Название | Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4 |
---|---|
Автор произведения | Александр Дюма |
Жанр | Зарубежная классика |
Серия | |
Издательство | Зарубежная классика |
Год выпуска | 0 |
isbn |
Sagen wir deshalb, sie haben sehr mit dem König und der Königin sympathisirt? nein, denn, abgesehen von denjenigen, welche zu der aristokratischen Klasse der Gesellschaft gehörten, litt Jedermann mehr oder weniger unter der erschrecklichen Hungersnoth, die sich über Frankreich ausgebreitet hatte. Sie schmähten also den König, den Dauphin und die Königin nicht, sie schwiegen, und das Stillschweigen der Menge ist vielleicht noch schlimmer als ihr Schmähen.
Dagegen schrie diese Menge mit voller Lunge: »Es lebe Lafayette!« welcher von Zeit zu Zeit den Hut mit der linken Hand abnahm und mit seinem Degen in der rechten Hand grüßte, und: »Es lebe Mirabeau,« welcher von Zeit zu Zeit auch seinen Kopf aus dem Schlage der Carrosse, in der er mit fünf Anderen aufgehäuft war, streckte, um mit vollen Zügen die für seine große Lunge nothwendige äußere Luft einzuathmen.
So hörte der unglückliche Ludwig XVI»für den Alles Stillschweigen war, vor sich die Sache, die er verloren: die Volksbeliebtheit, und die, welche ihm immer gefehlt hatte: das Genie, beklatschen.
Gilbert marschirte, wie er es bei der Fahrt des Königs allein gethan hatte, mit aller Welt vermischt am rechten Schlage der Carrosse des Königs, das heißt auf der Seite der Königin.
Die Königin, welche nie den Stoicismus von Gilbert begreifen konnte, dem die amerikanische Reise eine neue Herbheit beigefügt hatte, schaute mit Verwunderung diesen Mann an, der, ohne Liebe und ohne Ergebenheit für seine Fürsten, ganz einfach bei ihnen das erfüllend, was er eine Pflicht nannte, dennoch bereit war, für sie Alles zu thun, was man aus Ergebenheit und Liebe thut.
Noch mehr, denn er war bereit, zu sterben, und die Ergebenheit, die Liebe von Vielen gingen nicht so weit.
Aus den beiden Seiten des Wagens des Königs und der Königin marschirte, – außer jener Art von Leuten, die sich dieses Postens theils aus Neugierde, theils um bereit zu sein, dem erhabenen Reisenden im Nothfall beizustehen, bemächtigt hatten, – in einem sechs Zoll hohen Kothe patschend, die Damen und die Starken der Halle, welche von Zeit zu Zeit, unter ihrem buntscheckigen Flusse von Blumen und Bändern, wie eine compactere Welle zu rollen schienen.
Diese Welle war eine Kanone oder ein Pulverwagen mit Weibern beladen, welche mit lauter Stimme sangen oder aus vollem Halse schrieen.
Was sie sangen, war das alte Volkslied:
Die Bäckerin hat Thaler,
Sie kosten sie nichts.
Was sie sagten, war die neue Formel ihrer Hoffnung:
»Es wird uns nun nicht mehr an Brod fehlen, wir bringen den Bäcker, die Bäckerin und den Bäckerjungen zurück.«
Die Königin schien Alles dies zu hören, ohne etwas davon zu begreifen. Sie hielt zwischen ihren Beinen stehend den kleinen Dauphin, der diese Menge mit der bestürzten Miene anschaute, mit welcher die Fürstenkinder die Menge – in den Stunden der Revolutionen – anschauen, wie wir sie den König von Rom, den Herzog von Bordeaux und den Grafen von Paris haben anschauen sehen.
Nur ist unsere Menge stolzer und großmüthiger als jene, denn sie ist stärker und begreift, daß sie Gnade üben kann.
Der König schaute Alles dies mit seinem trüben, beschwerten Blick an. Er hatte die vorhergehende Nacht kaum geschlafen, er halte bei seinem Frühstück kaum gegessen, es hatte ihm an Zeit gefehlt, um seine Frisur wieder zurecht zu richten und zu pudern; sein Bart war lang, seine Wäsche zerknittert, lauter Dinge, welche ihm sehr zum Nachtheil gereichten. Ach! der arme König war nicht der Mann der schwierigen Umstände. Unter allen schwierigen Umständen beugte er auch das Haupt. An einem einzigen Tag erhob er es: das war aus dem Schaffot, in dem Augenblick, wo es fallen sollte.
Madame Elisabeth war der Engel der Sanftmuth und der Hingebung, den Gott zu diesen verurtheilten Geschöpfen gestellt hatte, und der den König im Temple über die Abwesenheit der Königin trösten, die Königin in der Conciergerie über den Tod des Königs trösten sollte.
Herr von Provence hatte, hier wie immer, seinen schiefen, falschen Blick; er wußte wohl, daß er, für den Moment wenigstens, keine Gefahr lief; das war in diesem Augenblick der Volksbeliebte der Familie – warum? man weiß es nicht; – vielleicht, weil er in Frankreich geblieben, während sein Bruder, der Graf d’Artois, abgereist war.
Hätte aber der König im Grunde des Herzens von Herrn von Provence lesen können, so fragt es sich, ob das, was er darin gelesen, sehr unversehrt die Dankbarkeit gelassen hätte, welche er ihm für das hegte, was er für Ergebenheit hielt.
Andrée sah aus, als wäre sie von Marmor; sie hatte nicht besser geschlafen als die Königin, nicht besser gegessen als der König, doch die Lebensbedürfnisse schienen nicht für diese ausnahmsweise Natur gemacht. Sie hatte nicht mehr Zeit gehabt, ihre Frisur wiederherzustellen oder die Kleider zu wechseln, und dennoch war auch nicht ein Haar aus ihrem Haupte in Unordnung, deutete nicht eine Falle ihres Kleides ein ungewöhnliches Zerknittern an. Wie eine Statue schienen sie diese Wogen, welche um sie her verliefen, ohne daß sie ihnen die geringste Aufmerksamkeit schenkte, noch glatter und weißer zu machen; diese Frau hatte offenbar im Innersten des Kopfes oder des Herzens einen einzigen, nur für sie leuchtenden Gedanken, zu dem ihre Seele hinstrebte, wie zum Polarstern die Magnetnadel hinstrebt. Sie glich einer Art von Schatten unter den Lebendigen, und es deutete nur Eines bei ihr an, daß sie lebte: das war der unwillkürliche Blitz, der aus ihrem Blicke zuckte, so oft ihr Auge dem Auge von Gilbert begegnete.
In einer Entsernung von ungefähr hundert Schritten, ehe er zu der Schenke kam, von der wir gesprochen, machte der Zug Halt; das Geschrei verdoppelte sich auf der ganzen Linie, Die Königin beugte sich leicht aus dem Schlage ihres Wagens, und auf diese Bewegung, welche doch einem Gruße glich, durchlief ein langes Gemurre die Menge.
»Herr Gilbert?« sagte sie.
Gilbert näherte sich dem Schlage. Da er seit Versailles seinen Hut in der Hand hielt, so hatte er nicht nöthig ihn abzunehmen, um der Königin ein Zeichen von Ehrfurcht zu geben.
»Madame?« erwiederte er.
Dieses einzige Wort deutete durch die entschiedene Betonung, mit der es ausgesprochen wurde, an, daß Gilbert ganz zu den Befehlen der Königin war.
»Herr Gilbert,« fragte Marie Antoinette, »was singt denn, was sagt denn, was schreit denn Ihr Volk?«
Man sieht gerade an der Form dieses Satzes, daß ihn die Königin vorbereitet und ohne Zweifel seit langer Zeit zwischen ihren Zähnen gekaut hatte, ehe sie ihn durch den Wagenschlag dieser Menge ins Gesicht spuckte.
Gilbert stieß einen Seufzer aus, welcher bedeutete:
»Immer dieselbe!«
Dann sprach er mit einem tiefen Ausdruck von Schwermuth:
»Ach! Madame, dieses Volk, welches Sie mein Volk nennen, ist einst das Ihrige gewesen, und es ist nun etwas weniger als zwanzig Jahre her, daß Herr von Brissac, ein äußerst artiger Höfling, den ich vergebens hier suche, Ihnen vom Balcon eben dieses Volk, welches: »»Es lebe die Dauphine!«« rief, zeigte und zu Ihnen sagte: »»Madame, Sie haben da zweimalhunderttausend Liebhaber.««
Die Königin biß sich aus die Lippen; es war nicht möglich, diesen Mann bei einem Mangel an Erwiederung oder bei einem Mangel an Respect zu ertappen.
»Ja, das ist wahr,« sagte die Königin; »das beweist nur, daß die Völker sich verändern.«
Diesmal verbeugte sich Gilbert, antwortete aber nicht.
»Ich richtete eine Frage an Sie, Herr Gilbert.« sagte die Königin mit jener Hartnäckigkeit,