Die schönsten Erzählungen von Guy de Maupassant. Ги де Мопассан

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Название Die schönsten Erzählungen von Guy de Maupassant
Автор произведения Ги де Мопассан
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027206551



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Ich bin duhn, kein Zweifel, ich bin duhnl Er hat mich so gemacht! Der Lump! Daß ich nich heimkehren soll! Ich bin duhn!

      Nnd er fuhr fort:

      – Melina sag mir, wer das war, oder es passiert was.

      Er wartete noch einen Augenblick, dann fuhr er fort. mit der beharrlichen, eigensinnigen Logik der Trunkenen:

      – Er hat mich bei diesem Tagedieb Paumelle festgehalten und so jeden Abend, daß ich nicht nach Haus gehen soll. Da steckt noch mehr dahinter, so ein Aas!

      Langsam richtete er sich auf die Kniee auf. Eine dumpfe Wut packte ihn, und er wiederholte:

      – Melina, sag mir, wer es war, oder Du kriegst was ab, paß mal auf!

      Jetzt stand er aufrecht und zitterte vor entsetzlicher Wut, als ob der Alkohol, den er im Leibe hatte sich in seinen Adern entzündet hätte. Er that einen Schritt, stieß an einen Stuhl, packte ihn, ging noch weiter, traf an das Bett, betastete es und fühlte darin den warmen Körper seiner Frau.

      Da packte ihn die Wut und er brüllte:

      – Ah, da bist Du, Du Dreckhaufen und Du antwortest nich?

      Und er hob den Stuhl, den er in seiner kräftigen Matrosenfaust hielt, und ließ ihn mit furchtbarer Wut niedersausen.

      Ein Schrei klang aus dem Bett, ein verzweifelter, herzzerreißender, da ließ er den Stuhl wieder niedersausen, wie ein Drescher den Flegel auf der Tenne. Im Bett bewegte sich nichts mehr, der Stuhl ging in Stücke, ein Stuhlbein behielt er noch in der Hand, mit dem schlug er außer Atem weiter.

      Dann plötzlich hielt er inne und fragte:

      – Willste mir’s nu sagen, wer’s war? Willste mir’s nu sagen?

      Melina antwortete nicht.

      Da setzte er sich, zu Tode ermattet, ganz erschöpft durch seinen Wutanfall, zu Boden, streckte sich aus und schlief ein.

      Als es Tag ward, kam ein Nachbar herein, der die Thür offen gesehen. Er entdeckte Jeremias schnarchend, auf dem Boden zwischen den Überresten eines Stuhles, und im Bett eine blutige leblose Masse.

      Die Blutrache

       Inhaltsverzeichnis

      Die Witwe von Paolo Saverini bewohnte allein mit ihrem Sohn ein ganz kleines, ärmliches Haus bei Bonifacio. Die Stadt war auf einem Bergvorsprung gelegen, der hier und da sogar über das Meer überhing, und blickte über die schmale Klippen-Enge auf die Sardinische Küste hinüber.

      Zu ihren Füßen auf der anderen Seite, beinahe ganz im Bogen herum ist ein Einschnitt in der Klippenreihe, der wie ein gewaltiger Gang aussieht. Er reicht bis zu ihren ersten Häusern und dient nach einem langen Umkreis zwischen zwei steil abfallenden Mauern als Hafen für die kleinen, italienischen oder sardinischen Fischerboote und alle vierzehn Tage für den alten Dampfer, der von Ajaccio kommt.

      Auf dem weißen Berg leuchtet der Häuserhaufen noch weißer, sie sehen aus wie die Nester wilder Vögel, oben an den Felsen geklebt, und beherrschen diese furchtbare Durchfahrt, in die sich größere Schiffe niemals wagen.

      Der Wind wühlt unausgesetzt das Meer auf, tobt auf der nackten, von ihm eingefressenen Düne, die kaum etwas Graswuchs zeigt, und fängt sich in der Meerenge, deren zwei Küsten er umtost. Haufen weißen Schaums hängen auf den schwarzen Spitzen der unzähligen Felsen, die überall aus den Wogen hervorragen und sehen aus wie herumflatternde Leinwandfetzen, die auf der Wasserfläche zittern.

      Das Haus der Witwe Saverini lag unmittelbar an der Küste, und seine zwei Fenster gingen auf diesen wilden öden Horizont. Dort lebte sie ganz allein mit ihrem Sohne Anton und ihrer Hündin Sémillante, einem großen magren Tier, mit borstigem Fell, von der Rasse der Schäferhunde. Der Hund begleitete den jungen Mann auf die Jagd.

      Eines Abends ward nach einem Wortstreit Anton Saverini feige von Nikolaus Ravolati durch einen Messerstich getötet. Dieser floh in der Nacht noch nach Sardinien.

      Als zufällig Vorübergehende der alten Mutter die Leiche ihres Sohnes gebracht, weinte sie nicht, aber sie blieb lange unbeweglich in den Anblick versunken. Dann streckte sie ihre runzlige Hand gegen den Körper aus und schwor ihm Vendetta.

      Sie wollte nicht, daß jemand bei ihr bliebe, und sie schloß sich mit der Leiche und der winselnden Hündin ein. Das Tier heulte unausgesetzt, es stand zu Füßen des Bettes, den Kopf gegen seinen Herrn ausgestreckt, mit eingezogenem Schweif.

      Es blieb eben so unbeweglich wie die Mutter, die sich jetzt über den Leichnam beugte und, indem sie mit starrem Auge ihren Sohn betrachtete, große stumme Thränen vergoß.

      Der junge Mann lag auf dem Rücken; er trug eine Jacke aus dickem Tuch, die auf der Brust überall durchlöchert und zerrissen war. Es sah aus, als ob er schliefe. Aber überall war Blut: auf dem zur ersten Hilfeleistung aufgerissenen Hemd, auf der Weste, auf der Hose, auf dem Gesicht, auf den Händen, Blutspritzer waren im Bart und in den Haaren erstarrt.

      Die alte Mutter begann mit ihm zu sprechen, und beim Ton der Stimme schwieg der Hund:

      – Sei ruhig, sei ruhig mein Sohn, mein Kleiner, mein armes Kind, Du wirst gerächt. Schlafe ruhig, schlafe ruhig. Du wirst gerächt. Hörst Du, die Mutter schwört es Dir, und Deine Mutter, das weißt Du, hält immer Wort!

      Und lange beugte sie sich zu ihm und drückte ihre kalten Lippen auf die Lippen des Toten.

      Da begann Sémillante zu heulen, ein langes, trauriges, ohrenzerreißendes Geheul, dann blieben sie, die Frau und das Tier bis zum Morgen sitzen.

      Anton Saverini wurde am nächsten Tage begraben, und bald sprach niemand mehr von ihm in Bonifacio.

      Er hatte keinen Bruder hinterlassen, überhaupt keine näheren Verwandten, es gab keinen Mann, um die Blutrache auszuführen. Nur die Mutter, die Alte, dachte daran.

      Auf der anderen Seite der Meer-Enge sah sie von Früh bis Abends an der Küste einen weißen Fleck, ein kleines sardinisches Dorf Longosardo, wohin sich die korsischen Banditen flüchten, wenn ihnen der heimatliche Boden zu heiß wird.

      Sie bewohnen beinahe ganz allein das Dorf, das ihrem Vaterlande gegenüber liegt, und dort warten sie auf den Augenblick, heimzukehren. Und in dieses Dorf, das wußte sie, war Nikolaus Ravolati geflohen.

      Sie saß den ganzen Tag allein am Fenster und blickte hinüber und dachte an die Rache. Wie sollte sie allein das ausführen, sie, die Schwache, die nicht weit vom Grabe stand? Aber sie hatte es versprochen, sie hatte es auf die Leiche geschworen.

      Und sie konnte nicht vergessen, sie konnte nicht warten. Aber was sollte sie thun? Sie schlief nicht mehr Nachts, sie hatte keine Ruhe und keine Rast mehr, verzweifelt sann sie auf die Gelegenheit.

      Die Hündin ihr zu Füßen hob ab und zu den Kopf und heulte in die Ferne hinaus; seitdem ihr Herr nicht mehr da war, heulte sie öfters so, als riefe sie ihn, als ob ihre unvernünftige Tierseele gleichfalls das Gedächtnis an ihr bewahrt häte auf ewige Zeiten.

      Und eines Nachts, als Sémillante wieder stöhnte, kam die Mutter plötzlich auf einen Gedanken, eine wilde Rache. Sie überlegte bis zum Morgen; dann, sobald es Tag wurde, stand sie auf und ging zur Kirche. Sie betete, die Stirn auf den Fliesen, betete, im Staube liegend, zu Gott, ihr zu helfen, ihrem armen, alten Leib die Kraft zu geben, deren sie bedurfte, um ihren Sohn zu rächen.

      Dann kehrte sie heim. Sie hatte auf ihrem Hof ein altes zerbrochenes Faß liegen, das das Wasser aus der Dachrinne auffing. Das stürzte sie um, leerte es, machte es am Boden fest mit zwei Stricken und Steinen. Dann legte sie Sémillante davor an die Kette und ging ins Haus.

      Langsam, ununterbrochen lief sie in ihrem Zimmer auf und ab, immer nach der sardinischen Küste den Blick gewandt; dort war der Mörder.

      Die Hündin heulte Tag und Nacht; die Alte brachte ihr früh