Название | Gesammelte Werke von Johanna Spyri |
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Автор произведения | Johanna Spyri |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027209026 |
Frau Maxa sass eine Weile schweigend in ihren Gedanken vertieft, die Hände in den Schoss gelegt, was sie selten und niemals für lange zu tun pflegte.
Schon stand Mea mit leidenschaftlichen Gebärden vor ihr und zwang sie, ihre Teilnahme den lebhaften Mitteilungen der Sprechenden zuzuwenden: »Gewiss, du kannst mir’s glauben, Mutter«, eiferte Mea, »die Elvira ist so aufgebracht gegen mich, dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben will, nie mehr. Am meisten hat es sie bös auf mich gemacht, dass ich es unrecht gefunden habe, dass sie nicht eingestehen wollte, sie habe auch geschwatzt. Sie sagte so verächtlich, wenn ich ihr um eines lumpigen Lonelis willen einen Verweis geben könne, so solle ich mich nur zu einer solchen Freundin halten, nicht mehr zu ihr.«
»So lass es nun auch für diesmal so sein«, sagte die Mutter, »du bist ihr immer wider nachgegangen, und das war recht. Nun lass ihr den Willen. Loneli sollte sie nicht lumpig nennen, das ist sehr unrecht; so ehrenhaft und ordentlich wie die Apollonie und ihre Enkelin sind recht wenige unserer Leute.«
Mea hätte der Mutter gern noch allerlei geklagt; denn sie hatte das Bedürfnis, alles vor die Mutter zu bringen, was sie bewegte; aber sie sah, dass sie ihre weiteren Mitteilungen auf eine stille Stunde der Abendzeit sparen musste.
Eben war Bruno hereingekommen und hatte sich gleich an die Mutter gewandt. »Was hat der Herr Pfarrer geschrieben, Mutter?« fragte er gespannt, »hat er die Pflaumendieberei entdeckt?«
»Vielleicht, den Entschluss würde diese nicht herbeigeführt, wohl aber vielleicht befördert haben. Da lies«, sagte die Mutter, ihm den Brief übergebend.
»Das ist nun eigentlich nicht so schlimm«, fand Bruno, nachdem er den Brief gelesen hatte, »du musst mich nun nach der Stadt schicken, und so komme ich doch endlich los von den zwei, mit denen ich einmal nicht zusammen sein kann. Du weisst, dass sie gemeines Zeug treiben, und was gemein ist, gefällt ihnen.«
»Aber sie gehen ja natürlich auch nach der Stadt, da seid ihr wieder zusammen und niemand ist da, der sich um dich kümmert und auf den du hörst«, jammerte die Mutter.
»Da sei du nur ganz ohne Sorge, Mutter; die Stadt ist gross, da kommen wir nicht so nah zusammen wie hier; von denen will ich mich fern genug halten, da kannst du ruhig sein«, tröstete Bruno.
Kurt war heute von seinen Gedanken und bevorstehenden Anordnungen so sehr in Anspruch genommen, dass er am Mittagessen vor lauter Nachsinnen es nicht bemerkte, als sein bevorzugtes Gericht erschien. Lippo schaute ihn ernsthaft an: »Jetzt gibst du nicht einmal acht, wenn doch Apfelstrudel auf den Tisch kommt«, sagte er vorwurfsvoll; denn solche Gleichgültigkeit kam ihm wie ein Unrecht vor.
Aber selbst den Apfelstrudel schluckte Kurt heute in Zerstreutheit hinunter, und sowie dies geschehen war, fragte er die Mutter, ob er gleich wieder gehen dürfe, er habe vor Beginn der Schule noch so vieles mit seinen Freunden zu ordnen. »Nachher will ich dir dann alles erzählen, Mutter; es ist etwas Rechtes, was getan sein muss«, versicherte er, »wenn ich jetzt nur fort kann.« Dann stürzte er, da die Mutter Erlaubnis gegeben hatte, davon und, beim Schulhaus angekommen, mitten in die Bubenschar hinein, die seiner hier harrte. Bevor aber ausgeführt werden konnte, was er jetzt mit ungeheurer Anstrengung in die Menge hineinschrie und erklärte, mussten noch zwei lange Stunden auf den Schulbänken abgesessen werden. Sie wollten heute nicht zu Ende gehen.
Lux, der lustige Küsterbub, der viel lieber das Glockenseil zog und sich davon in die Höhe schnellen liess, als dass er auf der Schulbank sass, zupfte seinen Nachbar am Ärmel: »Wie spät ist es, Marx?«
»Weiss nicht.«
»Marx«, flüsterte Lux wieder, »der zweite Auszug wird viel lustiger sein als der erste. Ich freue mich viel mehr auf den zweiten, und du?«
»Du kannst dich zu allererst auf die Schandbank freuen, wenn du nicht schweigst«, gab Marx zurück, indem er aus den Augenwinkeln zum Lehrer hinüberschielte. Wirklich hatte dieser eben die Augen forschend auf die Seite der Flüsternden gewandt. Jetzt duckte sich Lux auf sein Heft nieder und schwieg. Endlich schlug die ersehnte Stunde, und in wenigen Minuten stand der ganze Schwarm draussen. Mit vielem Lärm, aber so regelmässig, als es in der grossen Eile möglich war, ordnete sich nun ein langer Zug und bewegte sich dann mit ziemlichem Getümmel dem Häuschen der Apollonie zu. Hier wurde halt gemacht. Kurt bestieg die aufgeschichteten Baumstämme, die am Strässchen lagen, und stellte sich hochaufgerichtet auf den obersten, während nun alle anderen sich in einem Knäuel um ihn drängten. Die Apollonie machte ein wenig das Fenster auf, stellte sich aber dahinter; sie musste aber erst wissen, was es geben sollte. Loneli stand hinter ihr, es war atemlos eben angekommen; denn es hatte gehört, es komme ein Zug vor der Grossmutter Haus.
»Frau Apollonie«, rief jetzt Kurt mit lauter Stimme, »wir sind zwei ganze Klassen, und wir sind alle gekommen, um Ihnen zu sagen, dass das Loneli nicht schuld war, dass es auf der Schandbank sitzen musste, das kam nur aus den guten Eigenschaften seines Charakters her. Aus lauter Höflichkeit und Dienstfertigkeit hat es eine Frage beantwortet, die jemand getan hatte, und als der Lehrer wissen wollte, wer geschwatzt hatte, hat es aufrichtig sich genannt; aber es hat nicht sagen wollen, dass es nur geantwortet habe; denn sonst hätte es jemand angeben müssen. Nun wollen wir Ihnen das alles sagen, damit Sie nie mehr denken, es sitze eine Schande auf Loneli, sondern dass Sie das Loneli betrachten, wie wir es tun, und wissen, dass es eines der freundlichsten und gefälligsten Kinder von der ganzen Schule ist.«
»Hoch das Loneli!« rief auf einmal der Lux mit solcher Wucht in die Luft hinaus, dass die ganze Schar unwillkürlich losschrie: «Hoch das Loneli!« und das Echo laut vom Schlossberg her nachhallte: »Das Loneli.«
Jetzt öffnete die Apollonie das Fenster ganz, streckte den Kopf hinaus und rief hinüber: »Ihr seid brave Kinder, dass ihr es nicht haben wollt, dass eine Schande auf dem Loneli sitze, und ihr es rechtfertigt, und ich danke euch. Und ich möchte euch auch eine Freude machen, wartet einen Augenblick.«
Dann verschwand die Apollonie vom Fenster und bald nachher trat sie aus der Haustür mit einem grossen Korb voll frisch duftender Äpfel am Arm. Diesen stellte sie vor die Kinder hin und sagte ermunternd: »Nun greift zu!«
»Potztausend!« rief der Lux aus, als er seinen saftigen Apfel unter den Zähnen hatte, »die kenn ich, die wachsen nur auf dem Schlossgut, dort an den zwei Bäumen rechts in der Ecke beim Lattenhag. Weisst du, Kurt«, sagte er dann vertraulich, »mich nimmt’s nur wunder, wie sie einen solchen Korb voll erwischen konnte, ohne..., du weisst« - dabei machte er die unverkennbare Gebärde des Herrn Trius mit dem wohlbekannten Züchtigungsmittel.
»Was meinst du denn!« fuhr ihn Kurt entrüstet an, »die Frau Apollonie musste die Äpfel nicht erwischen, Herr Trius kann ihr schon ein paar Körbe voll Äpfel geben für alle Hemden, die sie ihm näht und flickt.«
»Ah so, das ist etwas anderes«, sagte Lux, eines Besseren belehrt.
In kürzester Zeit war der grosse Korb voll duftender Äpfel geleert, und nach vielen Ausrufungen des Dankes stob die Schar nach allen Richtungen auseinander, jedes dahin, wohin es gehörte. Kurt eilte so rasch davon, dass keiner ihn eingeholt hätte. Jetzt galt es, seine Schularbeiten schnell fertigzubringen; denn für später war ja ein zweiter Ausmarsch geplant. Bei der Haustür angelangt, bemerkte er, dass hinter ihm die Frau Amtsrichter einherschritt und dem Hause nahte. Er rannte zu, riss die Tür der Wohnstube auf und rief hinein: »Räumt das Mäzli aus dem Wege, sonst kommt sicher wieder etwas Schreckhaftes zum Vorschein, aber schnell!« dann lief er wieder weg. Bruno und Mea, die an ihren Beschäftigungen im Zimmer sassen, fanden es nicht für nötig, Kurts Befehl Folge zu leisten, konnte er doch selbst tun, was ihm so notwendig schien; sie blieben beide sitzen. Mäzli war