Название | Die Technik des Dramas |
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Автор произведения | Gustav Freytag |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 4064066113346 |
Aber er ist zugleich höchstes Muster, wie dergleichen spukhafte Gebilde künstlerisch für das Drama verwerthet sein wollen. Wer Helden vergangener Jahrhunderte innerhalb der Lebensanschauung ihrer Zeit darzustellen hat, wird eine Unfreiheit und Abhängigkeit der Menschen von sagenhaften Gebilden nicht ganz verbergen; aber er wird sie so verwenden, wie Shakespeare seine Hexen in den ersten Scenen des Macbeth, als Arabesken, welche Farbe und Stimmung der Zeit spiegeln und welche nur eine Veranlassung geben, das aus dem Innern des Helden herauszutreiben, was mit der für eine dramatische Gestalt nothwendigen Freiheit in seiner eigenen Seele emporwächst.
Für die Arbeit des modernen Dichters ist zu bemerken, daß solche Hilfsmittel der Handlung vorzugsweise dienen, Farbe und Stimmung zu geben. Sie gehören also in den Aufgang des Dramas. Aber auch, wenn sie in die Wirkungen späterer Theile geflochten sind, wird unvermeidlich ihr Erscheinen schon im Anfange durch eine damit stimmende Färbung zu rechtfertigen und außerdem besonders genau zu begründen sein. So ist das Erscheinen des schwarzen Ritters in der Jungfrau deshalb eine störende Zuthat, weil die gespenstige Gestalt unvorbereitet aufsteigt und zu der glänzenden, gedankenreichen Sprache Schiller's, zu Ton und Farbe des Stückes durchaus nicht paßt. Die Zeit und Handlung an sich hätte eine solche Erscheinung ganz wohl erlaubt, auch erschien er dem Dichter als ein Gegenbild zu der kriegerischen Himmelskönigin, welche Fahne und Schwert in das Drama liefert. Aber Schiller hat auch die Himmelskönigin nicht selbst vorgeführt, nur in seiner prächtigen Weise von ihr erzählen lassen. Hätte der Prolog die entscheidende Unterredung des Hirtenmädchens mit der Mutter Gottes in der Sprache und treuherzigen Haltung, wie sie der mittelalterliche Stoff nahe legte, dargestellt, so wäre auch dem späteren Erscheinen des bösen Geistes bessere Berechtigung geworden. Die Rolle ist übrigens auch in Tracht und Rede nicht vortheilhaft ausgestattet. Schiller verfügte mit bewundernswerther Meisterschaft über die verschiedenartigste historische Färbung, aber der Dämmerschein des Sagenhaften steht ihm, der immer in vollen Farben malt und, wenn ein spielender Vergleich erlaubt ist, leuchtendes Goldgelb und dunkles Himmelblau am liebsten verwendet, gar nicht an. Wundervoll hat dagegen Goethe, der unumschränkte Herr lyrischer Stimmungen, die Geisterwelt für die Farben des Faust verwendet, allerdings nicht zum Zweck einer Aufführung.
5.
Wichtigkeit und Größe der Handlung.
Die Handlung des ernsten Dramas muß Wichtigkeit und Größe haben.
Die Kämpfe der einzelnen Menschen sollen ihr innerstes Leben ergreifen, der Gegenstand des Kampfes soll nach allgemeiner Auffassung ein hoher sein, die Behandlung eine würdige.
Solchem Inhalt der Handlung müssen auch die Charaktere entsprechen, um eine große Wirkung des Dramas hervorzubringen. Ist die Handlung dem angeführten Gesetz gemäß zugerichtet und die Charaktere genügen nicht den dadurch erregten Forderungen, oder haben die Charaktere eine große und leidenschaftliche Bewegung, während der Handlung diese Eigenschaften fehlen, so wird das Mißverhältniß vom Hörer peinlich empfunden. Iphigeneia in Aulis hat bei Euripides einen Inhalt, welcher die furchtbarsten menschlichen Seelenkämpfe für die Bühne liefert, aber die Charaktere sind, allenfalls mit Ausnahme der Klytämnestra, schlecht erfunden, entweder durch unnöthige Niedrigkeit der Gesinnung oder durch Kraftlosigkeit, oder durch unbegründete plötzliche Wandlungen der Empfindung entstellt, so Agamemnon, Menelaos, Achilleus, Iphigeneia. Und wieder im Timon von Athen des Shakespeare hat zwar der Charakter des Helden von dem Augenblick, wo er in Bewegung gesetzt wird, eine immer steigende Energie und Kraft, welcher eine finstere Großartigkeit durchaus nicht fehlt, aber Idee und Handlung stehen im Mißverhältniß dazu. Daß ein warmherziger, vertrauensvoller Verschwender nach Verlust der äußern Güter durch Undank und Gemeinheit seiner frühern Freunde zum Menschenhasser wird, setzt Schwäche des eigenen Charakters und Erbärmlichkeit seiner Umgebung voraus, und diese Haltlosigkeit und Kläglichkeit aller dargestellten Verhältnisse verengt trotz großer Dichterkunst das Mitgefühl des Hörers.
Aber auch die Umgebung, der Lebenskreis des Helden beeinflußt die Würde und Größe der Handlung. Wir fordern mit Recht, daß der Held, dessen Schicksal uns fesseln soll, einen starken, über das gewöhnliche Maß menschlicher Kraft hinausreichenden Inhalt habe. Dieser Inhalt seines Wesens liegt aber nicht nur in der Energie seines Wollens und der Wucht seiner Leidenschaft, sondern nicht weniger in einem reichlichen Antheil an der Bildung, Sitte, der geistigen Tüchtigkeit seiner Zeit. Er hat sich in wichtigen Beziehungen seiner Umgebung als überlegen darzustellen, und seine Umgebung muß so beschaffen sein, daß dem Hörer an ihr eine hohe Antheilnahme leicht wird. Es ist daher kein Zufall, daß eine Handlung, welche in vergangene Zeiten zurückgeht, immer die Kreise aufsucht, in denen das wichtigste und größte Leben der Zeit enthalten war, die großen Angelegenheiten eines Volkes, das Leben seiner Führer und Beherrscher, diejenigen Höhen der Menschheit, welche nicht nur einen kräftigen geistigen Inhalt, sondern auch eine bedeutende Willenskraft entwickelten. Sind uns aus alter Zeit doch fast nur die Thaten und Lebensschicksale solcher Herrschenden überliefert.
Bei Stoffen aus neuerer Zeit ändert sich allerdings das Verhältniß. Nicht mehr sind für uns die stärksten Leidenschaften, die höchsten inneren Kämpfe an Höfen, in politischen Herrschern allein zu erkennen. Ja nicht einmal vorzugsweise. Immer aber bleibt solchen Gestalten für das Drama gerade das ein Vorzug, was für ihr und ihrer Zeitgenossen Leben ein Unglück werden mag. Sie stehen auch jetzt noch freier zu dem Zwange, welchen die bürgerliche Gesellschaft auf den Privatmann ausübt. Sie sind nicht ganz in dem Grade wie der Privatmann dem bürgerlichen Gesetz unterworfen, und sie wissen das. In innern und äußern Kämpfen hat ihr eigenes Selbst nicht größeres Recht, aber größere Macht. So erscheinen sie als freier, stärkerer Versuchung ausgesetzt und stärkerer Selbstbestimmung fähig. Dazu kommt, daß die Verhältnisse, in denen sie leben, und die verschiedenen Richtungen, nach denen sie wirken, einen Reichthum an Farben, die bunteste Mannigfaltigkeit an Gestalten darbieten. Endlich ist auch das Gegenspiel gegen ihre Person und gegen ihre Zwecke am thätigsten, und das Gebiet der Interessen, für welche sie leben sollen, umfaßt die höchsten irdischen Angelegenheiten.
Aber auch das Leben von Privatpersonen ist seit Jahrhunderten aus dem äußeren Zwange bestimmender Ueberlieferung herausgehoben, mit Adel und innerer Freiheit, mit kräftigen Gegensätzen und Kämpfen angefüllt. Ueberall, wo in der Wirklichkeit ein Kreis weltlicher Ziele und Handlungen von der Zeitbildung durchdrungen