Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4. Александр Дюма

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Название Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
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von Dammartin abgingen, erst um halb fünf Uhr bei der Barriere und erst um fünf Uhr Abends bei den Thoren der Tuilerien.

      Hier mußte man sich anerkennen lassen. Herr von Lafayette hatte sich aller Posten bemächtigt und bewachte in diesen unruhigen Zelten, da er sich für die Person des Königs gegen die Nationalversammlung verantwortlich gemacht, Ludwig XVI, mit aller Gewissenhaftigkeit.

      Als aber Charny sich nannte, als er sich aus den Namen seines Bruders berief, ebneten sich die Schwierigkeiten, und man führte Isidor und Sebastian in den Schweizerhof ein, von wo sie in den mittleren Hof gelangten.

      Sebastian wollte sich aus der Stelle nach der Rue Saint-Honoré und in das Haus, das sein Vater bewohnte, führen lassen. Isidor bemerkte ihm aber, da der Doctor Gilbert Arzt des Königs sei, so werde man beim König besser als irgendwo erfahren, wie es ihm ergangen.

      Sebastian, der vollkommen verständig war, stimmte mit diesem Schlusse überein und folgte Isidor.

      Obgleich man am Tage vorher erst angekommen, hatte man doch schon eine gewisse Etiquette im Palaste der Tuilerien festgestellt. Isidor wurde aus der Ehrentreppe eingeführt, und ein Huissier ließ ihn in einem großen, grau ausgeschlagenen Saale warten, den nur schwach zwei Candelaber erleuchteten.

      Der übrige Palast war in eine Halbdunkelheit versunken; da der Palast immer durch Privatleute bewohnt worden war, so hatte man die großen Beleuchtungen, welche einen Theil des königlichen Luxus bilden, vernachlässigt.

      Der Huissier sollte sich zugleich nach dem Herrn Grafen von Charny und nach dem Doctor Gilbert erkundigen.

      Das Kind setzte sich auf ein Canapé, Isidor ging auf und ab.

      Nach zehn Minuten erschien der Huissier wieder.

      Der Herr Graf von Charny befand sich bei der Königin.

      Was den Doctor Gilbert betrifft, so war ihm nichts begegnet; man glaubte sogar, doch ohne sich dafür verbürgen zu können, er sei beim König, – denn der König hatte sich, wie der Kammerdiener vom Dienste geantwortet, mit seinem Arzte eingeschlossen.

      Nur, da der König vier Aerzte, welche im Dienste abwechselten, und seinen gewöhnlichen Arzt hatte, wußte man nicht, ob der mit Seiner Majestät eingeschlossene Arzt Herr Gilbert war.

      Sollte er es sein, so würde man ihn bei seinem Abgange benachrichtigen, es warte Jemand auf ihn in den Vorzimmern der Königin.

      Sebastian athmete frei; er hatte also nichts mehr zu befürchten, sein Vater lebte und war gesund und unversehrt.

      Er ging zu Isidor und dankte ihm, daß er ihn geführt hatte.

      Isidor umarmte ihn weinend.

      Der Gedanke, daß Sebastian seinen Vater wiedergefunden, machte ihm den Bruder, den er verloren hatte und nicht wiederfinden würde, noch theurer.

      In diesem Augenblick öffnete sich die Thüre; ein Huissier rief:

      »Der Herr Vicomte von Charny?«

      »Das bin ich,« antwortete Isidor vortretend.

      »Man verlangt nach dem Herrn Vicomte bei der Königin,« sagte der Huissier, aus die Seite tretend.

      »Nicht wahr, Sebastian,« sprach Isidor, »Sie werden auf mich warten, wenn nicht etwa der Herr Doctor Gilbert Sie holt?  . . . Bedenken Sie, daß ich für Sie bei Ihrem Vater verantwortlich bin.«

      »Ja, mein Herr,« erwiederte Sebastian, »und mittlerweile empfangen Sie noch einmal meinen Dank.«

      Isidor folgte dem Huissier, und die Thüre schloß sich.

      Sebastian nahm wieder seinen Platz aus dem Canapé.

      Ruhig über die Gesundheit des Vaters, ruhig über sich selbst, sicher, es würde ihm vom Doctor der Absicht wegen verziehen werden, wandte sich sein Geist zum Abbé Fortier und zu Pitou zurück, und er dachte an die Besorgniß, welche dem Einen seine Flucht, dem Andern sein Brief bereiten würde.

      Er begriff sogar nicht, wie bei allem Verzug, den sie unter Wegs erlitten hatten, Pitou, der nur den Zirkel seiner langen Beine zu öffnen brauchte, um so schnell zu gehen als die Post, sie noch nicht eingeholt.

      Und, durch den einfachen Mechanismus der Ideen, dachte er ganz natürlich, indem er an Pitou dachte, an seinen gewöhnlichen Rahmen, das heißt, an jene großen Bäume, an jene schattigen Wege, an jene bläulichen Fernen, welche die Horizonte der Wälder schließen; dann, durch eine stufenweise Verkettung, erinnerte er sich der seltsamen Visionen, welche ihm zuweilen unter diesen großen Bäumen, in der Tiefe dieser ungeheuren Gewölbe erschienen.

      Er dachte an die Frau, die er so oft im Traume und nur einmal, er glaubte es wenigstens, in Wirklichkeit gesehen, am Tage, wo er sich im Walde von Satory erging, und wo diese Frau kam, vorüberzog und verschwand wie eine Wolke, entführt in einer prächtigen Caleche durch den Galopp zweier herrlicher Pferde.

      Und er erinnerte sich der tiefen Gemüthserschütterung, welche dieser Anblick immer bei ihm verursachte, und halb in diesen Traum versunken, murmelte er leise:

      »Meine Mutter! meine Mutter! meine Mutter!«

      Plötzlich öffnete sich die Thüre wieder, die sich hinter Isidor von Charny geschlossen hatte. Diesmal erschien eine Frau.

      Durch Zufall waren die Augen des Kindes auf diese Thüre im Momente der Erscheinung gerichtet.

      Die Erscheinung stand so gut im Einklang mit dem, was in seinem Geiste vorging, daß das Kind bebte, da es seinen Traum sich durch ein wirkliches Geschöpf beleben sah.

      Doch es war noch ganz anders, als Sebastian in der Frau den Schatten und die Wirklichkeit erkannte: den Schatten seiner Träume, die Wirklichkeit von Satory.

      Er richtete sich ganz gerade auf, als ob ihn eine Feder aus seine Füße gestellt hätte.

      Seine Lippen thaten sich aus, sein Auge vergrößerte sich, sein Augenstern erweiterte sich.

      Seine keuchende Brust versuchte es vergebens, einen Ton zu bilden.

      Die Frau ging majestätisch, stolz, kalt, hoffärtig, ohne ihm eine Aufmerksamkeit zu schenken, vorbei.

      So ruhig sie äußerlich zu sein schien, so mußte doch diese Frau mit den zusammengezogenen Brauen, mit der bleichen Gesichtsfarbe, mit dem pfeifenden Athem unter einer gewaltigen Nervenerregung leiden.

      Sie durchschritt schräge den Saal, öffnete die Thüre der entgegengesetzt, durch welche sie erschienen war, und entfernte sich in den Corridor.

      Sebastian begriff, sie würde ihm abermals entschlüpfen, wenn er sich nicht beeilte. Er schaute mit einer erschrockenen Miene, als wollte er sich der Wirklichkeit ihres Durchzugs versichern, die Thüre an, durch welche sie eingetreten, die Thüre, durch welche sie abgegangen, und stürzte auf ihrer Spur nach, ehe die Schleppe ihres seidenen Kleides an der Ecke des Corridors verschwunden war.

      Doch sie, da sie Schritte hinter sich hörte, ging schneller, als hätte sie verfolgt zu werden befürchtet.

      Sebastian beschleunigte seinen Lauf, so sehr er konnte; der Corridor war düster; er befürchtete, auch diesmal könnte die theure Erscheinung entfliehen.

      Sie, da sie die Schritte immer näher kommen hörte, lief doppelt so rasch, während sie sich umwandte.

      Sebastian gab einen schwachen Freudenschrei von sich: sie war es, immer sie.

      Die Frau ihrerseits, welche einen Knaben mit ausgestreckten Armen ihr folgen sah, ohne etwas von dieser Verfolgung zu begreifen, kam oben aus eine Treppe und eilte die Stufen hinab.

      Doch kaum war sie einen Stock hinabgestiegen, als Sebastian ebenfalls am Ende des Corridors erschien und: »Madame! Madame!« rief.

      Diese Stimme brachte eine seltsame Empfindung im ganzen Wesen der jungen Frau hervor; es schien ihr, ein Schlag, halb schmerzlich, halb wohlthuend, habe sie im Herzen getroffen und verbreite, mit dem Blute durch die Adern laufend, einen Schauer durch ihren ganzen Körper.

      Und dennoch, da sie weder den Ruf, noch die Gemüthsbewegung, welche sie erfaßte, begriff, verdoppelte sie ihre Schritte und ging vom Laufen gewisser Maßen in die Flucht über.

      Doch