Название | Philosophische und theologische Schriften |
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Автор произведения | Nicolaus Cusanus |
Жанр | Философия |
Серия | Kleine philosophische Reihe |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783843800983 |
Auf diesem Wege kann die Vernunft durch Vergleichung des Größten mit der unendlichen Linie sich helfen und im Heiligtum des Nichtwissens (in sacra ignorantia) große Fortschritte machen; denn das sehen wir nun klar, daß wir Gott nur durch Entfernung der Partizipation aller Dinge finden. Alles partizipiert an dem Sein. Nehmen wir dieses Partizipieren hinweg, so bleibt das einfachste Sein selbst, die Wesenheit der Dinge übrig. Der große Dionysius sagt, die Erkenntnis Gottes führe mehr zum Nichts als zu Etwas hin. Das heilige Nichtwissen belehrt uns aber, daß, was der Vernunft Nichts zu sein scheint, eben das unbegreiflich Größte ist.
ACHTZEHNTES KAPITEL
Das Bisherige führt uns auch zum Verständnisse
des Partizipierens an dem Sein
Lebhaft durch das Bisherige angeregt, forscht unser unersättlicher Erkenntnistrieb mit größter Lust weiter, wie er sich das Partizipieren an dem einen Größten noch deutlicher denken möge, und indem er wieder die Vergleichung mit der unendlichen, der geradesten Linie zu Hilfe zieht, sagt er:
Die krumme Linie, die ein Mehr oder Weniger zuläßt, kann nicht die absolut größte sein, sie ist als krumme Linie an sich nichts, weil das Krumme der Abfall vom Geraden ist. Das Sein der krummen Linie rührt also von der Teilnahme an der geraden Linie her, denn die absolut größte oder kleinste Krümmung ist eben das Gerade. In ähnlicher Weise partizipieren nun die Dinge an dem Sein, wie das Krumme am Geraden. Wie aber die gerade endliche Linie einfacher und unmittelbarer, die krummen aber vermittelst der geraden an der unendlichen Linie partizipieren, so ist es auch bei den wirklichen Dingen, woraus sich der Unterschied von Substanz und Akzidens und der größere oder geringere Wert der Substanzen und Akzidenzen ergibt. Das adäquateste Maß für beide ist das Größte, das eben deshalb selbst weder Substanz noch Akzidens ist, indes doch eher den Namen von dem unmittelbar am Sein Partizipierenden, der Substanz, entlehnt und daher mit dem großen Dionysius das mehr als Substantiale33 d. i. das Supersubstantiale genannt wird.
NEUNZEHNTES KAPITEL
Übertragung des Dreiecks auf die Trinität des Größten
Lassen wir uns nun über den Satz: »Die größte Linie ist das größte Dreieck« durch unser System des Nichtwissens belehren!
Die größte Linie ist ein Dreieck, und weil die größte Linie die einfachste ist, so ist sie das einfachste Dreifache (trinum) und jeder Winkel des Dreiecks eine Linie, da das ganze Dreieck Linie ist. Die unendliche Linie ist also dreifach, und da es nicht mehrere unendliche geben kann, ist diese Dreiheit Einheit. Ferner: Da der der größeren Seite entgegenstehende Winkel größer und hier von einem Dreieck die Rede ist, das unendliche Seiten hat, so sind die Winkel die größten und unendlich. Einer ist daher nicht kleiner als die anderen, noch zwei zusammen größer als der dritte. Einer ist daher im andern, und alle drei sind das eine Größte. Sodann: Wie die größte Linie nicht mehr Linie ist als Dreieck, Kreis oder Kugel, sondern in Wahrheit alles dieses ist ohne Zusammensetzung, so ist auch das Größte wie die größte Linie, und dies können wir die Wesenheit nennen, wie das größte Dreieck, – das ist die Dreieinigkeit, wie der größte Kreis – die Einheit, wie die größte Kugel – die höchste Wirksamkeit. Die Wesenheit ist nichts anderes als die Dreieinigkeit, diese nichts anderes als die Einheit etc. Wir haben hier nicht einen Winkel, dann noch einen und endlich einen dritten, wie bei endlichen Dreiecken, die etwas Zusammengesetztes sind, sondern das eine ist ohne Vervielfältigung dreifach (unum triniter est). Mit Recht sagt daher der gelehrte Augustin : So wie du anfängst die Dreieinigkeit zu zählen, so verlierst du die Wahrheit. In den göttlichen Dingen muß man in einem einfachen Begriffe, soweit es nur immer möglich ist, die Gegensätze in Eins zusammenfassen, indem man ihrem Auseinanderfallen in Gegensätze zuvorkommt. (Oportet enim in divinis simplici conceptu, quantum hoc possibile est, compecti contradictoria, ipsa antecedenter praeveniendo.) So darf man in den göttlichen Dingen nicht Unterscheiden und Nichtunterscheiden als zwei Gegensätze (contradicentia) auffassen, sondern muß sie a priori (antecedenter) in ihrem einfachsten Prinzip fassen, wo Unterscheiden und Nichtunterscheiden noch nicht etwas Verschiedenes sind; dann versteht man, daß Dreiheit und Einheit dasselbe sind. Denn wo Unterscheiden zugleich Nichtunterscheiden ist, da ist die Dreiheit Einheit, und umgekehrt: Wo Nichtunterscheiden zugleich Unterscheiden ist, da ist die Einheit Dreiheit. So verhält es sich auch mit der Mehrheit der Personen und der Einheit des Wesens; denn wo Mehrheit Einheit ist, ist die Dreiheit der Personen dasselbe wie die Einheit des Wesens, und umgekehrt: Wo die Einheit Mehrheit ist, ist die Einheit des Wesens Dreiheit in den Personen. Klar sieht man dies an unserem Beispiele, wo die einfachste Linie Dreieck ist und das einfachste Dreieck eine Linie. Man sieht hier auch, daß man die Winkel dieses Dreiecks nicht zählen kann, denn jeder ist in jedem, wie der Sohn sagt: »ich im Vater und der Vater in mir.« …
ZWANZIGSTES KAPITEL
Fortsetzung; Vierheit etc. ist im Göttlichen nicht möglich
Das Dreieck ist die einfachste Figur, auf welche jedes Polygon reduziert werden kann. Das absolut größte, oder was dasselbe ist, das absolut kleinste Dreieck faßt alle möglichen Polygone in sich; die vier- und mehrseitige Figur ist also nicht die kleinste, weil die dreiseitige kleiner als sie ist, sie ist folglich auch nicht ohne Zusammensetzung. Es kann mithin dem Größten als dem Einfachsten, das nur mit dem Kleinsten koinzidiert, die vier- und mehrseitige Figur, die stets zusammengesetzt ist, nicht korrespondieren, sie könnte auch unmöglich das adäquateste Maß der Dreiecke sein. So wie daher nur das Dreieck die nächsthöhere Potenz der Linie ist für alle rechtwinkligen, der Kreis für alle kreisförmigen Flächen, die Kugel für alle Breiten und Tiefen, diese aber, unendlich gedacht, Eines sind, und weitere Potenzen der Linie unmöglich, so ist auch in dem Größten keine Vierheit oder Vielheit möglich, sondern die Dreiheit, welche Einheit, ist das einzige adäquateste Maß aller Dinge. Dahin gehören alle Tätigkeiten, die sich in Potenz, Gegenstand und Wirksamkeit verlaufen, alle Operationen des Erkennens, alle Tätigkeit der Natur, die aus einem Wirkenden, Leidenden und dem Resultate aus beiden besteht.
EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Übertragung des unendlichen Kreises auf die Einheit
Der Kreis ist die vollkommene Figur der Einheit und Einfachheit. Das Größte, unter dem Bilde des unendlichen Kreises betrachtet, ist daher die absolute Einheit und Identität seines Wesens, ohne Verschiedenheit und Anderssein, so daß seine Güte nicht etwas anderes ist als seine Weisheit, sondern dasselbe. Alle Verschiedenheit (diversitas) ist in ihm Einheit. Da mithin seine Macht, wenn ich so sagen darf, die geeinteste (unissima) ist, so ist sie auch die stärkste und unendlichste (infinitissima). In der geeinigten Dauer des Größten ist die Vergangenheit nicht etwas anderes als die Zukunft und die Zukunft nichts anderes als die Gegenwart – Ewigkeit ohne Anfang und Ende. Da im größten Kreise auch der Durchmesser der größte ist, und es nicht mehrere Größte geben kann, so ist der größte Kreis so sehr geeint (in tantum unissimus), daß Durchmesser und Umkreis Eins sind. Ein unendlicher Durchmesser hat aber auch eine unendliche Mitte oder Zentrum. Im größten Kreise sind mithin Zentrum, Durchmesser und Peripherie Eins. Daraus folgert unser System des Nichtwissens (ignorantia nostra), daß das Größte auch auf das Vollkommenste in allem ist, einfach und unteilbar, weil das unendliche Zentrum,