Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох

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Название Gesammelte Werke von Sacher-Masoch
Автор произведения Леопольд фон Захер-Мазох
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207350



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mit den Augen zwinkert.

      Der Kosak hat in der Nähe der Entenlache einen halbzerbrochenen Topf aufgestellt, Nikolas muntere Frau verbindet ihrem Tänzer von vorhin die Augen, andere junge Burschen kommen herbei und schicken sich zum Topfschlagen an.

      Ich gehe langsam durch den Hof, die Hühner atmen leise im Schlafe, der Hund knurrt, zieht Luft, beginnt zu wedeln.

      Hinter dem Edelhofe ist alles still.

      Ich betrete eine kleine Wiese und lege mich in einen Heuschober.

      Ringsum tiefe Ruhe, kein Schrei eines Vogels, kein Ton einer Hirtenpfeife, feuchter Duft steigt auf, die weite Ebene ist mit Mondlicht gefüllt, der Himmel mit Sternen, die Milchstraße steht klar und ruhig. Jetzt schluchzt eine Nachtigall nahe. Zehn Schritte weit ragt ein vom Monde halbversilberter Busch. Dort wird es sein. Eine zweite antwortet, die Nacht, die tiefe Stille tragen die süßen Töne.

      Das kurzgeschnittene trockene Gras knistert und bricht, ein Schritt, noch einer, so sachte? Von der Weide seitwärts tönt der zärtliche Lockruf einer Katze.

      Jetzt naht es dem Schober, ich richte mich auf, es ist ein Weib, das wie erschreckt stille steht, es ist Jewa.

      »Sie sind es, Herr!« sagte sie ruhig.

      Ich halte sie bei der Hand. »Und wen suchst Du?« frage ich. Sie schweigt, aber hält meinen Blick aus, zuckt mit keiner Wimper »Du suchst den Waldhüter«, fahre ich fort Jewa schweigt Sie schlägt das Auge nicht nieder, aber es flammt auf Ihre Pupille wird groß, wie die einer Katze, die im Mondlicht wandelt.

      »Du suchst ihn nicht?«

      »Ich such’ ihn, ja!« entgegnete sie leise, aber entschieden, »er ist mein, ich suche ihn. Schimpfen Sie mich also«

      »Warum soll ich Dich schimpfen?« fragte ich »Weil es alle tun, weil es so ist in der Welt«, sprach sie, alles fest, Auge in Auge.

      »Ich schimpfe Dich nicht«

      »Sie lachen also auch über diese Welt«, sprach sie und stieß ein verachtungsvolles Lachen aus. Die Stille brachte es weit in die Ebene, welche es endlich verschlang Die Nachtigall schwieg, sogar die Katze schwieg »Was sind mir die Menschen, was ist mir das Urteil der Welt7 Was der Galgen ist für einen tapferen Karpatenräuber.«

      Ich ließ ihre Hand los, sie zog das Hemd über der halbentblößten klassischen Brust zusammen und fuhr fort: »Sie sind doch keine schön wie ich. Der Pfarrer sieht mich bei der Predigt bei gewissen Stellen strafend an, begegnet er mir aber allem im Walde, so klatscht er mir mit seiner fetten Hand über den Nacken oder die Hüfte. Sie schimpfen mich, weil ich nicht heucheln kann, wie sie und ihre Weiber und Mädchen. Weil ich einen Mann ansehe, wenn er mir gefällt, weil ich mit ihm spreche, wenn er mich unterhält, weil ich—«

      »Nun?«

      »Weil ich ihn küsse«, rief sie, »wenn ich ihn liebe, und wenn er krank vor Liebe ist, sage ›Komm’ heute Nacht zu mir‹ – Lebt man denn, um ein ehrbares Begräbnis zu erhalten, oder-«

      »So nimm Dir einen Mann.«

      »Ich will nicht«, sprach sie stolz, »ich will mich nicht einem Manne verkaufen, wie ein Vieh, und sein gehören, wenn er will. Ich will frei sein, ich will eine wilde Katze bleiben unter den zahmen, ich lache über diese Welt.«

      Wieder brach das trockene Gras.

      Jewa horchte, einen Augenblick stand sie regungslos im Mondlicht, den Arm erhoben, dann sprang sie davon.

      Ich kehrte durch den Edelhof zurück und trat auf die Veranda. Gestützt auf die dürre Galerie, in der leise der Holzwurm pickte, sah ich hinab in das Gewühl des Erntefestes.

      Niemand war betrunken, aber alles aufgelöst. Der Kosak hieb mit verbundenen Augen, den Rücken dem Topfe zugekehrt, wütend um sich, mit den Füßen ausschlagend, so daß er jedesmal den Topf zu zertreten schien, auf dem Plan am Fuße des Hügels hatten sie ein Feuer angemacht und tanzten einen wilden Reigen um dasselbe; zwischen den Tischen stand der alte Stephan und sang mit heiserer Stimme ein Kosakenlied, wozu der Kirchensänger kopfschüttelnd die Baßgeige strich.

      Jetzt winkte Herr Nikola mit branntweinseligen Augen ein paar junge Burschen herbei und schlich mit ihnen um das Haus.

      Ich folgte einige Schritte auf der Veranda, dann mit meinem Blicke.

      Die lustige Bande hockte sich im Gebüsch nieder und stimmte auf einmal gellend ein ausgelassenes Spottlied an. Der Refrain tönte besonders ergötzlich in wunderlichen Katzenmelodien.

      Sie aber, der das Spottlied galt, saß auf einem Aste der Weide, und zu ihren Füßen Dmitro, der Waldhüter, den schönen Kopf an ihr Knie gelehnt.

      Sie vergrub beide Hände beinahe wild in seinen Locken und lachte.

      Der Capitulant

       Inhaltsverzeichnis

      Lieb ist nicht Liebe,

       Die Trennung oder Wechsel könnte mindern,

       Die nicht unwandelbar im Wandel bliebe.

      Shakespeare. Sonnet 140.

      Wer in leichter Gondel im stillen Meere schwimmt, das Element mit sich spielen, die schattenhaft gezeichneten Ufer des festen Landes, der Inseln hinter sich versinken läßt, die Luft über sich, ein zweites Meer mit wogenden Wolken ahnungsvoll schaut, wird mich vielleicht verstehen, wenn ich von der galizischen Fläche, dem winterlichen Schneeocean, der Fahrt in dem flüchtigen Schlitten berichte. Es zieht die Menschenseele wehmüthig sehnsuchtsvoll an, der Ocean wie die Ebene. Nur ist der Flug im Schlitten rascher, adlerhafter – während sich der Kahn im Wasser wie eine Ente in der Luft wälzt – nur ist die Farbe der unendlichen Fläche, ist ihre Melodie ernster, düsterer, drohender, man sieht die Natur in ihrer Nacktheit, den Kampf des Daseins, man fühlt den Tod näher, man empfindet seine Atmosphäre, man hört seine Stimmen.

      Mich lockte der lichte Winternachmittag hinaus. Ich hatte die Fahrt beschlossen, mein Fuchs war krank, nicht jedes Pferd geht gut im Schnee, ich ließ den Mausche Leb Kattun kommen, einen großen Kutscher vor dem Herrn, und seine verläßlichen Pferde vor meinen Schlitten spannen. Der Tag war prächtig, die Luft stand still, auch das Licht, die goldenen Sonnenwellen zitterten nicht im leichten Dunste der Erde. Luft und Licht waren ein Element. Auch im Dorfe war Alles still, kein Ton verrieth die Bewohner der schweigsamen Strohhütten, nur die Sperlinge flogen an den Zäunen in Schaaren auf und schrieen.

      Weiter stand ein kleiner Schlitten mit einem hinkenden Pferdchen bespannt, nicht größer als ein Fohlen; auf dem führte ein Bauer Holz aus dem Walde, sein halbgewachsenes Mädchen rief ihn und watete mit bloßen Füßen durch den ellenhohen Schnee nach einem kleinen Scheite, das er verloren hatte.

      Wie wir den kahlen Berg hinabflogen mit klingenden, hellen Glöckchen, lag die Ebene vor uns, unermeßlich, unfaßbar, unendlich. Der winterliche Hermelin gab ihr die höchste Majestät. Sie war ganz von ihm bedeckt, nur die kahlen Stämme der niederen Weiden, entfernter einzelne langatmige Heidebrunnen, in der Ferne ein paar verlorene rußige Hütten, zeichneten sich schwarz auf dem weißen Schneepelz.

      Mausche Leb Kattun schüttelte sich und schrie. Der erste Blick in die Ebene wirkte bei ihm wie schnelles Gift; seine palästinische Phantasie begann in biblischen Phrasen zu reden, sie kam mit einem einzigen Flügelschlag aus der Region der Pelzthiere in jene der Palmen und Zedern; es warf ihn auf dem Bocke wie einen Fieberkranken, er grub in seinem Hirn nach tausend Bildern für das eine Unfaßbare, das ihn quälte, er spuckte die Gleichnisse zu Dutzenden aus, bis ich ihn schweigen hieß. Jetzt murmelte er vor sich hin. Ich weiß nicht, ob er das Gespräch mit sich selbst fortsetzte, ob er betete? ob er endlich das Gleichniß gefunden? ein unendliches weißes Papier, auf das er seine unendlichen Rechnungen schrieb und zählte, und zählte.

      Wir flogen auf der festen Bahn dahin.

      Drüben lag ein Hof, hinter ihm ein Dörfchen; der Schnee