Vorzug, Sie vor Gericht plädieren zu hören«, sagte der Staatsanwaltsgehilfe zu Herrn de la Peyrade.
»Ich bin Armenadvokat, ich plädiere nur vor dem Friedensgericht«, erwiderte der Provenzale.
Als sie die Grundsätze des jungen Beamten über die Pflicht, sein Einkommen zu verbrauchen, verkündigen hörte, hatte Fräulein Thuillier ihr feierliches Gesicht, das dem jungen Provenzalen und Dutocq schon bekannt war, aufgesetzt. Der junge Vinet entfernte sich jetzt mit Minard und dem Advokaten Julian, so dass das Schlachtfeld vor dem Kamin dem jungen la Peyrade und Dutocq überlassen blieb.
»Die hohe Bourgeoisie«, sagte Dutocq zu Thuillier, »wird es ebenso machen, wie früher die Aristokratie. Der Adel wollte reiche Mädchen haben, um sein Land zu düngen; unsere heutigen Parvenüs wollen Mitgiften haben, um ihre Schuhe mit Stroh füttern zu können.«
»Dasselbe