Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | George Sand |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962816148 |
6.
Nach vielen Kreuz- und Quergängen auf den verworrenen Pfaden dieses Waldes, geriet Consuelo in einer bergigen und zerrissenen Landschaft auf eine Anhöhe voll von Felsblöcken und Mauertrümmern, die kaum voneinander zu unterscheiden waren, so hatte die Menschenhand mit dem Zahne der Zeit wetteifernd, dort gewütet. Es war nichts als ein Haufen von Steinen und Bruchstücken übrig, wo vor Zeiten ein Dorf gestanden, das der furchtbare Blinde, das berühmte Taboritenhaupt, Johann Ziska, niedergebrannt hatte, er, von dem Albert abzustammen glaubte, vielleicht auch wirklich abstammte.
In einer schwarzen, grausigen Nacht, als der wild, unermüdliche Führer seinen Haufen befohlen hatte, Riesenburg anzugreifen, das damals von kaiserlichen Truppen besetzt war, hatte er seine Leute murren und einen unter ihnen sagen hören: »Dieser verdammte Blinde meint auch, dass jedes Menschenkind so gut wie er ohne Licht sehen kann!« Da hatte sich Ziska zu einem der vier treuen Schüler gewandt, die ihn überall begleiteten, sein Pferd oder seinen Wagen führend, und ihm genau die Beschaffenheit des Terrains und die Stellung und Bewegung des Feindes berichtend, und hatte gesagt, seinem starken Gedächtnis oder dem Ahnungsvermögen folgend, die bei ihm die Stelle des Gesichts vertraten:
– Es ist ein Dorf hier bei?
– Vater, ja! hatte der Taborit, der ihn führte, geantwortet; rechts vor dir, auf einer Höhe, der Beste gerade gegenüber.
Und Ziska hatte den missvergnügten Krieger rufen lassen, dessen Murren seine Aufmerksamkeit erregt hatte.
– Mein Kind! hatte er zu ihm gesagt, du beschwerst dich über die Dunkelheit; geh eilends und wirf Feuer in das Dorf da auf der Höhe, zu meiner Rechten; beim Schein der Flammen werden wir gehen und streiten.
Der schreckliche Befehl war ausgeführt worden. Das brennende Dorf hatte den stürmenden Taboriten geleuchtet. Riesenburg war in zwei Stunden erobert worden und Ziska hatte davon Besitz genommen. Am anderen Morgen hatte man bemerkt und ihm gemeldet, dass mitten unter dem Schutt des niedergebrannten Dorfes, und gerade auf dem Scheitel des Hügels, der den Soldaten zur Warte gedient hatte, um von da die Bewegungen in der Veste zu beobachten, eine junge Eiche, die einzige in dieser Gegend, aufrecht und grün geblieben war, augenscheinlich vor der Hitze des ringsum aufsteigenden Feuers durch das Wasser einer Cisterne, welche ihre Wurzeln tränkte, geschützt.
– Ich kenne die Cisterne wohl, hatte Ziska geantwortet. Zehn von den Unsrigen sind von den verfluchten Bauern aus diesem Dorfe hineingeworfen worden und seitdem ist der Stein, der sie bedeckt, nicht gelüftet worden. Lasst sie nur da, sie soll ihr Grabmal bleiben, sintemal wir nicht, wie Jene, zu denen gehören, die da glauben, dass die Seelen umherirren und an der Himmelstüre von dem römischen Patron (Petrus, dem Schlüsselbewahrer, daraus sie einen Heiligen gemacht haben) hinweggejagt werden um dessentwillen, dass die Leichname in einer Erde verfaulen, so nicht von der Hand dieser Belialspfaffen geweiht ist. Ruhen die Gebeine unserer Brüder in Frieden in dieser Cisterne! ihre Seelen sind lebendig. Sie haben schon andere Leiber bekleidet und dieselbigen Märtyrer streiten unter uns, wiewohl wir sie nicht wiederkennen.2 Was die Bauern aus diesem Ort anbelangt, so haben sie ihre Strafe dahin. Und die Eiche belangend, so hat sie wohlgetan, sich aus dem Feuer nichts zu machen, eine ruhmwürdigere Bestimmung war ihr aufbehalten, als die, Ungläubige zu beschatten. Es hat uns an einem Galgen gefehlt. Gehet, und holet mir her die zwanzig Augustiner, so wir gestern aus ihrem Kloster mitgenommen und die sich bitten lassen, uns zu folgen. Knüpft sie fein hoch und knapp an die Äste der wackeren Eiche, die wird danach erst kerngesund werden.
Gesagt, getan. Die Eiche hatte seit jener Zeit »der Hussit« geheißen, und der Stein der Cisterne nebst dem zerstörten Dorf und der verlassenen Anhöhe »Schreckenstein«.
Consuelo hatte diese düstere Sage bereits mit allen Nebenumständen von Amalie erfahren. Aber da sie den Schauplatz derselben nur erst von weitem oder bei Nacht, als sie sich zum ersten Mal dem alten Schlosse näherte, gesehen hatte, so würde sie ihn nicht wieder erkannt haben, wenn sie nicht auf dem Boden einer Schlucht, über welche der Weg hinführte, die furchtbaren Reste der vom Blitz zertrümmerten Eiche erblickt hätte, denn kein Diener des Schlosses hatte sie klein zu machen oder wegzuschaffen gewagt, da sich für sie noch jetzt, nach mehren Jahrhunderten, eine abergläubische Furcht an dieses Schreckensmal aus Johann Ziska’s Zeiten knüpfte.
Die Gesichte und Vorhersagungen Albert’s hatten der traurigen Stätte einen noch furchtbareren Charakter gegeben. Auch fühlte Consuelo, als sie sich allein und unversehens auf dem Schreckenstein fand (und sie hatte sich auf den Stein selbst, ermüdet niedergesetzt), ihren Mut entweichen und ihr Herz sich sonderbar zusammenziehn. Nicht nur nach Albert’s, sondern nach aller Aussage, die in der Gegend wohnten, ließen sich grauenvolle Erscheinungen häufig über dem Schreckenstein sehen, und verscheuchten die Jäger, welche verwegen genug waren, bis dorthin Beute zu suchen. Daher diente dieser Hügel, so nahe er dem Schlosse lag, oft Wölfen und anderen reißenden Tieren zum Aufenthalt und Zufluchtsort vor den Verfolgungen des Barons und seiner Hunde.
Der gleichmütige Friederich glaubte zwar für sein Teil nicht eben an die Gefahr, daselbst vom Teufel angepackt zu werden, mit dem er übrigens sich Mann gegen Mann zu messen auch nicht viel Furcht gehabt haben würde, aber nach seiner Art abergläubisch und im Zusammenhange seines Ideenkreises hatte er das Vorurteil, dass daselbst ein schädlicher Einfluss seine Hunde bedrohte und ihnen unbekannte und unheilbare Krankheiten an den Leib ziehen würde. Er hatte in der Tat mehre verloren, die von dem klaren Wasser, das aus den Adern dieser Höhe rann und vielleicht aus der verdammten Cisterne, dem alten Hussitengrabe, entsprang, getrunken hatten, und er war seitdem sehr beeifert, wenn in dieser Richtung einer seiner Schweißhunde schwärmte oder einer seiner Hühnerhunde revierte, ihn geschwind durch Zuspruch und Pfiff abzurufen.
Consuelo schämte sich der Anwandlung von Kleinmut, den sie zu bekämpfen Willens war und zwang sich, einen Augenblick auf dem traurigen Stein zu bleiben, und dann mit so langsamen Schritten hinwegzugehen, wie es einem ruhigen Gemüte bei dergleichen Proben geziemt. Aber in dem Augenblicke,