Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

Читать онлайн.
Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



Скачать книгу

mehr dazukommt.«

      Der liebe Gott muß nicht recht verstanden haben; kaum ist der Altartisch fertig, rückt dem Vorhacker der neunte Bub auf die Welt.

      Um zu zeigen, daß es eine Ehre ist für den Wald, wenn so ein armer Mann ein gemeinnütziges Werk vollbringt, so nennen wir den Vorhacker, weil er auch einer ist, der seinen Namen nicht weiß – den Ehrenwald. – Der Name reicht für seine neun Buben und für weiteres.

      Der Franz Ehrenwald ist ein geschickter und strebsamer Kopf. Weil ihm der Altartisch gelungen ist, so will er sich nun ganz auf das Zimmer- und Tischlerhandwerk verlegen. Er hat sich schon eine Unzahl Werkzeuge gesammelt und zwei Körbe voll von Hobeln, Reifmessern, Bohrern, Sägen, Beilen, Stemmeisen und Dingen verschafft, die er gar nicht anzufassen weiß und sein Lebtag nicht brauchen wird. Aber die Werkzeugkörbe sind sein Stolz, und seine Buben können ihm keinen größeren Ärger verursachen, als wenn sie in ihren eigenmächtigen Tischlerarbeiten ihm etwan einen Bohrer verschleppen oder ein Messer schartig machen. Sie mögen nur brav das Handwerk lernen, die zwei Körbe werden ja einmal ihre Erbschaft sein.

      Ich habe mehrere Pläne für Wohnhäuser gezeichnet, wie sie gebaut werden sollen, daß sie dauerhaft, licht, luftig, leicht heizbar, für die Lebensweise der Leute geeignet und geschmackvoll sind. Nach solchen Plänen hat der Franz Ehrenwald bereits mehrere Häuser begonnen. Eines davon gehört dem Meisterknecht Paul in den Lautergräben. Die Bauten sind nicht kostspielig, da der Waldherr das Holz dazu umsonst gibt; auch sollen sie, sagt man, steuerfrei bleiben.

      So fängt das Geschäft des Meisters Ehrenwald gut an; er muß sich Gehilfen nehmen, und seine Buben werden ihm bald zu wenig sein. Auch geht er bereits mit einem Plan für sein eigenes Haus um. Letztlich, als ich einmal unten am Bache stehe und Forellen fische, kommt er sachte, ich weiß gar nicht, von woher, auf mich zu und lispelt mir geheimnisvoll ins Ohr: »Glaubt mir, mein neues Haus wird saggrisch toll, saggrisch toll wird's!« Kein Mensch sonst ist in der Nähe gewesen, und die Fische sind auch in der Winkel taub. Aber saggrisch toll – flüstert er leise –, wunderprächtig wird sein Haus! Der Mann ist schier kindisch vor Stolz; er ist auf seinem Fahrwasser; früher ist es gar keinem eingefallen, daß man auch in den Winkelwäldern stattliche Wohnungen bauen könne.

      Auf dem Kreuzwege

      Im Herbst 1818

       Inhaltsverzeichnis

      Oben, in der Öde des Felsentales, steht ein hölzernes Kreuz. Es ist dasselbe, welches emporgewachsen sein soll aus dem Samenkorne des Vögleins, das alle tausend Jahre in den Wald fliegt.

      Ich bespreche mich mit dem Förster und einigen der Ältesten. Hernach frage ich den alten Bartkopf und Fabelhans Rüpel, der sonst auch just kein wichtig Geschäft hat, ob er mit mir gehen wolle hinauf in die Karwässer und in das Felsental, und ob er mir das bemooste Kreuz wolle herabtragen helfen in das Winkel.

      Und so gehen wir an einem hellen Herbstmorgen davon.

      Beiden ist uns unsäglich wohl gewesen. Dem schattendunkeln Winkelbach haben wir Dank gesagt für sein Schäumen und Rauschen. Dem Wiesengrün haben wir Dank gesagt, daß es Wiesengrün ist, dem Taue und den Vöglein und dem Reh und dem ganzen Wald haben wir Dank gesagt. – Wir steigen über glatten Waldboden, wir steigen über verwittertes Gefälle und bemoostes Gestein. Die Bäume sind alt und tragen lange Bärte, mit jedem steht der Fabelhans auf brüderlichem Fuße. Auf den Weben der Moose begegnen uns Käfer, Ameisen, Eidechsen; wir grüßen sie alle, und lustflunkernde Schmetterlinge laden wir ein, daß sie mit uns kommen sollten zum Kreuze. Die kleine, bunte Welt hat davon nichts wissen wollen.

      Mein Gefährte ist ein sehr seltsamer Kauz. Wer ihn nicht kennt, der kann ihm nicht glauben. Aber unter den Waldmenschen gibt es einmal die wunderlichsten Leute. Draußen in der durchgebildeten und abgeschliffenen Welt nennt man solche Erscheinungen Dichter; hier heißen sie Halbnarren.

      Der Rüpel ist so ein Halbnarr. Sie heißen ihn auch den Fabelhans, weil er allfort was zu fabeln weiß; und sie heißen ihn den Reim-Rüpel, weil er – und das ist die Merkwürdigkeit – nicht zehn Worte sprechen kann, ohne zu reimen. Es ist eine tollwitzige Gewohnheit. Seine ganze Lebensgeschichte hat er mir unterwegs in Reimen erzählt. Die Reime haben zwar gottslästerlich geholpert; aber wer soll auf so steinigem Waldboden nicht holpern und stolpern? – Ich will es doch versuchen, mir seine Geschichte einzuprägen.

      »Ein Küsterbüblein bin ich gewesen«, hebt er an, »draußen in Holdenschlag steht's noch zu lesen. Wenn ich den Strick hab' geschwungen und die Glocken haben geklungen, hab' ich den Takt gesungen und den Schwengel nachgeahmt mit meiner Zungen. Beim Ministrieren hab' ich dem Pfarrer Wein in den Kelch gegossen; aber unter dem Wasserkrüglein hat er gleich gezuckt; kaum ein Tröpflein, ist er schon davongeruckt. Wasser und Wein, als Fleisch und Blut, das ist unser höchstes Gut, aber wer in den Kelch zu viel Wasser tut, der verdirbt das rosafarben' Christiblut. – Als ich von der Kirchen bin fortgekommen, hat mich ein Schmied in die Lehr' genommen. Der Blasbalg hat mit Gleichmaß angefangen und der Hammer ist taktfest mitgegangen, und der Amboß hat geklungen, sind die Funken gesprungen, und alles hat sich gefügt und gereimt, als war' es gehobelt gewesen und geleimt. Gerade meinem Meister hat's nicht angepaßt, da hat er mich nach dem Takt beim Schopf gefaßt. Und schaut, bei diesen taktfesten Dingen, Klingen, Singen und Springen hab' ich zum stillen Feierabendfrieden baß angefangen, Reime zu schmieden. Aber, wie auch geschmiedete Reime geraten, es sind keine Hufeisen, sind keine Spaten, und der Eisenschmied hat den Reimschmied bald verjagt hinaus in den Wald. – Im Wald hab' ich Moos gezupft und Wurzeln und Kräuter gerupft, bin federleicht geworden und mit dem Reh gesprungen, bin lustig geblieben, hab' mit den Vöglein gesungen. Der Förster, ein Vetter von mir, hat gedacht, ich kunnt bei dem Lungern gar leicht verhungern, und hat mich zum Jäger gemacht. – Wie ich die erste Büchs hab' umgehangen, haben die Tier' im Wald ein Freudenfest begangen. Ich hab' nach dem Wild geschossen und die blaue Luft getroffen, da bin ich dem Reh auf Versfüßen nachgeloffen. Das ist gar stehengeblieben: ich kunnt nach Belieben mich setzen auf seinen Rücken; auf so ungleichem Bein', das sehe es ein, könne das Gehen nicht glücken. – Das tat sich dem Förster nicht schicken, und von meinem Jagen und Schießen will er gar nichts mehr wissen. – Bin eine Weil' in der Welt herumgegangen, hab' allerlei angefangen; mit allerhand Herren tat' ich verkehren; teils haben sie mir gutherzig den Dienst aufgesagt, teils haben sie mich davongejagt. – Und schaut, so schleift es fort und so werd' ich alt, und so holper' ich wieder zurück in den Wald; und das ist mein Aufenthalt. Und wenn ich wo Leute find', die gutherzig und lustig sind, so mach' ich mich bescheiden und mit Freuden daran, und singe sie an; und singe zur Tauf und Hochzeit und anderer Lustbarkeit um ein Stücklein Brot; ist's auch schwarz und trocken, gesegne mir's Gott! Bin ich gesund und wird mir die Zungen nicht lahm im Mund, so leid' ich keine Not. Und ist es Zeit, so kommt der Herr Tod, ich bin bereit und gehe heim, und das ist der allerbeste Reim. Und hör' ich singen und Posaunen klingen, so steh' ich wieder auf. Und das ist des Reim-Rüpels Lebenslauf.«

      Ich möchte den Mann die wilde Harfe oder den Waldsänger heißen, oder den evangelischen Sperling; er säet nicht und erntet nicht und bettelt nicht, und die braven Winkelwälder ernähren ihn dennoch, während im weiten Land die Sänger hungern.

      Nach vielen Stunden sind wir endlich hinaufgekommen in das Felsental. Als wir am zerrissenen Gewände hingehen, in dessen Klüften das Grauen schlummert, und als wir mitten in den niedergebrochenen Klötzen das Kreuz ragen sehen, teilt mir mein Begleiter mit, es tät' ihm scheinen, als husche dort eine Menschengestalt zwischen den Steinen. Ich habe aber außer uns zweien niemand bemerkt.

      Vor dem Kreuze stehen wir still. Auf dem Felsklotz ragt es, wie es vor Jahren geragt, wie es nach der Menschen Sagen seit unerdenklichen Zeiten gestanden. Wetterstürme sind über ihn hingezogen und haben die Rinde gelöst von dem Holze; sie sind dem Kreuzbild nicht weiter gefährlich worden. Aber die milden Sonnentage haben Spalten gesprengt an den Balken. – Das Himmelsauge wölbt sich in lichter Bläue über den verlorenen Weltwinkel. Die niedergehende Sonne blitzt schräge hinter dem Gefelse hervor und spinnt in den uralten, kahlästigen Baumrunen und bescheint den rechten Arm des Kreuzes. Ein braunes Würmchen kriecht über den Balken