Gesammelte Werke von Stefan Zweig. Стефан Цвейг

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Название Gesammelte Werke von Stefan Zweig
Автор произведения Стефан Цвейг
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027209583



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Der Henker, der sie zerpfählte und quälte,

       Und war noch der Hohn, der dann sie verlachte verlachte –

       Oh, alles war ich, was dein Irrwitz mich machte,

       Denn fühllos wie Feuer und dumpf wie ein Tier,

       So diente ich dir! So diente ich dir!

       Ich fühlte die Brüder, deren Seele mich suchte,

       Und doch! Ich verschloß mich und fluchte und fluchte,

       Und ob auch mein Herz sich bäumte und schrie,

       Ich zäumte es nieder und züchtigte sie.

      STIMMEN:

       Im Fieber redet er… zu wem spricht er… er ist rasend… sein Hirn verbrennt… Irrwitz redet er…

      JEREMIAS:

      Aber ich sage mich los!

       Ich tu nicht länger nach deinem Begehr,

       Ich rechte nicht mehr und knechte nicht mehr!

       Mein Herz ist nicht länger dir Heimstatt und Haus,

       Ich stürz dich aus deinen Himmeln hinaus!

       Wie du dein Volk, so hab ich dich verstoßen,

       Den harten Hasser, den Mitleidslosen,

       Denn ein Gott, der Hohn anstatt Hilfe gibt,

       Ist nicht wert mehr, daß man ihn kündet und liebt!

       Nur wer das Leiden wendet, ist Gott allein,

       Nur wer Trost ausspendet, darf Allmacht sein!

       Oh, ich weiß es, ich weiß es, nur der ist Profet,

       Dessen Hand die ewige Liebe aussäet,

       Dessen Seele Flut ist von großem Erbarmen,

       Dessen Seele Glut ist von allem warmen

       Strömenden Blut, das unschuldig versprengt ist,

       Und dessen Herz von unendlicher Liebe versengt ist!

       Oh, und ich fühl es, ich fühl es, ich kann einer sein,

       Denn die Stimmen, die ungehört auf zu dir schrein,

       Sie schlagen wie Flammen in mich hinein!

       Mich ruft die Stadt, die du zürnend verbrannt hast,

       Mich ruft dein Volk, das du hassend verbannt hast,

       Mich rufen die Witwen, die du gezeugt hast,

       Mich rufen die Mütter, die du gebeugt hast,

       Mich ruft der König, den du geblendet,

       Dein Altar, den du dir selber geschändet:

       Aus Grüften und Lüften sind klingende Boten

       Urmächtigen Leidens mir zugesendet,

       Die Lebenden rufen, mich rufen die Toten,

       Und mein Herz erhört sie – es hat sich gewendet:

       Gewendet von dir, der du hassend und hart bist

       Und zum Götzenstein deines Stolzes erstarrt bist,

       Zu ihnen, den Schwestern, zu ihnen, den Brüdern,

       Die Leiden umkleiden, die Qualen erniedern!

       Nur ihnen, nur ihnen

       Tut auf sich mein Herz, blühn auf meine Arme,

       Und ich beug ihrem Leid mich, ihm beug ich die Knie –

       Denn ich hasse dich, Gott, und ich liebe nur sie!

      DER ÄLTESTE:

       Er hat Gott verflucht… Schlagt ihn nieder…

      STIMMEN:

       Er rast… er ist toll… Irrwitz ist seine Rede… Wachen Auges träumt er… es ist Gefahr, ihn zu hören… bringt ihn zum Schweigen…

      JEREMIAS (plötzlich in die Knie brechend, gegen die andern gewandt):

      Oh, meine Brüder, verzeiht mir, verzeiht,

       Verzeiht meiner ruchlosen Eitelkeit!

       Er, er nur hat mich mit Träumen verblendet,

       Mit Worten gelockt und mit Zeichen versucht,

       Daß ich meinte im Trotz meiner Eigensucht,

       Ich sei als ein Mahner gen euch gesendet.

       Ich meinte, daß ich der Große bin,

       Wenn seinen Namen ich wider euch reckte

       Und die Zähne mit seinen Flüchen ausbleckte, –

       Doch ich reiße mich los und verstoße ihn!

       Und ob ich hoffärtig an euch getan,

       Ihr Brüder, hört mich erbarmungsvoll an!

       Weil ich euch fluchte, erbost euch nicht,

       Weil er mich versuchte, verstoßt mich nicht,

       Zu euren Füßen werf ich mich hin,

       Fühlt, fühlt es, daß ich voll Buße bin!

      (DIE MÄNNER UND FRAUEN weichen entsetzt zurück.)

      JEREMIAS (ihnen nachkriechend auf den Knien):

      Ihr Brüder, ihr Brüder, verzeiht mir, verzeiht,

       Oh, wie fühl ichs jetzt, daß ihr mir Brüder seid

       Und ich der jüngste, geringste von allen!

       Oh, laßt mich, ihr Lieben, nun Liebe nur sprechen

       Und selig das Brot eures Leidens mitbrechen,

       Oh, laßt es, ihr Brüder, euch gütig gefallen,

       Daß ich euch liebe, daß ich euch gehöre,

       Nie soll mein Wort mehr, ich schwöre, ich schwöre,

       Sich frech und mahnend wider euch kehren.

       Das Letzte, das Niederste will ich euch tun,

       Das ihr mir auflegt als Buße und Pein,

       Den Staub will ich küssen von euren Schuhn

       Und der klägliche Knecht eurer Knechte sein.

       Oh, ihr Brüder im Dunkel, ihr Brüder im Leid,

       Meine Reue fühlt, meine Demütigkeit,

       Und vergebt mir, ihr Brüder, verzeiht mir, verzeiht!

      DER ÄLTESTE:

       Tod über den, der ihn berührt! Gott hat ihn gerichtet.

      STIMMEN:

       Gottverfluchter… fort mit dir… fort… weg von uns… weg aus unserer Mitte… verpeste uns nicht… Gottesleugner… fort… fort…

      JEREMIAS (zurückgestoßen, mit einem dumpfen Aufschrei):

       Aussatz über mich! Aussatz über mich und Tod! (Er bricht in sich zusammen.)

      STIMMEN:

       Man muß ihn hinausschaffen wie ein Aas… er verpestet mit seiner Nähe den Atem… Wahnsinn ist über ihm… hinaus mit ihm… tötet ihn… schlagt ihn nieder…

      DER ÄLTESTE:

       Rührt ihn nicht an! Gottes Hand ist über ihm, und sie ist stärker, denn die unsere.

      (EIN POCHEN, heftig und herrisch, an der Türe.)

      ALLE (durcheinander):

       Die Herolde… die Chaldäer… es pocht wie die Hand eines Gebieters… es ist keiner der unsern…

      (DAS POCHEN, heftiger und eiliger.)

      ALLE (durcheinander):

       Wie er drängt… er ist ungeduldig… man darf ihn nicht erzürnen… laßt verschlossen, Räuber sind es, Chaldäer… man muß auftun… er erzürnt sonst.

      DER ÄLTESTE:

       Ich tue ihm auf. Sind wir denn des Todes