Название | Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte |
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Автор произведения | Eugenie Marlitt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788026841036 |
Wir biegen in einen der Kieswege, die das Rasenrund umschließen, wandeln zwischen geschmackvoll angelegten, freilich noch schwach entwickelten Bosketts und weiden unsere Augen an blühenden Sträuchern und augenscheinlich zärtlich gepflegten Blumenbeeten, die buntfarbig auf dem Rasen liegen.
Da drüben liegt der Zwischenbau. Die Luft bestreicht jetzt seine vier Wände, die ein sauberes, helles Kleid angelegt haben, aber seine Fronte ist stattlicher geworden. An jeder Seite blitzen neue Fenster; Ferber hat das Haus um vier Zimmer erweitern lassen, denn der Oberförster will, wenn er sich ins Privatleben zurückzieht, mit Sabine da droben wohnen.
Im Ferberschen Wohnzimmer, dessen zwei hohe Fenster jetzt dieselbe Aussicht gewähren, wie früher nur das Bogenfenster in Elisabeths ehemaligem Stübchen – Herr von Walde hat die Bäume lichten lassen, damit die Eltern das Heim ihres Kindes immer vor Augen haben –, also im Wohnzimmer steht die junge Frau von Walde. Sie ist mehrere Wochen an das Haus gebannt gewesen, und ihr erster Ausgang führt sie auf den Berg, um ihren Erstgeborenen im großelterlichen Hause vorzustellen … Da liegt er auf ihrem Arme. Miß Mertens, oder vielmehr die längst glücklich verheiratete Frau Reinhard, hat den Kleinen heraufgetragen und schiebt vorsichtig den schützenden Schleier zurück. Das frische, rote Gesichtchen trägt die Züge derer von Walde, und aus dem Spitzenhäubchen fällt ein feiner, dunkler Haarstreifen auf die Stirn. Ernst will sich totlachen über die täppischen Bewegungen der drallen, roten Fäustchen, die sich nach allen Richtungen hin recken und strecken. Der Oberförster aber hat in eigentümlich ängstlicher Haltung seine eigenen gewaltigen Hände auf den Rücken gelegt, als fürchte er, durch irgend eine seiner kräftigen Bewegungen dem winzigen Geschöpfchen einen Schaden zuzufügen. Er ist nicht minder entzückt von seinem Großneffen, wie die Großeltern von ihrem Enkelchen. Er hat die schlimme Erfahrung bezüglich Berthas verschmerzt und sonnt sich in Elisabeths Glück, das ihm anfangs wunderbar genug vorkam, und von welchem er behauptete, er müsse jeden Morgen von neuem lernen, daran zu glauben. Nicht etwa, daß er gemeint hätte, es sei zu außerordentlich für seinen kleinen Liebling – er hätte wohl die höchste Krone der Erde auf Elisabeths reiner Stirn als ganz an ihrem Platze gefunden –, es war ihm nur sehr verwunderlich, das junge Wesen »mit den quecksilbernen Füßen und dem sonnigen Gesichte« so hingebend an der Seite des ernsten, gereiften Mannes zu sehen.
Elisabeth ist glücklich in des Wortes höchster Bedeutung. Ihr Mann betet sie an, und sein Ausspruch ist wahr geworden; jener Ausdruck von Melancholie und Strenge scheint für immer von seiner Stirn gewichen zu sein.
Sie blickt in diesem Augenblicke glückselig auf das zarte Wesen in ihrem Arme und dann hinunter ins Thal, wo er bald über den Kiesplatz schreiten und heraufeilen wird, um sie und das Kleine abzuholen … Einen Moment verdunkelt sich ihr Blick und wird feucht; er fällt auf ein hohes, vergoldetes Kreuz, das aus dem Wäldchen am See aufblitzt; dort, unter den rauschenden Wipfeln, in einem prächtigen Mausoleum, schlummert Helene seit einem Jahre. Sie ist in Elisabeths Armen gestorben, mit dem Gebete auf den Lippen, daß Gott die segnen möge, die des Grames Last treulich mit ihr getragen und sie gestützt hat, bis die gebrochene Seele sich losringen durfte von der hinfälligen Hülle.
Hollfeld hat Odenberg verkaufen lassen, und niemand weiß, in welchem Winkel der Erde er über das Scheitern aller seiner Anschläge und Pläne grollt.
Im Schillingshof