Название | Dr. Daniel Paket 1 – Arztroman |
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Автор произведения | Marie Francoise |
Жанр | Языкознание |
Серия | Dr. Daniel Paket |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740948535 |
Marina seufzte, dann wandte sie den Kopf zur Seite.
»Ich verstehe schon«, murmelte sie endlich und versuchte dabei, die Angst in sich zu unterdrücken, daß es immer so bleiben würde. Sie war allein, und Gerhard hielt sich bei seiner Familie auf. Sie hatte einen Mann und doch keinen. Sollte so ihr ganzes weiteres Leben verlaufen?
*
Nach zwei Tagen hatte sich Livia Mangano schon wieder recht gut erholt. Das stellte auch Dr. Sommer fest, als er mit seinem Team zur morgendlichen Visite kam. Er bemerkte aber auch noch etwas anderes. Die junge Frau sah nämlich erleichtert, ja sogar richtig glücklich aus. Dr. Sommer hatte schon eine Menge Frauen in der Klinik gehabt, die eine Fehlgeburt erlitten hatten, und alle waren danach förmlich gebrochen gewesen, manche hatten in der Folge sogar eine psychiatrische Behandlung gebraucht.
Ich könnte wetten, daß Robert recht hat, dachte Dr. Sommer, während er Livia betrachtete. Sie hatte die Fehlgeburt gewollt, und jetzt war sie mit sich und der Welt zufrieden.
»Wann kann ich entlassen werden, Herr Doktor?« fragte Livia und riß Dr. Sommer damit aus seinen Gedanken.
»Ein paar Tage werden Sie schon noch bei uns bleiben müssen, Frau Mangano«, meinte Dr. Sommer. »Ich will sichergehen, daß wirklich alles in Ordnung ist – nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Bei manchen Frauen kommt der Schock über eine erlittene Fehlgeburt nämlich erst später.«
Im selben Moment begriff Livia, daß sie einen Fehler gemacht hatte. Ein Blick in Dr. Sommers Gesicht zeigte ihr, daß er sie durchschaut hatte. Rasch senkte Livia den Kopf. Sie mußte ihren Fehler unbedingt wieder ausbügeln.
»Der Schock«, wiederholte sie leise. »Wissen Sie, Herr Doktor, ich habe von frühester Kindheit an gelernt, mich zu beherrschen – und das in jeder Situation.«
Dr. Sommer glaubte ihr kein Wort, deshalb enthielt er sich auch jeglichen Kommentars.
»Trotzdem möchte ich Sie noch ein paar Tage zur Beobachtung hierbehalten«, erklärte er, nickte Livia verabschiedend zu und verließ mit seinem Team das Zimmer.
»Eine eigenartige Frau«, urteilte der Oberarzt. »Sie trauert dem Kind, das sie verloren hat, nicht besonders nach.«
Dr. Sommer nickte. »Diesen Eindruck habe ich auch.« Dann zuckte er die Schultern. »Das ist nicht unser Problem, meine Herren. Kümmern wir uns um die nächste Patientin.«
Damit verschwand das Team im gegenüberliegenden Zimmer. Hätte Dr. Sommer noch einmal zurückgeblickt, so wäre ihm Ricky Schermann vielleicht aufgefallen, der mit bleichem Gesicht in der Nische zwischen Flur und Lift stand. Er hatte sowohl die Bemerkung des Oberarztes als auch Dr. Sommers Antwort gehört, und jetzt war er völlig verunsichert.
Livia hatte doch so schrecklich geweint, nachdem sie aus der Narkose erwacht war. Und auch gestern hatte er sie nur mit Mühe beruhigen können. Er hatte doch gespürt, wie schwer sie am Verlust ihres Babys litt, und je mehr Livia gelitten hatte, desto größer war Rickys Wut auf Dr. Daniel geworden. Nach wie vor war er nämlich der festen Überzeugung, daß der Arzt die Lage völlig falsch eingeschätzt hatte.
Wenn aber die Bemerkung des Oberarztes zutraf…
Ricky kam nicht dazu, diesen Gedanken zu Ende zu führen, denn in diesem Moment öffnete sich die Tür von Livias Zimmer, und sie warf einen prüfenden Blick heraus. Sogar auf diese Entfernung konnte Ricky feststellen, daß sie sich heute geschminkt hatte, und er erkannte auch gleich den Grund dafür.
»Frau Mangano, ich glaube nicht, daß Sie schon herumlaufen sollten.«
Die Stimme gehörte einem jungen Arzt, der jetzt mit einem strahlenden Lächeln auf sie zutrat.
»Das würde dem Herrn Chefarzt sicher nicht gefallen«, fuhr er fort. »Sie haben eine Menge Blut verloren.«
Haltsuchend griff Livia an seinen Arm. »Ich fühle mich auch noch ein wenig schwindlig, Herr Doktor.« Und dabei kokettierte sie so offensichtlich, daß Ricky am liebsten hingegangen wäre und sie geschüttelt hätte.
»Kommen Sie, Frau Mangano, ich bringe Sie zum Bett zurück.«
Damit verschwanden beide in Livias Zimmer, und es schien Ricky eine Ewigkeit zu verstreichen, bis der junge Arzt wieder herauskam und sich jetzt der Visite anschloß.
Ricky wartete noch, bis die Ärzte verschwunden waren, dann trat er aus der Nische, zögerte einen Moment und ging dann auf Livias Zimmer zu. Ohne anzuklopfen trat er ein.
Livia erschrak sichtlich. »Ricky, du?«
»Hast du jemand anderen erwartet?« fragte er und konnte nicht verhindern, daß seine Stimme dabei ein wenig heiser klang.
»Unsinn«, widersprach Livia, doch ihre Unsicherheit war nahezu körperlich spürbar.
»Du hast dich geschminkt«, hielt Ricky ihr vor.
Allmählich gewann Livia ihre Sicherheit jedoch zurück. »Natürlich. Ich muß schließlich wieder zu einem normalen Lebensrhythmus zurückfinden.«
Ricky bedachte sie mit einem prüfenden Blick. »Ist es nicht eher so, daß dir die Fehlgeburt sehr gelegen kam?«
Livias Entsetzen war echt – allerdings weniger über die Unterstellung an sich, als über die Tatsache, daß Ricky ihr offensichtlich auf die Schliche gekommen war.
»Bist du verrückt?« herrschte sie ihn an. »Wie kommst du nur dazu, mir so etwas vorzuwerfen?« Und dann zauberte sie tatsächlich ein paar Tränen in ihre Augen – eine Glanzleistung, für die jede Schauspielerin sie brennend beneidet hätte. »Ich werde diesen Verlust niemals verwinden.«
Livias Worte und vor allem ihre Tränen machten Ricky wieder unsicher. Und sie war gerissen genug, um es auch zu bemerken.
»Dein Mißtrauen tut sehr weh, Ricky«, schluchzte sie leise. Livias Plan ging auf. Spontan setzte sich Ricky zu ihr und nahm sie in die Arme.
»Es tut mir leid, Liebling«, beteuerte er. »Ich… ich dachte…« Er stockte, dann beteuerte er nochmals: »Es tut mir leid.«
Livias triumphierendes Lächeln sah er nicht, und plötzlich war es ihm ein Rätsel, wie er überhaupt zu dem schrecklichen Verdacht gegen Livia gekommen war. Schließlich mußten sie gerade jetzt zusammenhalten, um den schweren Verlust, den sie beide erlitten hatten, zu verwinden.
*
Unmittelbar nach der Entlassung aus der Klinik ging Marina wieder zur Arbeit. Dr. Sommer hatte ihr zwar geraten, sich noch ein wenig zu schonen, doch zu Hause fiel ihr fast die Decke auf den Kopf. Das Wochenende war schon schlimm genug gewesen, denn Gerhard hatte wieder mal keine Zeit für sie gehabt. Und so stürzte sich Marina nun voller Elan in die Arbeit. Sie wollte alles vergessen – die Schwangerschaft, die keine gewesen war, den Klinikaufenthalt und die Einsamkeit, die sie zu Hause umgab, wenn Gerhard nicht bei ihr war.
Die Melodie von »Alle meine Entchen« unterbrach ihre trüben Gedanken. Mit einem gezwungenen, aber dennoch freundlichen Lächeln begrüßte Marina die eintretende Kundin.
»Guten Tag«, erwiderte die junge Frau, die mit Sicherheit schon im siebten oder achten Monat schwanger war. »Ich habe gerade die reizenden Babysachen in der Auslage gesehen.« Sie lächelte. »Wissen Sie, ich brauche noch meine ganze Erstlingsausstattung. Bisher ließ mir der Beruf keine Zeit dazu, aber seit gestern bin ich nun endlich in Mutterschutz.« Sie errötete ein wenig. »Meine Güte, das wird Sie wohl kaum interessieren.«
Marina fand die junge Frau auf Anhieb sympathisch.
»Ich kann mir schon vorstellen, daß es nicht ganz einfach ist, Beruf und Schwangerschaft unter einen Hut zu bringen«, meinte sie.
»Da haben Sie recht.« Dann lachte die Frau glücklich auf. »Aber ich darf mich ja gar nicht beklagen. Schließlich sind mein Mann und ich ganz glücklich, daß es endlich geklappt hat. Es hat ja ohnehin so endlos lange gedauert, und manchmal hatte ich die Hoffnung schon fast aufgegeben.