Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох

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Название Gesammelte Werke von Sacher-Masoch
Автор произведения Леопольд фон Захер-Мазох
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207350



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rascher. Es fallen nur leichte wässerige Flocken. In der Ferne aber ist noch Alles umhüllt. Wieder halten wir, berathen.

      Die Nacht bricht an, trübe, wolkige Dämmerung breitet sich aus, wickelt uns immer mehr ein. Der Jude peitscht die Pferde, sie werfen die Füße in immer rascherem Tacte. Da liegt ein glührother Streifen am Horizont. Wir wenden uns auf ihn zu. Jetzt war es, als sei der rothe Mond auf die Erde gefallen und liege da im Schnee und verlösche; es loderte empor und beleuchtete starke dunkle Schatten.

      »Es ist die Bauernwache beim Birkenwäldchen,« sagte der Jude, »und hinter dem Wäldchen liegt Tulawa.«

      Wie wir näher kamen stand das kleine Birkenwäldchen wie eine dunkle Wand gegen uns, stellenweise grell beleuchtet von dem ungeheuren Feuer, das die Bauernwache am Rande desselben emsig unterhielt. Das Feuer lag im Halbkreise gegen den Wald, so daß der Wind, der hie und da gegen die kleinen Birken stieß, die Flammen nach außen trieb. Der Rauch zog langsam gegen den Wald, wo er stückweise an den Bäumen hängen blieb und leise verflog.

      Ein warmer leuchtender Dunst lag um das Feuer; die an demselben Wache hielten, tauchten jetzt wie Schatten darin auf. Der Jude winkte ihnen.

      Sofort versanken sie wieder, nur Einer kam uns entgegen.

      »Es ist der Balaban,« sagte Leb Kattun. »Kennen Sie ihn nicht? Es ist der Capitulant.«

      Es war ein verabschiedeter Soldat, der Feldhüter der Gemeinde Tulawa, ein in seiner Gegend besonders angesehener pflichttreuer Mann. Ich hatte mehr als einmal von ihm gehört, aber bisher keine Gelegenheit gehabt, ihn kennen zu lernen, ich betrachtete ihn daher mit einigem Interesse. Seine hohe Gestalt und Haltung, sein Kopf, seine freie, maßvolle Bewegung machten mir sofort einen ganz bestimmten Eindruck von Festigkeit. Sein Gruß war artig aber nicht demüthig.

      »Hat Ihnen der Sturm viel gemacht?« fragte er und sah nach den Pferden. »Nun, ich will hoffen der Kutscher hat seine Schuldigkeit gethan?«

      Alles wie ein Cavalier, bei dem man einkehrt, mit ebensoviel Grazie als Würde. Mit einer vornehmen Handbewegung lud er mich zu dem Feuer ein. »Die Pferde sind matt, schwitzen,« sagte er; »dann die Finsterniß – Sie werden rasten müssen.«

      »Das wollen wir auch,« entgegnete ich, denn mich zog die Gesellschaft am Feuer an, und der Capitulant. Wie der mich führte, lief ihm ein Bube entgegen.

      Dem strich er mit der Hand sanft über den weißen Kopf. Da war es nicht derselbe. Ich sah, das ist ein Mensch, mit dem man nicht auf den ersten Blick fertig ist.

      Die Leute am Feuer standen auf.

      »Nun, was macht Ihr da?« sagte ich.

      Alle blickten auf den Capitulanten.

      »Die Gutsbesitzer aus der Nachbarschaft,« sagte dieser ernst, »wohl noch andere Polen, fahren heute nach Tulawa in den Hof des Herrn. Sie haben dort gewiß Emissäre und Schriften und verabreden sich. Mancher kommt ohne Paß. Man muß also seine Schuldigkeit thun. Vielleicht kommt etwas zum Vorschein. Das ist die ganze Historie.«

      »Ja, wir halten Wache!« sagte der Bub.

      »In diesem Sturm!« rief ich.

      »Nun, man thut seine Schuldigkeit!« antwortete der Capitulant; »wenn wir sie übersehen im Schneegestöber, waren wir doch da.«

      Er verstand also gar nicht, daß ihn der Kampf der Elemente, die Gefahr abhalten könnten zu thun, was er für seine Pflicht hielt; das war merkwürdig.

      Er nahm die Pferde bei der Mähne vorne und führte den Schlitten an das Feuer, zog eine Decke aus demselben und breitete sie für mich aus.

      »Die Erde ist trocken,« versicherte er. »Wir liegen seit früh da und unterhalten ein Feuer, bei dem man einen ganzen Ochsen braten könnte.«

      Es lag die Asche auch mehrere Schritte weit herum und war ganz warm. Die Flammen standen aufwärts oder schlugen aus dem Kreise, in dem wir uns lagerten. Die Schneeflocken kamen wie silberne Falter und sanken mit versenkten Flügeln in die Gluth.

      »Auch die von Zawale kommen,« bemerkte der Bub.

      »Freilich, die hübschen Frauen machen alle gerne Revolution,« sagte ich.

      »Kommt sie auch, die Frau?« fragte der Jude, und seine Finger trommelten auf der Achsel des Capitulanten.

      »Was weiß ich,« sagte dieser und machte eine Bewegung mit dem Kopfe wie ein Pferd, das eine lästige Fliege fortscheuchen will. Einen Augenblick leuchtete in seinem Auge etwas Verstecktes, Außerordentliches auf, während sein Gesicht unverändert blieb; dann starrte er in den Rauch, der gegen die Birken zog.

      Es war ganz stille, nur der Wind blies leise in das Feuer. Ich legte mich auf das Ohr und sah mir die Leute an.

      Ich kannte den Bauer, welcher mit der Sense an der Waldecke Wache hielt und von Zeit zu Zeit herankam, mehr um zu hören, was die am Feuer sprachen, als sich zu wärmen. Er hieß Mrak und hatte das entschlossene, ernsthafte Gesicht wie man es bei unsern Bauern gewöhnlich sieht.

      Ein anderer, der mir zunächst am Feuer hockte, war mir fremd. Es war ein grämlicher Kerl im haarigen mausfarbenen Serak sein Kopf wie ein Fallschirm, oben spitz, unten breit, trug ein kleines Mützchen von schmutzigweißem Lammfell. Wie ich ihn von der Seite sah, schien er mir wie schlecht ausgeschnitten aus altem, schäbigen grauen Pappendeckel, seine Nase besonders lang, spitzig, dünn und filzig. Der Mund war in der Scheere geblieben, das Kinn wie verloren in den Hals. Auch der Faltenwurf seines farblosen Gesichtes war so ungeschickt, der ganze Mensch wie zerkrüppelt, das Feuer übertrieb noch seinen Schattenriß und warf ihn unwiderstehlich komisch in den Schnee.

      Neben ihm lag Einer platt auf dem Bauche, den der kleine pudelblonde Jur Vetter Mongol nannte. In der Nähe liegt ein Schlachtfeld, auf dem eine Horde der Tartaren vor mehr als zweihundert Jahren eine blutige Niederlage erlitten hat. Mit den Gefangenen wurden verwüstete Dörfer bevölkert. Ich kann leicht wetten, daß unser Mongol von da abstammt. Er ist nicht halb so lang als der ganze ausgereckte Pappendeckelmann, aber der kleine Topf steht fest. Der bloße Nacken schwillt ihm voll Kraft, er liegt in leinener Hose und Leinwandkittel, die offene Brust in der heißen Asche, die nackten Beine im Schnee. Auch an dir Bruder Mongol ist Alles lüderliche Arbeit, wie haben sie dir nur die breiten Hüften und die mächtige Brust so zusammengeschoben, und erst dein Gesicht, oder was du dafür ausgiebst! Da haben sie dir ein paar so elende kleine Löcher gemacht für deine lebhaften schwarzen Augen, daß deine Haut dafür beim Maul die abscheulichsten Falten macht. Die Augen schief hinab geschlitzt und die kleine Nase nach oben gedrückt, mit Nasenlöchern, wovon eines genug wäre für deine beiden Augen. Dafür bist du auch gelb wie der Neid in der Zauberposse und ziehst die gewirkte Tschapka über das dünne drahtsteife schwarze Haar bis an die spitzen langen Ohren hinab.

      Die Hauptperson war offenbar der Capitulant, Frinko Balaban.

      Wie alt er war? Wer wollte das genau bestimmen, aber er war ein Mann.

      Ein Mann, der nicht zu übersehen war – im Gliede so wenig als in der Gemeinde, als hier am Feuer der Bauernwache. Ein brauner erdfahler Rock von einem schwarzlackirten Pas gehalten, kleidete ihn schlank und stattlich. Er hatte ihn bis oben zugeknöpft, hatte der Einzige ein verblichenes altes Tuch um den Hals geschlungen, und die abgenutzte blaue Soldatenhose städtisch über dem Stiefel. Am Gurt hing ihm der Tabaksbeutel aus einer Schweinsblase, aus dem er die kleine Pfeife stopfte, und das lange Messer. Die andern waren mit Sensen und Dreschflegeln bewaffnet, er hatte eine einläufige Flinte quer über die Kniee gelegt. Neben zwei Dienstzeichen hatte er noch ein drittes Band auf der Brust. Die runde hohe Lammfellmütze verlieh seinem feinen Kopfe die Würde eines Rabbi und die Wildheit eines Janitscharen, sie half dem kurz geschnittenen braunen Haar ein merkwürdiges Antlitz einrahmen, ein Antlitz mit sanften Linien, feiner Nase, feinem Munde, von dem Felddienst mit jener schönen Bronce überzogen, welche mit den beiden wehmüthigen Linien des Mundes und dem herabhängenden Schnurrbart unserem Soldaten ein so eigenthümliches Gepräge gibt. Aber sein ehrliches Auge war unter den festen Brauen so versunken, so feucht wie mit Thränen gefüllt, es blickte ruhig, erkenntnißvoll, daß es Einem wehe that. Das war es und die Stimme.