Erdsegen: Vertrauliche Sonntagsbriefe eines Bauernknechtes. Peter Rosegger

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Название Erdsegen: Vertrauliche Sonntagsbriefe eines Bauernknechtes
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 4064066111618



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das wohl vorgekommen, aber jetzt thäten die Leute lieber fluchen. Das hielten sie für vornehmer. — Offen gesagt, will ich mir auch das Fluchen nicht verschwören. — Wenn’s Herzerleichterung macht, warum nicht? Ein zorniges Beten, was ist es denn anders?

      Du merkst, daß ich schon anfange, die bäuerlichen Laster zu verteidigen. Sollte ich mich mit der bäuerlichen Tüchtigkeit auch so leicht befreunden, dann müßte man mich bei der nächsten landwirtschaftlichen Ausstellung prämiieren lassen und in ein Raritätenkabinet stellen: Belieben hereinzuspazieren, meine Herrschaften! Hier ist das achte Weltwunder zu sehen: Ein Stadtherr, der Bauer geworden ist! — Na nu! Journalisten-Bummelwitzigkeit! Will schon fleißig mit Kuhmist desinfizieren, daß das Ungeziefer nicht wieder überhand nimmt.

      Mein Hausvater hat keine Ahnung, welches Ungeheuer unter seinem Dache haust. Von diesem Hause und von diesen Leuten will ich dir das nächstemal berichten. Der Brief muß doch endlich ab.

      Ich bitte dich um eins, Professor, teurer Doktor der Philosophie — verlaß mich nicht!

       Dein Hans.

       Inhaltsverzeichnis

      Adamshaus, am fünften Sonntage.

      Dank, mein Freund, und ewigen Dank für dein Schreiben, für deinen Zuspruch. Weil du mich nur keinen Thoren genannt hast. Alles andere erträgt sich. An meiner Willenskraft, hoffe ich, wird’s nicht fehlen. Einmal ein Jahr lang zu unserm Herrgott in die Schule gehen! Ein besseres Wort hättest du mir nicht können sagen. Und daß mich wohl das Mitleid in dieses Haus gebracht hätt’, stimmt auch zur Not.

      Wie vor ein paar Wochen einem erschöpften Mann der Mehlsack abgenommen und herauf zu seinem Hause getragen worden ist, das weißt du. Es war der Adamshauser, von dem vorher der Schullehrer gesprochen. Sein Hof, hoch an der Bergstirn, liegt unter alten Ahornen fast stattlich da. Als wir ins Haus traten, wies der Bauer mit beiden Händen auf mich und rief in kurzen Atemstößen seinem Weibe zu: „Der da! Wenn er hätt’ wollen, hätt’ er mir mit meinem Mehl zum Teuxel gehen können. Ich wär’ ihm heut’ nit nachgelaufen. Weil’s mich wieder hat. Meinen Rauch, Mutter!“

      Gab das Weib zurück: „Wie ich halt sag! Weltfremde Leut’ sind immer einmal besser, als wie die lieben Nachbarn.“

      Dann nahm sie eine Blechpfanne mit glühenden Kohlen, that getrocknetes Kraut hinein, hielt sie dem Manne, der in einen Lehnstuhl gesunken war, vors Gesicht. Den aufsteigenden Rauch atmete er ein. So ein paar Minuten lang, dann stemmte er die Hände seitlings an die Brust, atmete hoch auf und sagte: „Gott sei Dank, vorbei ist’s wieder!“

      Nun mischte ich mich mit der Frage ein, was sie denn in der Pfanne verbrannt hätten?

      „Hexenkraut!“ antwortete das Weib.

      „Ist nit so schlimm wie der Name,“ setzte der Mann bei, „für den Lungendampf gar kein besseres Mittel. Jetzt sollt Ihr wohl Euren Rock austhun und rasten. Und die Stiefel abklopfen, sonst thun sie so viel nassen. Endlich ist er doch da, der Winter. Das Jahr hat man schon gemeint, es kommt keiner.“

      „Wenn Ihr an Asthma leidet, solltet Ihr Euch doch schonen und einen Knecht in die Mühle schicken?“ So ich.

      „Einen Knecht? Hab’s eh gethan? Hab’s eh gethan.“

      „Das ist gewiß,“ gab das Weib bei, „weil er selber sein Knecht ist. Und sein bester auch noch.“

      Das grauende Haar strich er mit flacher Hand über die Stirn herab und fast munter guckte er drein über den Spaß, daß er selber sein bester Knecht sei. Bald habe ich allerlei erfahren. Der älteste Sohn ist in Laibach Soldat. Der andere liegt im Nebenstübel und wimmert.

      „Auf den ist so viel geschossen worden!“ sagte das Weib.

      „Auf den Soldaten?“

      „Aber nein, auf den andern. Es geht nit recht her auf der Welt.“

      „Laß es gut sein, Mutter,“ wies der Mann zurecht. „Mir ist es lieber, wie es ist. Es kunnt ganz anders sein. Im Kotter kunnt er sitzen, anstatt da drinnen liegen. Er hätt’ sich abscheulich vergessen können. Wenn einer so vor dem Jäger steht. Auf ja und nein kann ihn Gott verlassen!“

      „Was hätt’s denn gemacht?“ rief das Weib erregt und mit den krummgebogenen Armen zitternd, „wenn sie den einen Buben beim Militari zum Leutderschießen einlernen, so wird der andere sich wohl auch um sein Leben wehren dürfen!“

      „Mutter,“ beschwichtigte er, „mußt nit wieder sper werden. Wenn sie eh so bös brennt, die Wunden, wenn sie eh so bös brennt! Mußt nit auch noch alleweil Scheidewasser draufgießen. Ein Lackerl Milch, wenn du ihm kochen wolltest. Dem da. Fürs Mehltragen, daß er so gut ist gewesen. Und ich muß jetzt zum Vieh.“

      „Ihr habt wohl eine große Wirtschaft?“ So meine Frage.

      „Zum Prahlen wär’ sie zu klein und zum Dermachen ist sie zu groß.“

      „Dann solltet Ihr doch einen Knecht nehmen.“

      „Nehmen!“ kreischte sie lachend auf. „Das ist leicht gesagt.“

      „Es ist halt keiner zu kriegen,“ setzte er bei.

      Sagte darauf ich: „Manchmal gäbe es ihrer vielleicht doch.“

      „Und keiner zu bezahlen!“ so er.

      „Und keiner zu köstigen und zu gewanden!“ so sie.

      „Thun ja hell brandschatzen, die Dienstboten, heutzutag,“ so er.

      Und sie: „Zu schlecht ist ihnen schon alles. Haben im vorigen Sommer zum Heuen so eine Gnad’ gehabt, eine zweifüßige. Eh von der Nachbarschaft einer. Ein ausgedienter Soldat. Beim Militari, von Obristen abschanden lassen wie ein Mistbub, aber daheim vom Hausvater kein ungeschaffen Wörtel annehmen. Solche Dienstleut! Da arbeit’ ich lieber Tag und Nacht selber. Ist ja wahr auch! In der Kasern, ja, da lassen sie sich das Hungerleiden schön gefallen, aber nachher auf der Bäuerei stoßen sie die Erdäpfelschüssel mit der Faust über den Tisch hin: Das wär’ ein Fressen für die Säue! Mein Lebtag hat mir noch keiner mein Essen verschmäht, als wie der. Aber dem kommt’s heim. Dem kommt’s noch heim. Denkt’s, daß ich’s gesagt hab!“

      „Thu dich nit anzünden, Mutter,“ beschwichtigte wieder der Bauer. „Ist eh arm dran, so ein Mensch, wenn sein schwacher Magen nit einmal mehr ein Erdäpfelsterzel verkochen kann. Nit einmal ein Erdäpfelsterzel!“

      Jetzt habe ich mir einen Anrand genommen. „Bauersleute,“ sage ich, „wenn euch mit mir geholfen wäre. Ich habe schon allerhand probiert auf der Welt, Hartes mehr wie Leichtes, so wird mich das Bauerndienen auch nicht umbringen. Wenn ich auch kein Geborner bin. Was man nicht kann, das lernt man und was einem etwa nicht taugt, das gewöhnt man. Um Kost und Schlafstatt werde ich nicht greinen, und Jahrlohn, was ihr leicht mögt. Nicht etwa, daß mir just ums Winterdach zu thun wäre, will auch im Sommer bei euch bleiben und wegen keiner schweren Arbeit verzagen. In allem Ernst, Leutlein, wenn’s euch recht ist, so bleib’ ich da.“

      So, mein Freund, habe ich mich hinwerfen müssen, ist das nicht tapfer gewesen? Und habe dabei gar nicht einmal auf mein Ehrenwort gedacht, als vielmehr, daß mich die armen Hascher erbarmen. — Bin doch ein schrecklich edler Mensch! Wie also das gesprochen war, sind sie vor mir alle zwei dagesessen, haben sich angeschaut und nichts als angeschaut. Er hält über den Magen die Hände gefaltet und endlich ist er doch so weit, zu sagen: „Da weiß der Mensch gar nit, wie ihm geschieht.“

      Sie hingegen hat ein schlagenderes Wort. „Richtig wahr,“ sagt sie, „mehr kunnt ein Spitzbub auch nit versprechen.“

      Aber er: „Ungeschickt, ungeschickt, Mutter! Wenn’s ein schlechter Mensch thät’ sein, wär’ er mir mit dem Mehlsack davon, unten auf der Brandlahn. Weißt, wie sie voriges Jahr dem Gleimer-Stindl die Kasbutten weggenommen