Gesammelte Werke von Stefan Zweig. Стефан Цвейг

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Название Gesammelte Werke von Stefan Zweig
Автор произведения Стефан Цвейг
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027209583



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sinkt der Tempel in Staub. König, mein König, tu auf die Tore, tu auf dein Herz!

      ZEDEKIA (grimmig):

       Tu auf die Tore, tu auf dein Herz – ich kenne dieses Wort. Nicht du sprichst zu mir, du Frecher. Es ist einer hinter dir, der redet wider mich…

      BARUCH:

       Niemand, mein König: ich flehe aus der Tiefe meiner Angst. Wahrheit will ich dir sagen. Nicht gefordert hat mich Nabukadnezar zu sich, ich sah, daß zögerten die einen und die andern zum Frieden; da ging ich hin zu ihm freien Herzens, daß ich das seine erweichte. Sein Gewand faßte ich an und flehte, elf Monde, Tag für Tag, bis er mir Botschaft gab an dich.

      ZEDEKIA:

       Das hast du getan? Ein Knabe, ein Kind, bist du gegangen, während wir sprachen und rieten, bist du gegangen zum König der Könige, um Frieden zu holen?

      BARUCH:

       So habe ich getan in meines Herzens Not, mein König.

      ZEDEKIA (ihn lange ansehend; plötzlich scharf):

       Nicht du hast diese Tat ersonnen, nicht du!

      BARUCH:

       Niemand hat mich sie geheißen.

      ZEDEKIA:

       Das ist nicht wahr. Kein Knabe sinnt solche Taten aus.

      BARUCH:

       Ich schwöre, mein König, ich tat es allein. Unwissend war er ihrer, nicht hat er sie befohlen noch gebilligt.

      ZEDEKIA:

       Wer ist dieser, der dir gebietet?

      BARUCH (ausflüchtend):

       Mein Lehrer, mein Meister.

      ZEDEKIA:

       Wer ist dein Meister, frage ich, wer gebietet den Knaben in dieser Stadt?

      BARUCH:

       Gottes Diener und Profet ist mein Meister – Jeremias.

      ZEDEKIA (ausbrechend):

       Jeremias! Er, immer er! Immer der Schatten hinter meiner Tat, immer in Aufruhr wider mich! In den Kerker habe ich ihn verschlossen, aber noch immer schreit er zu mir wie am ersten Tage: Friede, Friede! Was drängt er sich vor? Was will er mich verwirren, was quert er meinen Weg? Wo ich mich wende, ist auch er, im Palast, in der Stadt, und durch seine Boten wirft er sich auf wider mich. Was verfolgt er mich?

      BARUCH:

       Du irrst, mein König! Jeremias liebt dich mehr, denn einen andern dieser Stadt.

      ZEDEKIA:

       Ich brauche seine Liebe nicht, ich speie sie an und zerblase seinen Zorn! Wer ist er, daß er wagt, mich zu lieben? Darf einer aufstehn in der Gasse und künden, er liebet mich oder liebet mich nicht? Was stößt er sich zwischen mich und meinen Entschluß? Will er mehr sein als ich? Ich bin der König, ich allein! Möge er schreien: Friede, Friede! nicht seine Hand hält Jerusalems Geschick. Ich bin der König, und nicht rühmen soll er sich, er habe mich geschreckt mit seinen Träumen. Eher sinke die Stadt, als daß sie gerettet sei durch Jeremias! (Zu Baruch): Du gehst zu Nabukadnezar und sagest ihm an: Nie wird Zedekia ein Joch tragen, nie hebt er den Vorhang des Heiligsten. Möge er kommen mit seinen Völkern, Zedekia ist ihm bereit.

      (BARUCH, im Schrecken beide Hände hebend, will sprechen.)

      ZEDEKIA:

       Kein Wort! Und bringst du die Botschaft nicht, so fällt Jeremias Haupt. Zweimal habe ich seines Lebens geschont, doch zu Ende ist meine Milde. Nicht will ich Richter hinter mir und Schatten hinter meiner Tat, ich will sterben als König zu Jerusalem.

      (BARUCH hebt noch einmal die Hände.)

      ZEDEKIA:

       Ein Wort dawider, und sein Haupt sinkt hin. In deinen Händen ist meine Botschaft, ist Jeremias Haupt. Geh! Ich befehle dir: geh!

      (BARUCH bleibt noch einen Augenblick stehen, dann verhüllt er sein Antlitz und wendet sich ab.) ZEDEKIA (hat sich drohend aufgerichtet gegen den Zögernden. Wie Baruch abgeht, fällt sein ausgereckter Arm nieder wie zerbrochen, sein Antlitz verdüstert sich wieder von neuem. Plötzlich sich aufreckend): Vorbei! Ein Ende, ein Ende! Nur nicht mehr die Qual! (Er geht wieder auf und ab, hebt den Vorhang und sieht lange stumm sinnend auf die Stadt. Endlich stampft er zweimal mit dem Fuße.)

      DER KNABE SCHWERTTRÄGER (erscheint):

       Mein König?

      ZEDEKIA:

       Wein! Bring mir Wein! Ich will schlafen, schwarz und tief, schlafen ohne Träume!

      (DER SCHWERTTRÄGER bringt hastig einen Krug und füllt den silbernen Becher. Zedekia stürzt ihn gierig hinab. Sein Gesicht wird wieder unruhig.)

      ZEDEKIA:

       Wer ist draußen im Gange? Ich höre einen Schritt. Ist der Späher nicht gegangen, zögert er noch?

      SCHWERTTRÄGER:

       Er ist gegangen, Herr! Der draußen wacht, ist mein Bruder Nehemia.

      ZEDEKIA:

       Er soll nicht so laut schreiten des Nachts vor meinem Schlafgemach. Ich will nichts hören um mich. Ich will schlafen. Auch ich will schlafen wie die andern.

      SCHWERTTRÄGER:

       Es soll geschehen, Herr! (Er schlägt die Vorhänge des Pfühles auseinander und verhüllt die Ampel. Nur ein trüber Schein von Mondlicht glänzt in den Raum.)

      SCHWERTTRÄGER:

       Soll ich dir noch lesen aus den heiligen Büchern, mein König, wie gestern und ehetags?

      ZEDEKIA:

       Aus den Büchern?… Nein, laß die Bücher, auch sie wissen nicht Rat. Ich will schlafen, schlafen einmal wie die andern. Meine Lider brennen, und mein Herz brennt mit.

      SCHWERTTRÄGER (hilft ihm aus dem Obergewand. Zedekia wirft sich auf das Ruhelager): Gott schütze deinen Schlummer, mein König.

      (ZEDEKIA breitet sich hin.)

      (SCHWERTTRÄGER ruft Nehemia. Sie stellen sich schweigend ins Dunkel zu Häupten des Bettes, reglos auf ihre Lanzen gestützt. Die Lampe ist ganz verhüllt, nur das Fenster wirft Mondlicht auf den Teppich zu Füßen des Pfühles. Riesengroß stehen die Schatten der Wachenden an der Wand. Es ist ganz still. Man hört aus dem Hofe jetzt das leise plätschernde Rauschen eines Springbrunnens. Sonst ist alles wie erstorben. Die beiden rühren sich nicht. Die Zeit fließt stumm weiter.)

      ZEDEKIA (plötzlich wild aufspringend und sie anfahrend):

       Was flüstert ihr miteinander? Habe ich nicht Stille befohlen?

      SCHWERTTRÄGER (erschrocken):

       Wir sprachen nichts, mein König.

      ZEDEKIA:

       Aber es spricht jemand! Wer dringt in meinen Schlaf, wer frißt an meinem Schlummer? Sie sollen schlafen jetzt alle, alle, damit ich schlafen kann! Ist jemand noch wach in den Nebengemächern?

      SCHWERTTRÄGER:

       Niemand, mein König. Niemand ist wach mehr im Hause.

      ZEDEKIA:

       Niemand ist wach mehr, nur ich, nur ich! Warum auf mich alle Last, die Mauern der Stadt und die Türme der Sorgen? Wein, gib mir Wein!

      (SCHWERTTRÄGER gibt ihm wieder den Becher, Zedekia stürzt ihn hastig hinab und schleudert ihn weg. Er stöhnt und legt sich wieder auf das Ruhebett. Wieder wird es ganz still. Wieder hört man durch die Stille das Rauschen des fernen Springbrunnens. Es ist ein leises Tönen davon in der Luft, einlullend und geisterhaft. Reglos stehen die Schatten der beiden Wächter, dunkel im Dunkel. Wieder rinnt Zeit vorbei.)

      ZEDEKIA (der reglos gelegen, richtet sich im Dunkel ganz leise auf. Wie ein Tier im Ansprang, krümmt sich sein Körper in der Anstrengung des Lauschens, er krampft sich immer mehr zusammen, und plötzlich schreit er heftig): Es spricht! Es spricht! Es spricht hier von irgendwo. Ich höre eine Stimme, ich höre,