Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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bisher, so wurde ihm auch dieser erfüllt. In seinem Weibe sah er sich begraben. Er fühlte, das Beste seines Wesens ging mit ihrem Sarge zur Erde. Die Seele dahin. Das Ideal gestorben. – Einen wandelnden Leichnam sah man schwanken über die Auen zwischen dem Hause und dem Gottesacker. – Gestorben! – Des Tages unzähligemal sah er sein Weib sterben und starb mit ihr. Der alte Heidepeter sagte zu ihm: »Gabriel, da kannst du nichts machen. Denke an den Stärkeren. Ergib dich in seinen Willen.«

      »O mein Lebenslauf!« rief Gabriel, »o mein Lebenslauf! Wieder Gabriel in der Einöde!«

      Die Liebende nach dem Tode

       Inhaltsverzeichnis

      Seelenlos blätterte Gabriel zuweilen in den Schriften großer Männer. Unbefriedigt legte er sie wieder aus der Hand: frohen Geistes läßt sich's so bequem weise sein, so salbungsvoll von Ergebung sprechen.

      Durch die Wälder irrte er verloren umher.

      »Ach,« seufzte er einmal, »wäre ich nur noch ein bißchen Poet! Es geht der Spruch, daß einen aus verborgenen Blumen der Wildnis die Toten grüßen. – Nein, mein Herz wird für derlei nimmer warm, und verloren habe ich alles, alles ...«

      Nicht weit von ihm rauschten die Wasserfälle des Sees am Stern. Dort war die Annenruh, warum nicht auch die Gabrielsruh? – Ewige Ruhe verleihe den Seelen!

      Gabriel ging hin und starrte in den See. – – Vorher wollte er noch was in sein Notizbuch schreiben und es dann auf einen Stein legen am Ufer. Da findet er im Notizbuch einen Brief. Der ist – von ihrer Hand. – Heidepeters Gabriel hat den Brief gelesen:

      » Mein lieber Gabriel!

      Wenn du dieses Schreiben findest, werde ich nicht mehr bei dir sein. Wenn mich aber meine Ahnung täuscht und diese Zeit, von der ich fürchte, vergeht, ohne mich fortgenommen zu haben, so will ich den Brief vernichten, und du sollst von ihm nichts erfahren. – Ich kann dem Drang, diese Zeilen zu schreiben, nicht widerstehen, denn es ist etwas, das mir sagt, ich müßte bei dir sein, wenn du wieder allein bist. – Ich bin allzu glücklich gewesen bei dir und unserem Kinde. Das kann nicht lange währen. Es wäre mir wohl leichter ums Herz, wenn ich darüber mit dir sprechen könnte, aber ich kann's nicht.

      Schau, Du mußt nicht trostlos traurig sein. Ich bin Dir nur ein wenig vorausgegangen, wir werden immer und immer beisammen verbleiben. – Solange Du aber noch auf Erden lebst, solange genieße das Leben, wie Gott es gibt, und sei wieder freudig, ich bitte Dich darum. Du erzähltest einmal von einem hartgeprüften Mann, der alles, was er liebte, verloren, im stillen Wohltun und in der Vervollkommnung seiner selbst den Frieden gefunden hat. Gabriel, sei wie dieser Mann. Du wirst gewiß wieder glücklich werden, gewiß, gewiß, und ich werde bei Dir sein.

      Und Dein treues Herz, mein Gabriel, das mich so süß und einzig hat liebgehabt, das mußt Du nicht töten. Siehe unser Kind, das mußt Du jetzt lieben, für Dich und für mich. Und gedenke, in ihm bin und bleibe ich bei Dir. – Das mußt Du nimmer vergessen. Wenn ich nur weiß, Du bleibst aufrecht und trägst den Schlag wie ein Mann, dann erwarte ich ergeben die Stunde. Schau, mein lieber Mann, wir sinken alle an unseres Herrgotts Herz, ob heute oder morgen. Und wir sind mitsammen glückselig verbunden. Singe nur frisch, mein Waldsing Du, ich höre Dich gerne. Und sooft Du einem Blümlein begegnest im Walde, denke, es ist ein schöner Gruß von Deiner

      Anna

       * * *

      Ein unendliches Gut hatte die Heimgegangene durch diesen Brief dem Gatten hinterlassen.

      Er ging am tiefen See vorbei – seinem Hause zu.

      Er ging zu seinem Kinde und suchte in den Knaben die Keime zu pflanzen zu jenem Heile des Herzens, welches ihm selbst so wunderbar und ach! so kurz geblüht hatte.

      Ende

      Der Gottsucher

       Inhaltsverzeichnis

       Erstes Buch: Der Irrthum

       Zweites Buch: Die Gottlosen

       Drittes Buch: Die Erlösung

      Erstes Buch:

       Der Irrthum

       Inhaltsverzeichnis

      Der Erzähler, dem Ihr Euch anvertraut, um an seiner Hand eine wilde, schattenschwere und unseren Tagen fremde Welt zu durchwandern, führt zum Anfange auf den Berg des Johannes. Dieser Berg erhebt sich in Form eines Kegels mitten aus der Wildniß. Die Wildniß kriecht an seinen Hängen hinan; zwischen zerklüfteten Felsenblöcken wuchern der Sauerdorn und die schwarze Erle, und der Schierling, und der rothe Holunder, und die Einbeere. In den Klüften nistet der Falke, im Grunde ringelt sich die Natter. Der Berg ist nicht so hoch, wie mancher von solchen, die in weiter Runde stehen, aber auf seinem Scheitel weist er eine Stätte mit grauer Erde, auf welcher keine Pflanze wächst. Wenn einst – so kündet es die Sage – nach tausend Frühlingen aus diesem Grund eine Blume erblühen wird, dann ist allerwärts das Reich Gottes erstanden.

      Auf dem sandigen Boden wuchert heute der grünliche Schimmel der Algen, und inmitten liegt ein großer Stein, von dem man nicht weiß, wächst er in die Erde hinein oder aus derselben heraus; auf der oberen Fläche dieses Steines will manches Auge einen blutrothen Fleck sehen, »den kein Regen löscht und kein Eis tilgt«.

      Rings um den Berg des Johannes, so weit das Auge fliegt, ist ein Reich von Wäldern, gegen Ausgang der Ritscher, der Birstling, der Tärn. Diese Wälder – es giebt keinen Baum und keinen Strauch und keinen Halm im nördlichen Halbrund, der nicht darinnen stünde – legen sich wie ein Meer über alle Höhen der Berge, über alle Niederungen, über alle Thäler und über alle Schluchten. Das geht so weit, bis im fernsten Kreise die Glocke des Himmels mit ihrem unergründlichen Blau oder mit ihren gletscherweißen Wolkenzinnen niedersinkt. Nur nach jener Seite hin, die man Mitternacht nennt, baut sich hinter einem weiten, dämmernden Waldkessel, die Trawies genannt, ein Wall von Felsbergen auf, die grau und scharf in den Himmel hinein gezackt sind, und die in ihren Schründen schneeweiße Adern haben. Dort hebt ein Gebirge an, dessen Bereich uns fern und fremd ist, so wie es den Menschen nicht bekannt war, die hier voreinst unter dämonischen Schicksalen gestritten haben und vergangen sind. Das Gebirge heißt Trasank. Zwischen seinen Wänden bricht ein mächtiger Fluß hervor, der in seiner reißenden Wildheit donnernd von den majestätischen Schrecken des Gebirges zu erzählen weiß. Die Trach – das ist der Name des Wassers – gräbt sich nun in den Engthälern und schattenfinsternen Schluchten durch die Wälder hin, nimmt zahllose Bäche und Bächlein und Quellen in sich auf, bis sie nach Stunden in jenes felsige Haideland kommt, das die Gegenden der Trawies weit und breit von aller Welt abschließt.

      Ein großer Theil dieser Striche ist Urwald, den sein Eigenthümer – ein reicher Edelmann, der weit unten in einer Stadt am Meere wohnt und die Felsen des Trasank niemals gesehen hat – so in sich zusammenfallen läßt, wie er aus sich herausgewachsen ist. Nur in jenen Niederungen des Trawieskessels ist der Wald in seinen schönsten Mannesjahren; wo er heute steht, dort ist vor nicht allzulanger Zeit eine Gemeinde von Menschen gestanden. Als zur Zeit der Völkerwanderung auch das Volk der Germanen, in seinem Grunde aufgewühlt, hin und wieder wogte zwischen den Alpen und zwischen der Ostsee, da hat sich ein Häuflein von Menschen in diese Wildniß hierher verschlagen, hat sich angesiedelt an den Gestaden der Trach, hat gerodet und gebaut, hat allmählich Fühlung gefaßt mit seinem sich wieder ruhiger entwickelnden Stamme, hat sich den Satzungen der Allgemeinheit gefügt und