Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4. Александр Дюма

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Название Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
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werden keine Republik machen, sondern eine Revolution.«

      Gilbert ließ sein Haupt aus seine Brust sinken und sagte:

      »Wenn wir dahin kommen, Joseph, das wird erschrecklich sein!«

      »Erschrecklich, ja, treffen wir aus unserem Wege viele Männer von Ihrer Stärke, Gilbert.«

      »Ich bin nicht stark, mein Freund,« erwiederte Gilbert, »ich bin nur redlich.«

      »Ach! das ist noch schlimmer; darum möchte ich Sie gern überzeugen, Gilbert.«

      »Ich bin überzeugt.«

      »Sie werden uns verhindern, unser Werk auszuführen?«

      »Wir werden Euch wenigstens auf dem Wege aufhalten.«

      »Sie sind verrückt, Gilbert; Sie begreifen die Sendung Frankreichs nicht. Frankreich ist das Gehirn der Welt; Frankreich muß denken, und zwar frei denken, damit die Welt, wie es denken wird, auch frei handle. Wissen Sie, was die Bastille zerstört hat?«

      »Das Volk.«

      »Sie verstehen mich nicht, Sie nehmen die Wirkung für die Ursache. Fünfhundert Jahre lang hat man in die Bastille Barone, Grafen, Prinzen eingesperrt, und die Bastille ist flehen geblieben. Eines Tags ist es einem wahnsinnigen König eingefallen, den Geist dort einzusperren, den Geist, den der Raum, die Ausdehnung, die Unendlichkeit braucht! Der Geist hat die Bastille gesprengt, und das Volk ist in die Bresche eingetreten.«

      »Das ist wahr,« murmelte Gilbert.

      »Sie erinnern sich dessen, was Voltaire an Herrn von Chauvelin am 2. März 1764, das heißt vor ungefähr sechs und zwanzig Jahren, schrieb?«

      »Sagen Sie es immerhin.«

      »Voltaire schrieb:

      »»Alles, was ich sehe, streut den Samen einer Revolution aus, welche unfehlbar ausbricht obgleich ich nicht das Vergnügen haben werde, Zeuge davon zu sein. Die Franzosen kommen spät zu Allem, doch sie kommen. Das Licht hat sich nach und nach so sehr verbreitet, daß man beider ersten Gelegenheit ausbrechen wird, und dann wird es ein schöner Lärm sein.«

      »»Die jungen Leute sind sehr glücklich; sie werden schöne Dinge sehen!««

      »Was sagen Sie vom Lärmen von gestern und von heute, – wie?«

      »Erschrecklich!«

      »Was sagen Sie von den Dingen, die Sie gesehen haben?«

      »Entsetzlich!«

      »Nun! Sie sind erst beim Anfang, Gilbert.«

      »Unglücksprophet!«

      »Hören Sie, ich war vor drei Jahren bei einem Arzte von großem Verdienste, einem Philanthropen; wissen Sie, womit er sich in diesem Augenblick beschäftigt?«

      »Er sucht ein Mittel für eine schlimme Krankheit, welche man für unheilbar hält!«

      »Ach! ja wohl! er sucht nicht vom Tode zu heilen, sondern vom Leben.«

      »Was wollen Sie damit sagen?«

      »Damit will ich, Spaß beiseite, sagen, er finde, – während man die Pest hat, die Cholera, das gelbe Fieber, die Pocken, die Schlagflüsse, fünfhundert und etliche für unheilbar erachtete Krankheiten und tausend bis zwölfhundert, welche unheilbar werden können, wenn man sie nicht gut behandelt! ich will sagen, indeß man die Kanone hat, die Flinte, den Degen, den Säbel, den Dolch, das Wasser, das Feuer, den Sturz von den Dächern herab, den Galgen, das Rad! – finde er, es gebe nicht genug Mittel, aus dem Leben hinauszugehen, während es nur ein einziges gibt, in dasselbe einzutreten, und er ersinnt in diesem Augenblick eine wahrlich sehr geistreiche Maschine, mit der er der Nation seine Ehrfurcht bezeigen will, eine Maschine, um fünfzig, sechzig, achtzig Personen in weniger als einer Stunde zu tödten! Nun, mein lieber Gilbert, glauben Sie, wenn ein so ausgezeichneter Arzt, ein so leutseliger Philanthrop, wie der Doctor Guillotin, sich mit einer solchen Maschine beschäftige, müsse man nicht anerkennen, das Bedürfniß derselben mache sich fühlbar? Ich erkenne die Maschine um so mehr an, als dies keine neue, sondern nur eine unbekannte Sache war, und zum Beweise dient, daß, als ich mich eines Tags beim Baron von Taverney befand, – und, bei Gott! Sie müssen sich dessen erinnern, denn Sie waren auch dabei; noch damals hatten Sie nur Augen für ein kleines Mädchen Namens Nicole, – die Königin war zufällig dahin gekommen, – sie war damals nur Dauphine, oder vielmehr, sie war nicht Dauphine – zum Beweise dient, sage ich, daß ich sie diese Maschine in einer Caraffe sehen ließ, und die Sache machte ihr so sehr bange, daß sie einen Schrei ausstieß und das Bewußtsein verlor. Nun, mein Lieber, diese Maschine, welche zu jener Zeit noch nicht aus der Geburt hervorgegangen war, – wenn Sie dieselbe functioniren sehen wollen, so wird man sie eines Tags probiren; an diesem Tage werde ich Sie davon in Kenntniß setzen, und Sie müssen entweder blind sein, oder Sie werden den Finger der Vorsehung erkennen, welche denkt, es werde ein Augenblick kommen, wo der Henker zu viel Arbeit habe, wenn man sich an die bekannten Mittel halte, und deshalb ein neues erfindet, damit man sich aus der Verlegenheit ziehen kann.«

      »Graf, Graf, Sie waren tröstlicher in Amerika.«

      »Ich glaube es, bei Gott! wohl, ich war unter einem Volke, das sich erhebt, und hier bin ich unter einer Gesellschaft, welche endigt. Alles geht dem Grabe zu in unserer gealterten Welt, Adel und Königthum, und dieses Grab ist ein Abgrund.«

      »Oh! ich überlasse Ihnen den Adel, mein lieber Graf, oder vielmehr, der Adel hat sich selbst aufgegeben in der berüchtigten Nacht vom 11. August, doch retten wir das Königthum, es ist das Palladium der Nation!«

      »Ah! das sind große Worte, mein lieber Gilbert! hat das Palladium Troja gerettet? Retten wir das Königthum? Glauben Sie, es sei etwas Leichtes, das Königthum mit einem solchen König zu retten?«

      »Er ist aber doch der Abkömmling eines großen Geschlechts.«

      »Ja, eines Geschlechts von Adlern, das mit Papageien endigt.

      Damit Utopisten, wie Sie, das Königthum retten könnten, mein lieber Gilbert, müßte sich vor Allem das Königthum einiger Maßen anstrengen, um sich selbst zu retten. Sprechen Sie auf Ihr Gewissen, Sie haben Ludwig XVI. gesehen, Sie sehen ihn oft, Sie sind nicht der Mann, der sieht, ohne zu studiren. Sagen sie offenherzig: kann das Königthum leben, vertreten von einem solchen König? Ist das der Begriff, den Sie sich von einem Scepterträger machen? Glauben Sie, Karl der Große, der heilige Ludwig, Philipp August, Franz I, Heinrich IV. und Ludwig XlV. haben dieses weiche Fleisch, diese hängenden Lippen, diese Mattigkeit in den Augen, diesen Zweifel im Gang gehabt? Nein, das waren Männer, es war Saft, Blut, Leben unter ihrem Königsmantel; sie hatten noch nicht aus der Art geschlagen durch die Uebertragung eines einzigen Princips; diese Kurzsichtigen haben die einfachste medicinischen Notion vernachlässigt. Um die animalischen und sogar vegetabilischen Geschlechter in einer langen Jugend und in einer beständigen Kraft zu erhalten, hat die Natur selbst das Kreuzen der Racen und das Vermischen der Familien bezeichnet. Wie das Pfropfreis in der vegetabilischen Welt das erhaltende Princip der Schönheit und der Größe der Geschlechter ist, so ist beim Menschen die Heirath unter zu nahen Verwandten eine Ursache der Verschlimmerung der Individuen; die Natur leidet, zehrt ab und artet aus, wenn mehrere Generationen sich mit demselben Blute wiedererzeugen; die Natur wird im Gegentheil belebt, wiedergeboren und wiedergestärkt, wie ein fremdes und neues Befruchtungsprincip der Empfängniß zugeleitet wird. Sehen Sie die Helden an, welche die großen Racen gründen, und sehen Sie die Schwächlinge, mit denen sie endigen; sehen Sie Heinrich III., den Letzten der Valois; sehen Sie Gaston, den Letzten der Medicis; sehen Sie den Cardinal von York, den Letzten der Stuarts; sehen Sie Karl VI., den Letzten der Habsburg! Nun denn, diese erste Ursache der Entartung der Geschlechter, die Heirath in den Familien, welche sich in allen Häusern, von denen wir gesprochen, fühlbar macht, macht sich noch viel mehr im Hause Bourbon, als in irgend einem andern, fühlbar. Steigt man von Ludwig XV. zu Heinrich IV. und zu Maria von Medicis auf, so finden sich Heinrich IV. fünfmal als Ahnherr von Ludwig XV. und Maria von Medicis fünfmal als seine Ahnfrau. Steigt man zu Philipp III. von Spanien und zu Margarethe von Oesterreich auf, so ist Philipp III. dreimal sein Ahnherr und Margarethe von Oesterreich dreimal seine Ahnfrau. Ich zählte, ich, der ich nichts Anderes zu thun habe, als zu zählen: unter zwei und dreißig Ahnherren