Jüdisches Leben in Wort und Bild. Леопольд фон Захер-Мазох

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Название Jüdisches Leben in Wort und Bild
Автор произведения Леопольд фон Захер-Мазох
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 4064066112219



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die Liebe zwischen den Gatten, die Liebe der Eltern zu ihren Kindern und der Kinder zu ihren Eltern so lebendig ist, beweist, dass die Kultur, welche es besitzt, die geistigen Vorzüge nicht auf Kosten der physischen entwickelt hat, dass sie, statt den Verfall der jüdischen Rasse herbeizuführen, dieselbe in einem blühenden Zustand erhalten hat, somit, dass diese Kultur eine gesunde und naturgemässe ist.

      Ein zweites Moment des jüdischen Wesens, das ihm die Herzen gewinnt, ist das Mitleid.

      Schopenhauer, der Philosoph des Pessimismus, sieht im Mitleid die edelste, schönste Blüthe des Menschenthums, die Ueberwindung des Willens, der Selbstsucht.

      Diese schönste Blüthe der Menschennatur, sie treibt nirgends so reich wie an dem jüdischen Stamm, in keinem Volke ist das höchste Moralgesetz, das Gesetz der Nächstenliebe so lebendig wie in dem israelitischen.

      Als die Judenbill im englischen Oberhause diskutirt wurde, fragte ein Mitglied des Hauses den Erzbischof von Canterbury, den Primas der englischen Hofkirche: Ist es wahr, dass die Juden eine andere Moral haben als die Christen?

      Da erwiderte der erleuchtete Oberhirt: Die Juden haben dieselbe Moral wie wir, der Unterschied besteht nur darin, dass sie dieselbe befolgen und wir nicht.

      Kein Volk ist so mitleidig, so wohlthätig wie das jüdische, und es fragt nicht erst lange, ob der Unglückliche die Hülfe auch verdient, es fragt auch nicht, welchem Volke oder Glauben er angehört. Der Jude sieht in dem Hilfsbedürftigen einen Menschen, einen Bruder und hilft ihm, er kleidet den Blossen, speist den Hungrigen und pflegt den Kranken.

      Der Jude ist so glücklich, wenn er helfen kann, dass der jüdische Bettler gar nicht gewohnt ist zu bitten, er verlangt und ist stolz auf seine Armuth, denn indem er dem Wohlhabenden Gelegenheit gibt ein gutes Werk zu verrichten, baut er ihm eine Stufe in das Himmelreich, welche die Frommen sicherer dahin führt als Gebet und strenge Befolgung der rituellen Vorschriften.

      Eine weitere Tugend des jüdischen Stammes, welche derselbe aus seinen ältesten Wohnsitzen mitgebracht und unter allen Verhältnissen bewahrt hat, ist die Achtung vor dem Geiste und dem Wissen.

      Der Jude als wahrhaft gebildeter Mensch, den die Bildung von allem Erbtheil einer finsteren Zeit freimacht und bei dem sie die ganze physische Konstitution verändert und verfeinert hat, verabscheut den Krieg und alles was damit zusammenhängt. Der Kampf mit geistigen Waffen sagt ihm besser zu und mit Recht, denn hier muss, welcher Theil auch Sieger bleibt, das Ganze, die Menschheit, immer gewinnen, während dort die Menschheit sich geschädigt, gestört in ihren friedlichen Fortschritten unterbrochen sieht, gleichgiltig wer die blutigen Lorbeeren davon trägt.

      Mit dieser Achtung vor dem Geiste, vor dem Wissen geht Hand in Hand die Liebe zur Freiheit und zum Fortschritt. Diese grosse, jüdische Eigenschaft hat das Volk Israel zu einer ganz besonderen für die ganze Menschheit segensreichen Rolle berufen. Zerstreut über den ganzen Erdboden sind die Juden doch ein Volk, eine grosse Gemeinde geblieben, und so wurden sie gleichsam die elektrischen Drähte, auf denen die neuen Ideen und Tendenzen durch die Welt liefen, zugleich aber, gewohnt in den Juden eines fernen Landes ebenso gut einen Bruder zu sehen wie in jenem, der Thüre an Thüre mit ihnen wohnte, wurden sie erst unbewusst, dann mehr und mehr mit der edelsten Absicht die Träger des Kosmopolitismus.

      Wenn die andren Völker von ihren nationalen Interessen beherrscht und eingeengt wurden, blickte der Jude frei über die Grenzpfähle hinweg und fühlte sich vor allem als Mensch. Sein Gesichtskreis war jederzeit ein weiter, er umfasste die ganze gebildete Welt, ja, darüber hinaus die Menschheit, und wenn die Andren sich befehdeten, beraubten, mit Feuer und Schwert verfolgten, so erinnerte sie der Jude an jene höheren, grösseren Ziele und Interessen, welche Allen gemeinsam sind und Allen Segen bringen, während das Schwert dem Sieger ebenso gut Wunden schlägt wie dem Besiegten.

      Eine wahrhafte Geschichte der europäischen Zivilisation, nach den einzig richtigen naturwissenschaftlichen Prinzipien eines Thomas Buckle ist noch nicht geschrieben; wenn wir sie eines Tages haben werden, wird sie zugleich eine ruhmreiche Geschichte des jüdischen Namens sein.

      Indem ich es unternommen habe, die Juden in den verschiedenen europäischen Ländern in einer Reihe kleiner Erzählungen vorzuführen, hat sich von selbst eine Geschichte des jüdischen Volkes daraus ergeben.

      Wir sehen in den östlichen Ländern die Juden vielfach auf einer Stufe, die nicht weit von jener entfernt ist, die sie im Mittelalter einnahmen, ja manchmal sogar an biblische Verhältnisse erinnert, man sieht noch die Herrschaft des Aberglaubens, den Kampf, den erleuchtete Geister gegen denselben führen, und langsam gegen Westen ziehend, verfolgen wir die Fortschritte des Judenthums im Laufe der Jahrhunderte, bis wir dasselbe in den westlichen Landen auf dem Höhepunkt der Freiheit und der Gesittung finden, gleichberechtigt im Staate wie in der Gesellschaft, und infolge der errungenen Rechte doppelt eifrig in der Erfüllung aller nationalen und patriotischen Pflichten.

      Zugleich mit dieser Kulturgeschichte des jüdischen Volkes ziehen die Sitten, die religiösen Lehren und Meinungen, die mit dem Glauben und den Schicksalen Israels eng verbundenen, jährlich wiederkehrenden Feste vorüber, und so fügt sich Bild zum Bilde und hilft das grosse Gemälde vollenden, das ein Denkmal sein soll für Israel, seine Kämpfe und Leiden, seine Befreiung und Erhebung.

      Leopold von Sacher-Masoch.

       Inhaltsverzeichnis

      – GALIZIEN. –

      Der Prosteck. – Cheder. – Chassidim. – Masser.

      Herz Maisel galt bei den Chassidim, den Zeloten, die in Sadagora herrschten, als Prosteck. Es ist dies nicht etwa ein Mensch, der die Gesetze verletzt, aber ein Simpel, der die Welt nicht versteht und deshalb stets an der Schattenseite stehen bleibt. Und doch hatten ihn die Chassidim sorgsam beschützt, als er zur Welt kam und während er sich die Kinderschuhe ablief, sie hatten Alles gethan, um sein Glück auf Erden und im Himmel zu sichern.

      Kaum war Herz geboren, gab der Zadik, der weise wunderthätige Rabbi der Chassidim, dem Himmel und Hölle gehorchten, seinem Vater einen Zettel. Sein Vater hatte einen besonderen Eifer entwickelt, dem Zadik die Lulka (Pfeife) zu stopfen, er hatte also ein Anrecht auf diesen Zettel, welcher den Neugeborenen während der ersten acht Tage beschützen sollte.

      In dieser Zeit umschwärmt nämlich Lillith, die schöne Teufelin, das Haus im Bunde mit ihrem Gefolge von vierhundert und achtzig unreinen Geistern. Der Pergamentstreifen mit den Namen der drei Engel Senoï, Sansenoi und Sammangelef an den Thürpfosten genagelt, beschirmte den kleinen Herz vor dieser Vorhut des höllischen Heeres.

      Nun rückten aber andere Dämonen an, zu Tausenden, zu Millionen. Wieder ging der Vater zum Zadik, und diesmal brachte er einen ganzen Stoss kleiner Zettel mit, sorgsam in sein rothes Schnupftuch gewickelt. Auf diesen Zettelchen standen die Namen der Erzväter und Erzmütter, der Propheten und der grossen Talmudisten und Zadikim und noch verschiedene kräftige Stellen aus der heiligen Schrift und dem Talmud.

      Es galt nun dieselben richtig zu vertheilen. Abraham, Isaak und Jakob wurden rechts vom Kinde postiert, Sarah, Rebekka, Lea und Rachel links, Moses und der grosse Bescht, der Begründer des Chassidismus, kamen unter den Kopfpolster. Mit den übrigen Zettelchen wurden die Fenster, die Schlüssellöcher, der Rauchfang und die Ritzen in der Mauer besetzt.

      An die Thüre kamen die Namen der Engel Jehoel, Michael und Sangsagael, welcher der Lehrer des Moses war und die Stelle aus dem Psalm 55: »Er erlöst mein Leben, dass sie sich mir nicht nahen können.«

      Trotzdem wollte der kleine Herz kein kaballistisches Genie werden, ja er lernte in der Cheder nur mit Mühe hebräisch lesen. Aleph und Beth waren für ihn zwei Dämonen, die ihn quälten, er verwechselte sie unausgesetzt, und der Melamed (Lehrer) verschwendete