Название | Besonderes Verwaltungsrecht |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | |
Серия | C.F. Müller Lehr- und Handbuch |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811472297 |
(1) Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung
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§ 3 Abs. 1 BauGB verlangt für die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung lediglich eine Unterrichtung über wesentliche Inhalte des Plans und die Eröffnung einer Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung. Die Ausgestaltung dieser Verfahrensphase wird also weitgehend in das Ermessen der Gemeinden gestellt[274]. Die Unterrichtung kann in jeder geeigneten Form geschehen[275]. Die Vorstellung der Pläne in öffentlichen Veranstaltungen ist ebenso möglich wie die Auslegung oder die – ergänzende (§ 4a Abs. 4 S. 1 BauGB) – Veröffentlichung im Internet. Das Gleiche gilt für die Möglichkeit der Äußerung und Erörterung. Dies verlangt lediglich, dass Interessierten die Möglichkeit gegeben wird, sich zu dem Plan zu äußern, was mündlich oder schriftlich erfolgen kann[276]. Da § 3 Abs. 1 BauGB es nicht mit der Äußerung bewenden lässt, sondern auch eine Erörterung verlangt, muss ein Austausch mit der planenden Behörde über die vorgebrachten Anregungen erfolgen[277]. Um dies zu bündeln und die Erörterung von Anregungen Dritter zugänglich zu machen, bietet sich die Durchführung eines Erörterungstermins an[278]. In jedem Fall sollte die planende Behörde bereits diese frühe Phase der Planung dazu nutzen, einerseits Anregungen der betroffenen Öffentlichkeit aufzunehmen und andererseits um Verständnis für die Planung zu werben. Die Eröffnung von Diskussionsmöglichkeiten sollte im Vordergrund stehen. In jedem Fall sollte der Eindruck vermieden werden, es werde lediglich ein formales Erfordernis erfüllt[279]. Richtig genutzt kann die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung als Muster für andere komplexe Verwaltungsverfahren dienen.
(2) Frühzeitige Beteiligung der Träger öffentlicher Belange
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Mit der frühzeitigen Beteiligung der Träger öffentlicher Belange erfüllt der Gesetzgeber die europarechtliche Verpflichtung zur Durchführung eines Scoping im Rahmen der Umweltprüfung[280]. Demgemäß sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass die Träger öffentlicher Belange zur Äußerung im Hinblick auf die Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB aufgefordert werden sollen. Unabhängig hiervon hat der Gesetzgeber die frühzeitige Beteiligung der Träger öffentlicher Belange auch auf andere Aspekte der Planung ausgeweitet[281].
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Das Gesetz spricht von Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange[282]. Zugrunde zu legen ist demgemäß ein funktionaler Behördenbegriff[283]. Träger öffentlicher Belange sind hiernach in der Regel öffentlich-rechtliche Rechtsträger und deren Organe, der funktionale Behördenbegriff kann jedoch auch Private umfassen, soweit ihnen im gesetzlichen Wege eine öffentliche Aufgabe übertragen worden ist[284]. Nicht umfasst werden hingegen Private, die – gegebenenfalls kollektive – private Interessen wahrnehmen, selbst wenn hieran ein öffentliches Interesse besteht. Vor allem die Umwelt- und Naturschutzverbände sind keine Träger öffentlicher Belange und unterfallen damit den Regelungen der Öffentlichkeitsbeteiligung[285].
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Die Beteiligung der Behörden und sonstiger Träger öffentlicher Belange dient stärker als die Beteiligung der Öffentlichkeit dem Zweck, die für die Planung relevanten Informationen zusammenzutragen. Die Schaffung von Akzeptanz tritt demgegenüber in den Hintergrund. Dementsprechend sieht § 4 Abs. 1 BauGB ebenso wie § 3 Abs. 1 BauGB eine Unterrichtung und die Möglichkeit zur Äußerung vor, verzichtet aber auf eine Erörterung. Einzubeziehen sind die Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden kann. Die Beurteilung kann im Einzelnen schwierig sein und die Gemeinde dazu verleiten, schematisch alle theoretisch einzubeziehenden Träger öffentlicher Belange zu berücksichtigen[286]. Es empfiehlt sich stattdessen ein Verfahren, das den Träger öffentlicher Belange von der Planung in Kenntnis setzt und ihm die Möglichkeit gibt zu entscheiden, ob sein Aufgabenbereich betroffen ist und ob er sich in dem Verfahren weiter engagieren möchte.
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Die zweistufige Ausgestaltung der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange ist vor allem der nach außen sichtbaren Umsetzung der europarechtlichen Vorgabe geschuldet. Verfahrenstechnisch ist die Gliederung nur eingeschränkt sinnvoll. Da es wenig ratsam erscheint, Planentwürfe bis in das Stadium der förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung voranzutreiben, ohne diese zuvor mit allen zu beteiligenden Trägern öffentlicher Belange abzustimmen, dürfte der Schwerpunkt der Beteiligung nach § 4 BauGB im Bereich der frühzeitigen Beteiligung liegen. Der förmlichen Beteiligung kommt damit im Wesentlichen nur noch die Funktion einer abschließenden und aufgrund der Präklusion (Rn. 97) – in gewissem Umfang – Rechtssicherheit herstellenden Prüfung zu. Gerade vor diesem Hintergrund ist die umfassende Unbeachtlichkeit von Fehlern in der frühzeitigen Beteiligungsphase im Hinblick auf die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange kritisch zu sehen.
cc) Förmliche Beteiligung
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An die frühzeitige Beteiligung schließt sich als nächste Phase die förmliche Beteiligung an. Auch hier ist zu unterscheiden zwischen der Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 2 BauGB und der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 2 BauGB. Während die Beteiligung bis zu dieser Verfahrensphase wenig formellen Vorgaben unterlag und vor allem auch mit informellen Verfahrensweisen verzahnt werden konnte, läuft die förmliche Beteiligungsphase nach einem vom Gesetz strikt vorgegebenen Schema ab. Im Kontext komplexer Planungsprozesse kommt der förmlichen Beteiligungsphase auch die Funktion der Sicherung eines rechtsstaatlichen Mindeststandards zu. Es entspricht der Notwendigkeit und der Realität von Planungsprozessen, dass sich die Planung spätestens bis zu Beginn der förmlichen Beteiligung weitgehend verfestigt hat. Im Rahmen der förmlichen Beteiligung wird die im Wesentlichen abgeschlossene Planung einer letzten Verfahrensprüfung unterzogen, in deren Rahmen sich zeigt, ob der Plan mit den nun endgültig offen zu legenden betroffenen Interessen vereinbar ist. Dieser besonderen Bedeutung entspricht es auch, dass § 214 Abs. 1 Nr. 2 BauGB Fehler in der förmlichen Beteiligungsphase von der grundsätzlichen Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern – unter Einräumung von Rückausnahmen[287] – ausnimmt.
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Anders als die frühzeitige Beteiligungsphase setzt die förmliche Beteiligungsphase voraus, dass der Planungsprozess ein bestimmtes Stadium erreicht haben muss. Gegenstand der förmlichen Beteiligung ist demgemäß ein formal beschlussfähiger Planentwurf[288]. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass es Zweck des Beteiligungsverfahrens ist, Stellungnahmen einzuholen, die selbstverständlich auch inhaltliche Änderungen nach sich ziehen können. Zwar führt jede Änderung im Prinzip dazu, dass die förmliche Beteiligung von Neuem beginnen muss (§ 4a Abs. 3 S. 1 BauGB). Die Verfahrenserleichterungen des § 4a Abs. 3 S. 2–4 BauGB für Planänderungen ermöglichen es jedoch, das Beteiligungsverfahren inhaltlich zuzuspitzen. Eine Weiterentwicklung des Planentwurfs im Beteiligungsverfahren ist