Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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des Ahnfeuers nicht ausgehen. Man soll einstmals nicht auf meinen Rasen treten und sagen können: Bei dem da unten, bei dem ist das alte ehrwürdige Feuer ausgeloschen! Es ist mir nicht der Zehnten und Abgaben wegen, diese will ich steuern nach meinen Kräften; jedoch aber, aus dem Ahnfeuer, das in meiner Hut ist, sollen sie zur Stunde, wenn ich in die Ewigkeit muß, meine Sterbekerze anzünden!«

      »Traun, das ist treu gesprochen!« antworteten die Männer. Als sie jedoch zur nächsten Sonnenwende den Tag damit begannen, daß sie auf dem Kirchhofe die Todten weckten, stand plötzlich der Herr unter ihnen; nicht mit dem Kreuze, wie einst Bonifacius unter den Heiden gestanden, sondern mit dem Schußgewehr, den Finger an den Hahn gelegt. Nicht vor dem Feuerrohr zitterten die Männer, aber dem Gebote des Herrn, das sie stets gewohnt waren zu befolgen, wagten sie sich nicht weiter zu widersetzen. Sie gingen auseinander und der Feuerwart nahm die heilige Gluth mit sich.

      »Halt! was trägst Du dort in jenem Hafen?« rief ihm der Herr nach. »Auf der Stelle wirf mir die Kohlen ins Wasser.«

      Der Feuerwart fing an zu laufen, der Herr verfolgte ihn mit gespanntem Gewehr. Der Feuerwart war ein betagter Mann und sah, er könne dem Verfolger nicht entkommen.

      »Du kannst mich niederbrennen mit deinem höllischen Feuer,« schnaufte er, »aber diese Gluth wirst Du nicht vertilgen!« Sein Haus war in der Nähe, dem floh er zu.

      »Um so besser,« lachte der Verfolger, »Feuer läßt sich nicht verstecken.«

      Das wollte Jener auch nicht; als er sah, er wisse das ihm anvertraute Heiligthum nicht mehr anders zu retten, sprang er in die Scheune und schleuderte die Gluth ins Stroh. Als der Pfarrherr nachgeklettert kam, war der Mann verschwunden, vor ihm schlug lichterloh die Flamme auf und er hatte hohe Zeit zu sehen, daß ihn das Feuer, welches er mit der Schußwaffe verfolgt hatte, nicht verzehre.

      Das Haus brannte nieder. Der Feuerwart sah sein Eigenthum vergehen in den Gluthen des Ahnfeuers.

      Vom Trasank hernieder zog ein wirbelnder Wind, der fachte die Flammen des brennenden Hauses hoch empor und trug sie hin in das Gestämme des nahen Waldes. Da brüllte und prasselte es auf, und als an diesem Tag die Morgensonne sich erhob, leuchtete sie roth und trüb durch das Gewölk des Rauches, welches über den brennenden Wald aufwirbelte. Eulen und Habichte flatternden kreischend in der Luft. Ganz Trawies war auf und jubelte, arbeitete aber mit Hacken und Spaten, um das Feuer zu bekämpfen.

      Und als es Abend war und die letzten Bäume des glücklich abgegrenzten Waldes sprühend wie in Schwärmen von Johanniswürmchen in sich zusammenbrachen, hatte Jeder einen glühenden Brand mit in sein Haus getragen, denselben auf seinen Herd gelegt, und war solcherweise ein hundertfaches Ahnfeuer im Vorrath für die Sonnenwende des nächsten Jahres.

      Und im nächsten Jahre, wenige Tage vor dem Feste, versammelten sich einige Männer im Hause des Waldhüters Baumhackel, das über eine Stunde von der Kirche entfernt weit oben in einem kleinen Hochthale stand. Das Hochthal, die Wildwiesen geheißen, ist noch heute an einem Wasserfalle zu erkennen, welcher zwischen ungeheuren Fichtenbäumen von einer Felsenterrasse niederstürzt und zu seinem Fuße einen großen kesselförmigen Tümpel bildet. An diesem Tümpel hin zog sich damals ein freier Platz bis zu dem kleinen Hause des großen Baumhackel, in welchem die Männer zusammenkamen, um über das Fest der Sonnenwende Rath zu halten.

      Einer der Alten nahm das Wort und sprach: »Was wir da bereden werden, Ihr Männer von Trawies, bedenkt es wohl; in den Wolken, die über unser Haupt gehen, ruht der Donnerer und hört uns zu. Mit seiner eisernen Hand erhebt er den Blitz und begehrt das Sonnenwendfest, auf daß er nicht in unsre Häuser schlage, nicht unsere Wälder vernichte! Der große Forderer auf dem Donnerwagen, so bespannt mit zwei schwarzen Böcken, und das Wahlheer der Todgeweihten, das auf Ebern und feuerschnaubenden Rossen naht, verlangt den Freudentag der Sonnenwende!«

      Des uralten Glaubens geheimnisvolle Kunde zündete und Alle riefen: »Ein Sonnenwendfest!«

      Nachdem beschlossen worden war, diesmal das Fest auf der Wildwiesen abzuhalten, nahm Einer das Wort und stellte den Antrag, den Pfarrherrn von Feste fernzuhalten.

      »Durch Gewalt?«

      »Durch List.«

      »Ei zum Donar, Isidor, das hört sich von Dir seltsam.«

      »Wie sich’s hört, das kommt auf Eure Ohren an; ich aber sage, den Herrn brauchen wir nicht dabei!«

      »Das sage ich auch!«

      »Und ich auch!«

      »Und ich ebenso!«

      »Gut, so sagen wir’s Alle. Was nacht das aus?«

      »Wenn die Männer von Trawies was wollen und zusammenstehen, soll das nichts sein?«

      »Du hast recht, Isidor, ich wollte es ihm nicht rathen, daß er uns den Weg verlegt. Es kocht was in Trawies für unseren Herrn!«

      »Bei meinem Eid, Männer, nur keine Gewalt! Ein Handschlag und unser Unglück ist zeitig. Ich sag Euch’s!« So der Isidor.

      Ein Mann, den sie Wahnfred hießen, neigte sehr bestimmend sein Haupt.

      »Ja Wahnfred, dasmal mußt du d’ran. Du hast dein Haus unten am Gestade, zwei oder drei Stunden von der Kirche, in der entgegengesetzten Richtung von der Wildwiesen. Am Sonnenwendtag wird in deinem Hause Einer auf der Sterb’ liegen. Da wird früh morgens nach dem Priester geschickt, der muß eilends hinaus. Verstehst mich!«

      Auf diese Rede schmunzelten die Männer, der Wahnfred aber dehnte seine breite Brust heraus und sagte: »Wenn Gott uns bewahrt in seinen Gnaden, so geschieht das nicht. In meinem Hause soll kein’ Untreu’ sein.«

      Das Haupt, welches so sprach, hatte sich fast trotzig über den breiten Schultern aufgerichtet. Das Gesicht war blasser, zarter, als die Farbe der Anderen; das war Keiner, der sein Antlitz viel gegen die Sonne hob. Hingegen trug er die Gluth in seinen großen Augen. Die Backen bedeckte ein leichter, gekräuselter Bart, die Lippen waren roth und kräftig und redeten, auch wenn sie schwiegen. Die Stirn war schmal und hoch, glatt und weiß; rückwärts am Scheitel hing das rotbraune Haar in Mähnen nieder. Der Mann war ganz merkwürdig. Das Eine deutete auf hünenhafte Kraft, das Andere auf kindliche Zartheit; das Eine deutete auf eine Denkerseele, das Andere auf ein überquellendes Gefühlsleben, aber auch ein Wütherich konnte es sein, ein Löwe, ein Tiger. Es giebt Menschen, deren Charakter allfort wie ein Orakel spricht und nimmer verstanden wird. Selbst in Bezug auf das Alter konnte man sich an ihm um viele Jahre täuschen: jetzt schien es, er habe mehr Winter erlebt als Sommer, im nächsten Augenblicke wieder konnte Einem einfallen, er habe gar keinen Winter und gar keinen Herbst erfahren, sondern lauter Frühlinge, aber deren eine hohe Zahl. = Ähnlich lautet eine Beschreibung, die uns von diesem Manne erhalten worden ist. Sein Kleid war, wie das der Anderen: ein grobes Hemd aus Leinwand, das am Halse mit einer schwarzen Binde zusammengebunden war, eine Kniehose aus Fellen von Hirschen oder Rehen, enge Strümpfe aus weißem Garn, ein langer Mantel aus brauner Wolle. Seit unlang trugen die Männer zu Trawies auch Beschuhung aus Leder, während die Weiber in ihrem blauen Leinwandkleide auf ihren glatteren häuslichen Wegen barfuß gingen. Filzhüte mit kleinem, kesselförmigem Boden und sehr breiten Krempen trugen sie auf dem Häuptern; und die Krempen waren zu beiden Seiten mit einer weißen Schnur nach aufwärts gehangen. Auch hatten sie auf ihren Waldgängen gern ein schweres Messerbesteck an der linken Lende, und lange, eisenbeschlagene Stöcke bei sich, denn der reißenden Thiere gab es manche in der Gegend, und auch manche der Abgründe und Wildwasser, die zu überspringen waren.

      So sahen sie aus, die Männer zu Trawies, und so war auch er gekleidet, den sie Wahnfred hießen und der sein Haus unten am Gestade hatte, nahe wo die Trach den Wald verläßt und in das öde steinige Heideland hinausrinnt.

      »In meinem Hause soll kein’ Untreu’ sein.« hatte er mit gemessener Stimme geantwortet. So sprach hierauf der Baumhackel: »Der Wahnfred ist nicht der Einzige im Gestade. Mein Bruder, der kleine Baumhackel, hat dort unten ebenfalls seine Hütten; in derselben wird auch kein’ Untreu’ sein, aber sie wird sich doch hergeben für eine Sache, die uns und der frommen alten Weise unserer Voreltern zugute kommt. Ich nehme es gern über mich, daß mein Bruder, der kleine Baumhackel,