Die dreißig tolldreisten Geschichten. Оноре де Бальзак

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Название Die dreißig tolldreisten Geschichten
Автор произведения Оноре де Бальзак
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783955014674



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      »Ah!« rief sie, »du bist der vollkommenste Pfaffe, das hübscheste kleine Pfäfflein, so pfiffig pfäfflich und so pfäfflich pfiffig, wie es gewiss keinen zweiten gibt in der verpfefferten und verpfäffelten Stadt Konstanz ... Aber komm, mein herziger Ritter, mein geliebter Sohn, mein Kleiner, mein Dicker, mein Baum der Glückseligkeit, mein wonniger Gärtner, komm, dass ich deine Augen trinke, ich möchte dich fressen, ich möchte dich umbringen vor Liebe; o mein Blumenbekränzter, mein Frühlingsgott! Mein süßer Glockenschwengel! Mein Gott in alle Ewigkeit, komm! Du bist nur ein armes Pfäfflein, ich will einen König aus dir machen, einen Kaiser, einen Papst, nein, ich will dich glücklicher machen als alle zusammen. Was willst du noch? vernichte alles hier mit Feuer und Schwert, wenn es dir beliebt, ich bin dein Eigentum. Ich will dir's zeigen, du sollst Kardinal sein, und wenn ich all mein Herzblut hergeben müsste, um dein Barett damit zu färben.«

      Und mit zitternder Hand, so überglücklich war sie, füllte sie mit griechischem Wein einen goldenen Becher, den der dicke Bischof von Chur hergebracht hatte, und reichte ihn dem Freund; auf ihren Knien reichte sie ihm den Trank, sie, deren Pantoffel die Fürsten der Erde küssten, mit mehr Devotion küssten als den Pantoffel des Papstes.

      Er aber betrachtete sie stumm mit gierigem Blick, dass sie erzitterte vor wollüstiger Genugtuung: »Du hast recht, Kleiner, was sollen da Worte ... und nun zum Abendschmaus!«

      Die lässliche Sünde

      Wie der ehrenwerte Ritter Bruyn zu seiner Frau kam

      Der edle Herr Bruyn, derselbe, der das Schloss La Roche-Corbon-les-Vouvray an der Loire ausgebaut hat, war in seiner Jugend ein wilder Gesell und Tunichtgut. Er ging noch halb in den Knabenschuhen, da war schon keine Jungfer mehr vor ihm sicher, und überall machte er einen Spektakel, als wenn er das Haus zum Fenster hinauswerfen wolle. Als er dann, noch ganz jung, seinen Vater, den Baron von La Roche-Corbon, zu begraben hatte, wurde er vollends ein richtiger kleiner Teufelsbraten. Er war nun sein eigener Herr und konnte erst recht das Haus mitsamt allen Truhen und Kisten und was alles sich darin versteckt hatte, zum Fenster hinauswerfen.

      Wirklich lebte er in Saus und Braus alle Tage, vertat sein Geld mit Saufen, Spielen und Huren und kümmerte sich den Teufel um Gesetz und Sitte, dass er sich bald aus der Gesellschaft der ehrsamen Menschen exkommuniziert sah und nur noch die Wucherer, Halszuzieher, Beutelschneider und andere Schnapphähne zu seinem Umgang hatte. Aber selbst die Herren Hypothekenjäger und Geldverleiher wurden stachelig wie eine Kastanienschale, als er kein anderes Pfand mehr einzusetzen wusste als die genannte Herrschaft La Roche-Corbon, in Anbetracht nämlich, dass dieses Besitztum, als ein königliches Lehen, keinerlei Sicherheit und Bürgschaft zu bieten vermochte. Da war Bruyn im besten Zug, ein gefürchteter Saufbold und Raufbold zu werden, der wegen nichts mit den Leuten Händel anfing und kein größeres Vergnügen kannte, als Rippen einzustoßen und Schulterblätter und Schlüsselbeine entzweizuschlagen.

      Dieses Treiben sah der Abt von Marmoustiers, sein Nachbar, ein Mann, der nicht gern ein Blatt vor den Mund nahm. Das sei ja alles sehr schön, sagte er zu dem Ritter, und wenn er so fortfahre, werde er sicher noch ein Ausbund aller ritterlichen Tugenden werden; aber noch fehle seinem schädelspalterischen Tun die Krone, nämlich: dass er zur Ehre Gottes hinziehe in das Heilige Land und sein Schwert an den Knochen der sarazenischen Mohammedaner und mohammedanischen Sarazenen, die jetzt das Heilige Land vollscheißen, schartig mache und dann zurückkehre, mit Reichtum und Ablässen überhäuft, entweder zurück in seine geliebte Touraine, den Garten Frankreichs, oder ins himmlische Paradies, den Garten Gottes, von wo alle christlichen Barone herkommen.

      Diese weisheitsvollen Worte des Prälaten leuchteten dem Ritter ein, und ausgerüstet vom Kloster und gesegnet vom Abt, ging er zu Schiff und fuhr übers Meer, zur nicht geringen Freude seiner Nachbarn. Er belagerte nun zahlreiche Städte in Asien und in Afrika, hieb auf die Ungläubigen ein, ohne Pardon zu geben, machte ein wahres Gemetzel unter Sarazenen, Griechen, Engländern und andern, ohne viel danach zu fragen, ob es Freunde wären oder Feinde, denn er war als echter Mann wenig neugierig und befragte die Leute nach solchen Lappalien erst, nachdem er sie umgebracht hatte.

      In diesem Beruf, dem lieben Gott, dem König und ihm selber sehr angenehm, gewann Bruyn einen großen Ruhm als ritterlicher Christ und christlicher Ritter und hatte viel Spaß in den heidnischen Ländern, wo er es trieb wie daheim und lieber einer Hure einen Taler als einem Bettler einen roten Heller schenkte, obwohl er mehr arme Teufel antraf, die einem Cherub gleichsahen, als er Weiber unter die Hände bekam, die auch nur von weitem den Huris des Mohammed geglichen hätten; aber er war ein guter Tourainer, dem seine Suppe aus jedem Teller schmeckte.

      Als er aber dann die Türken satt hatte bis an den Hals und sein Durst nach Reliquien und andern Gnadenspenden des Heiligen Landes hinlänglich gestillt war, kehrte er zur großen Verwunderung seiner Nachbarn aus dem Kreuzzug zurück, über und über beladen mit Gold und Edelgestein, im Gegensatz zu so viel andern, die reich auszogen und – auch über und über bedeckt, nämlich mit dem Grind des Aussatzes, zu ihren lieben Ehegesponsen heimkamen.

      Sein Ruhm drang bis zu den Ohren des guten Königs Philipp, der ihn zum Grafen ernannte und dem ganzen Tourainer Land als Seneschall vorsetzte. Da wurde Bruyn von allem Volke geliebt und mit hohen Ehren umgeben, besonders da er es mit seinen Heldentaten nicht genug sein ließ, sondern auch in Carmes-Deschauls in der Gemeinde Esgrignolles eine schöne Kirche baute zur Sühne für die Sünden seiner Jugend.

      Er wurde ganz und gar der Liebling Gottes und der Kirche. Aus einem Raufbold und Schnapphahn, der er ehedem war, wurde er ein kluger und gesetzter Mann, dem allmählich die Haare ausgingen und der darum die lustigste Sünde der lästigsten Tugend nur noch wenig vorzog. Sein Gemüt sänftigte sich immer mehr, und er geriet nur noch in Zorn, wenn jemand Gott lästerte vor seinen Ohren, was er nicht ertragen konnte, weil er selber schon für alle andern in seiner Jugend gelästert hatte. Er überfiel und belagerte auch die Leute nicht mehr; denn da er Seneschall war, gaben sie ihm alles freiwillig; auch sah er in Wahrheit alle seine Wünsche erfüllt, und da wird ein Mensch, wenn er nicht ganz ein gottverfluchter Teufel ist, vom Scheitel bis zur Sohle voller Faulheit und Behagen.

      Bruyn bewohnte ein altes Schloss an den Ufern der Loire, in deren Wasser es sich spiegelte. Dieses Gemäuer war von außen voller Löcher und Scharten wie ein spanisches Wams, im Innern aber, in den Sälen und Kemenaten, mit königlichen Tapeten bekleidet und erfüllt mit Gerätschaften und tausenderlei Pomp sarazenischer Herkunft, dass die guten Leute von Tours davor Maul und Augen aufsperrten und sogar der Erzbischof und der hohe Klerus von Saint-Martin, denen der Graf ein seidenes Banner mit goldenen Fransen verehrte, die fremde Pracht und Herrlichkeit nicht genug bewundern konnten. Zu dem Schloss gehörte eine große Menge von Landgütern und Stadthäusern mit reichen Einkünften, mit Mühlen, Fischwassern und Wäldern, also dass seine Herrschaft eine der reichsten war im Land und unserem Herrn, dem König, zu seinem Heerbann wohl an die tausend Mann zu stellen vermochte.

      Wenn ihm jetzt sein Amtmann, der nicht wenige in seinem Leben hatte hängen lassen, manchmal einen armen Bauer vorführte, der über irgendeinem kleinen Frevel betroffen worden, da lächelte der bejahrte Schlossherr oft gar gnädig:

      »Lasst ihn laufen, mein lieber Breddif«, sagte er; »ich habe in früheren Jahren so viele ohne Grund umgebracht, mag er dafür das Leben haben.«

      Doch nicht immer lief es so gut ab. Noch genug Bauern mussten an seinen Galgen oder an den Eichen seiner Wälder baumeln, denn ›Gerechtigkeit muss sein‹, pflegte er zu sagen, ›und wenn es auch nur wäre, um eine alte Sitte nicht in Abgang kommen zu lassen‹.

      Im ganzen hielten sich seine Hintersassen ruhig und still wie die Nonnen in der Mette und waren ihm in Klugheit ergeben, denn er beschützte sie vor jeder Art von schlimmem Gesindel, vor den Vogelfreien und Vagabundierern, vor Beutelschneidern und Buschkleppern, die er unnachsichtig verfolgte, da er aus eigner Erfahrung wusste, welch eine Landplage dieses Raubzeug sein kann. Er betrieb seine Obliegenheiten in der Furcht Gottes und mit großem Eifer, war bei allem mit ganzer Seele dabei, beim Gottesdienst wie beim Trinken, machte aber bei Streitigkeiten, wie in allem, gern kurzen Prozess, versüßte harte Urteile mit lustigen Scherzen, und wenn er einem hart weh getan hatte durch seinen