Last Hope. Inka Loreen Minden

Читать онлайн.
Название Last Hope
Автор произведения Inka Loreen Minden
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783963700439



Скачать книгу

nach unten rutschte. Scharf zog er die Luft ein und zupfte den Stoff sofort wieder an die richtige Stelle. Dabei fiel ihm eine feine weiße Narbe auf, die parallel zum Saum ihres Höschens verlief.

      Eliza hatte auch einen Kaiserschnitt gehabt. Eliza … du fehlst mir so sehr!

      Blake zog Keena die Decke bis zum Kinn hoch und strich ihr behutsam ein paar feuchte Haarsträhnen aus ihrem hübschen Gesicht. Sie war so anders als seine Frau, war um so vieles kleiner als Eliza und wirkte viel zerbrechlicher. Dennoch hatte Keena die Seuche überlebt, während Eliza und Hope jetzt unter der Erde lagen. Bei diesen Erinnerungen durchfuhr ein Stich sein Herz.

      Kevin beobachtete den großen Mann genau. Bisher hatte er nur Augen für seine Mami gehabt, weswegen der Fremde ihn nicht einmal zu bemerken schien. Dann hatte der Mann plötzlich das Bild in der Hand, das auf dem Nachttisch gestanden hatte.

      »Das ist mein Papa«, sagte Kevin. »Doch der wohnt jetzt auf einem Stern.«

      Aber der Fremde wollte nichts über seinen Papa wissen und stellte das Foto zurück. Stattdessen wollte er erfahren, wo sie ihre Medikamente aufbewahrten.

      »Wieso willst du das wissen?«

      »Ich will deiner Mutter helfen«, antwortete der Mann. »Sie hat Fieber.«

      »Komm mit«, sagte Kevin, sprang vom Bett, fasste den Mann bei der Hand und zog ihn ins Badezimmer.

      Für Blake war es ein merkwürdiges Gefühl, diese winzige Hand zu halten. Sein Herz verkrampfte sich, als er an seine Tochter dachte. Wie hätte sie jetzt wohl ausgesehen? Ob sie auch so schwarzes Haar bekommen hätte wie ihre Mutter? In drei Wochen wäre Hopes sechster Geburtstag gewesen.

      Blake schob die schmerzlichen Erinnerungen beiseite, während er einen kleinen Wandschrank durchwühlte. Doch er fand nicht das, wonach er suchte. Keena brauchte etwas gegen das Fieber.

      In der Caroll-Street hatte er eine Apotheke gesehen.

      Blake verließ die Wohnung und lief hinunter in die zehnte Etage, um den Rucksack mit den Vorräten und die Wasserflaschen zu holen. Als er wieder oben ankam, passte ihn der Junge schon auf der Treppe ab. »Bist du jetzt mein neuer Papa?«

      Blake war erst viel zu verdutzt, um etwas zu erwidern. Und erst jetzt nahm er den Jungen richtig wahr. Er gehörte zu Keena, war ein Teil von ihr. Und ein Teil von dem Mann, dessen Foto auf ihrem Nachttisch stand.

      In der geräumigen Küche packte er alles auf den ovalen Esstisch, wobei jede seiner Handlungen akribisch von dem Kind beobachtet wurden. Wie alt mochte der Kleine wohl gewesen sein, als er seinen Vater verloren hatte? Wahrscheinlich noch so klein, dass er sich nicht mehr an ihn erinnerte.

      »Ich bin nicht dein neuer Papa, aber vielleicht können wir ja Freunde werden, wenn du willst. Ich heiße Blake.« Er streckte dem Jungen die Hand hin, der sie auch gleich ergriff und energisch schüttelte.

      »Ich bin Kevin und schon vier Jahre alt.« Kevin wäre stolz, wenn er Blake als Freund haben könnte. Er sah sehr stark und unverwundbar aus. Wie der Held aus seinem Comic.

      Blake wollte noch einmal kurz nach Keena sehen, bevor er loszog, um etwas gegen ihr Fieber zu holen. Kevin wich ihm nicht von der Seite, wobei er wieder seine Hand festhielt. Auch als er Keena an die feuchte Stirn fasste, ließ er nicht locker. Seine Mutter jedoch schien tief und fest zu schlafen.

      Kapitel 3 – Schwere Entscheidung

      »Ich komme mit!« Kevin ließ Blake einfach nicht los und klammerte sich zu allem Übel auch noch an sein Bein.

      »Deine Mama wird sich furchtbare Sorgen machen, wenn sie aufwacht und du nicht mehr da bist.« Vergebens versuchte er ihn abzuschütteln, doch die kleine Klette war sehr hartnäckig und Blake musste seine Kräfte für wichtigere Dinge aufheben. Also gab er schließlich nach und nahm Kevin widerwillig mit. Keena war ziemlich krank, deshalb würde sie es wahrscheinlich nicht einmal bemerken, wenn sie eine Stunde weg waren.

      Die ganzen Stockwerke auf dem Weg nach unten hatte Kevin ununterbrochen geredet. Blake war schweißgebadet, was nicht nur allein an den zahlreichen Stufen lag. Der Junge besaß das Talent, ihn mit Worten zu malträtieren.

      »Kevin, meinst du, dass du es schaffen könntest, vielleicht für fünf Minuten nicht zu sprechen?« Blake versuchte möglichst ruhig zu wirken, doch am liebsten hätte er dem kleinen Papagei alle Federn einzeln ausgerissen. Was war dieser Knirps doch für eine Nervensäge! Hatte Blake jemals seine Eltern so grausam gefoltert? Dann würde er sich im Nachhinein noch dafür entschuldigen. Was musste Kevins Mutter für eine starke Frau sein. Oder lag es einfach daran, dass er es nicht mehr gewohnt war, andere Menschen um sich zu haben?

      »Fünf Minuten nicht sprechen? Ist das so was wie ’ne Wette?« Kevins Augen strahlten.

      »Genau, eine Wette. Wer es von uns schafft am längsten nicht zu sprechen, der hat gewonnen.« Mittlerweile war Blake bei dem Auto angekommen, von wo aus er Keena zuvor beobachtet hatte, und zog darunter eine große Tasche mit seinen wenigen Habseligkeiten hervor.

      »Und wie lang sind fünf Minuten?«

      »So lange wie du kannst.« Blake seufzte. Der kleine Mund wollte einfach nicht zubleiben.

      »Und was gibt es zu gewinnen?« Blake schien ein total cooler Typ zu sein. Kevin war begeistert von seinem neuen Beschützer. So ein Spiel hatte seine Mami mit ihm noch nie gemacht. Bei ihr durfte er draußen nie reden, wegen der Tumber.

      Blake überlegte einen kurzen Moment. Dann zog er aus seiner Gesäßtasche ein längliches Stück Metall, das er Kevin reichte.

      »Was ist das?« Neugierig drehte er das durchlöcherte Teil in den Händen. So etwas hatte er noch nie gesehen.

      »Eine Mundharmonika. Sie hat einmal meinem Großvater gehört und davor seinem Großvater und so weiter. Sie ist schon uralt und stammt noch von der Erde. Wenn du die Wette gewinnst, darfst du darauf spielen, wann immer du willst.«

      Kevin schien enttäuscht. »Wie spiele ich mit der Monika?« Was sollte er mit diesem langweiligen Ding bloß anfangen?

      »Mundharmonika.« Blake nahm sie ihm ab und ging mit dem Jungen zurück ins Gebäude, damit niemand sie hörte. Dann setzte er sie an die Lippen und sofort erklang eine flotte Melodie.

      Kevin war so begeistert, dass er zum Rhythmus der Musik in die Hände klatschte. So etwas Schönes hatte er schon lange nicht mehr gehört. »Gib sie mir. Schnell!«

      Blake klopfte die Mundharmonika kurz aus, bevor er sie dem Jungen reichte. »Pass aber gut darauf auf. Sie bedeutet mir sehr viel.«

      Kevin setzte sie sich an die Lippen, genau wie es Blake getan hatte. Doch nichts geschah.

      »Du musst reinblasen. Aber wir müssen los. Du darfst niemals draußen spielen, um die Tumber nicht anzulocken.«

      Sie gingen los, und Kevin blieb tatsächlich ruhig und studierte das Musikinstrument, bis sie in der Caroll-Street ankamen. Die Tür der Apotheke war nicht verschlossen und Blake ließ den Jungen solange auf dem Instrument üben, bis er alles hatte, was er brauchte.

      »Bei mir kommt einfach keine richtige Musik raus.« Enttäuscht gab er die Mundharmonika Blake zurück.

      »Ich bringe dir bei, wie man darauf spielt, wenn du willst.«

      Kevin machte vor Freude kleine Luftsprünge.

      »Aber erst musst du die Wette gewinnen.«

      Schweigsam trotteten beide über den erhitzten Asphalt. Der heiße Sommertag ließ die Luft über dem Boden flimmern, erschwerte das Atmen und machte müde. Blake war mittlerweile nasser als nass. Er hob seinen Arm und schnüffelte. Angewidert verzog er das Gesicht. Er brauchte dringend ein Bad.

      Also machten sie einen Abstecher durch den Freedom-Park. Beim See angekommen, zog er seine feuchten Sachen aus, die er achtlos auf das Kiesufer warf, und sprang ins frische Wasser. Kevin tat es ihm gleich und stürzte hinter Blake her. Prustend ging er unter.