Название | Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht |
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Автор произведения | Anne Hahn |
Жанр | |
Серия | C.F. Müller Wirtschaftsrecht |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811447066 |
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Das Recht, zu werben, fällt in den Schutzbereich der Grundrechte. So umfasst Art. 12 Abs. 1 GG Werbung als Teil der beruflichen Außendarstellung, Art. 5 Abs. 1 GG zugleich die Werbung als Gegenstand oder Mittel der Meinungsäußerung.[6] Werberestriktionen müssen daher als Schrankenregelung begriffen werden und unterliegen einer entsprechenden Rechtfertigungspflicht. Neben der verfassungsrechtlichen Dimension ist Werbung darüber hinaus in das System der Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes einzuordnen.[7] Werbebeschränkungen, die nicht produkt-, sondern nur vertriebsbezogene Maßnahmen darstellen, unterfallen dabei grundsätzlich nur dann der Warenverkehrsfreiheit, wenn sie inländische und aus anderen Mitgliedstaaten stammende Erzeugnisse rechtlich wie tatsächlich nicht in gleicher Weise berühren. Sie sind damit regelmäßig als zulässige allgemeine Verkaufsmodalitäten anzusehen, die nicht geeignet sind, den Marktzugang für Waren aus anderen Mitgliedstaaten zu erschweren.[8] Ist eine Dienstleistung Gegenstand der Werbung oder stellt gerade die Werbung selbst eine Dienstleistung dar,[9] kommt die im Verhältnis zu den anderen Grundfreiheiten subsidiäre Dienstleistungsfreiheit zum Tragen. Hiernach sind Beschränkungen der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs zumindest dem Grundsatz nach unzulässig; sie können jedoch nach der Ausnahmeregelung des Art. 62 i.V.m. Art. 52 AEUV (ex-Art. 55 i.V.m. 46 EGV) aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sein. Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung weitere Ausnahmen zugelassen: Ihm folgend sind (unterschiedslos geltende) Beschränkungen ferner dann zulässig, wenn sie dem Schutz zwingender Gründe des Allgemeininteresses dienen.[10] Ein solches wurde etwa in Form des Schutzes der Rundfunkteilnehmer vor übermäßiger Werbung gesehen.[11] Nationale Werbebeschränkungen bedürfen danach auch aus dem Blickwinkel europäischen Rechts der Rechtfertigung.[12]
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Werberestriktionen erfolgen mit dem Ziel, die Unabhängigkeit der Medien vor der Einflussnahme Dritter sicherzustellen,[13] zum Schutz des Verbrauchers, aber auch eines fairen Wettbewerbs. Sie sind in unterschiedlichen Kodifizierungen zu finden. Hierbei ist zu differenzieren zwischen allgemeingültigen wettbewerbs- oder verbraucherbezogenen Regelungen, die für alle Medien anwendbar sind, wie das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), und spezialgesetzlichen Regelungen, die nur für bestimmte Medien oder bestimmte Produkte bzw. Dienstleistungen gelten. Dazu gehören z.B. die Landespressegesetze, die Landesmediengesetze, die ausführlichen Regelungen für Rundfunkwerbung im Rundfunkstaatsvertrag (RStV), das Telemediengesetz (TMG), das Telekommunikationsgesetz (TKG) oder der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV).[14] Als nicht gesetzliche Maßgaben gelten die im Rahmen der Selbstregulierung auferlegten Verhaltensregeln wie die Publizistischen Grundsätze des Deutschen Presserats (z.B. der Pressekodex) oder die Regelwerke des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (z.B. die Verhaltensregeln des Deutschen Werberats gegen Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen aus dem Jahr 2014) als Leitlinien für deren Mitglieder. Zur Durchführung der gesetzlichen Vorgaben aus den rundfunkrechtlichen Staatsverträgen der Länder sind die Landesmedienanstalten ihrer Ermächtigung und zugleich Verpflichtung nach § 46 RStV zum Erlass Gemeinsamer Richtlinien (so z.B. die Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten für die Werbung, die Produktplatzierung, das Sponsoring und das Teleshopping im Fernsehen bzw. Hörfunk)[15] nachgekommen („WerbeRL/Fernsehen“ bzw. WerbeRL/Hörfunk“). Die Rechtsnatur der Richtlinien als norminterpretierende oder normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift ist nicht abschließend geklärt.[16] Für die Auslegung und Anwendung der werberechtlichen Vorschriften des § 7 RStV hat das BVerwG jedoch festgestellt, dass den Landesmedienanstalten aufgrund fehlender besonderer Komplexität der Entscheidungsfindung kein Beurteilungsspielraum zukommt und es sich daher bei den hierauf bezogenen Richtlinien lediglich um norminterpretierende Verwaltungsvorschriften handelt.[17] Den Richtlinien kommt insofern dann allenfalls eine interne Bindungswirkung für das Handeln der Landesmedienanstalten als Medienaufsicht zu.[18] Für die Gerichte sind die Richtlinien hingegen nicht bindend und die Entscheidungen der Medienaufsicht vollumfänglich gerichtlich überprüfbar.
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Nachfolgend werden werberechtliche Bezüge des Medienrechts unter besonderer Berücksichtigung des Rundfunks aufgezeigt. Schwerpunkt wird hierbei auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und den Rundfunkstaatsvertrag gelegt.
B. Werbung und Wettbewerbsrecht
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Das Wettbewerbsrecht[19] ist eine der tragenden Säulen des Medien- und Werberechts und für Medienunternehmen von vielfacher Bedeutung. Es dient insbesondere ihrem Schutz vor unlauteren geschäftlichen Handlungen von Mitbewerbern oder anderen Marktteilnehmern. Daneben stehen ebenso Interessen der Verbraucher sowie der Allgemeinheit im Fokus des Wettbewerbsrechts.[20] Ein funktionsfähiger Wettbewerb ist zudem zwar kein Garant, jedoch grundlegende Voraussetzung für die Meinungsvielfalt und für die Möglichkeit einer unabhängigen Meinungsbildung.[21] Insofern stellt das Wettbewerbsrecht zugleich einen Baustein zur Sicherung auch publizistischer Vielfalt dar.[22] Es unterlag in den letzten Jahren mehreren Reformen.
I. Die UWG-Novellen 2004, 2008 und 2015
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Bereits 2004 wurde das UWG neu gestaltet und in seiner Systematik grundlegend geändert.[23] Der Begriff des Handelns im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wurde durch den der Wettbewerbshandlung ersetzt. 2008 folgte erneut eine tiefgreifende Änderung des UWG.[24] Die Novelle diente der Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie).[25] Sie ersetzt den Begriff der Wettbewerbshandlung durch den der geschäftlichen Handlung.[26]
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2015 wurde eine weitere UWG-Novelle erlassen. Sie dient der verbesserten Umsetzung der UGP-Richtlinie.[27] Der Gesetzgeber musste erneut tätig werden, weil die in der UWG-Novelle 2008 erfolgte Umsetzung der UGP-Richtlinie nicht den vom EuGH formulierten Anforderungen an eine korrekte Umsetzung entsprach und die Kommission dies beanstandet hatte.[28]
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Das UWG 2015[29] enthält schon in den Allgemeinen Bestimmungen einige Neuerungen: In § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG wurde der Begriff der „fachlichen Sorgfalt“ durch den Begriff der „unternehmerischen Sorgfalt“ ersetzt. Der Begriff der „Marktgepflogenheiten“ wurde durch den der „anständigen Marktgepflogenheiten“ ersetzt. Neu hinzu kamen in § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG die Definition der „wesentlichen Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ in Umsetzung von Art. 2 lit. e UGP-Richtlinie sowie in § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG die Definition der „geschäftlichen Entscheidung“ in Umsetzung des Art. 2 lit. k UGP-Richtlinie.
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§ 3 UWG enthält nach wie vor eine allgemeine (Abs. 1) und eine Verbrauchergeneralklausel (Abs. 2) sowie einen Verweis auf stets unzulässige Handlungen (Abs. 3 i.V.m. Anhang § 3 Abs. 3 UWG). In § 3 Abs. 1 UWG wurde jedoch die Spürbarkeitsklausel entfernt. Nun sind nach § 3 Abs. 1 UWG alle unlauteren geschäftlichen Handlungen unzulässig. In § 3 Abs. 2 UWG wurde die Relevanzklausel des Art. 5 Abs. 2 UGP-Richtlinie (Eignung zur wesentlichen Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers) übernommen. Ferner wurde die Unterscheidung zwischen geschäftlichen Handlungen, die Verbraucher erreichen, und solchen, die sich an sie richten, übernommen. Der Begriff der „fachlichen Sorgfalt“ wurde auch hier durch den der „unternehmerischen Sorgfalt“ ersetzt.
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In §§ 3a–7 UWG sind Beispiele für unlautere geschäftliche Handlungen aufgeführt, welche die in der Vergangenheit richterrechtlich entwickelten Fallgruppen aufgreifen. In § 3a UWG ist nun der Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG 2008 geregelt und wurde mit einer Spürbarkeitsklausel