Название | Die Verlängerung |
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Автор произведения | Theo Beck |
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Серия | |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783960086086 |
Als Joachim und Hans nachher im Hof spielen, haben sie Gerold lange vergessen, ahnen noch nichts Böses. Sie spielen Stuka. Gerade fliegt Hans wieder einen Angriff. Auf der Erde hat jeder den Umriss eines Sturzkampfbombers aus groben Linien gezeichnet, so groß, dass sie in der Kanzel Platz nehmen können. Als Steuerknüppel dient der Stock, mit dem sie die Umrisse in den Sand geritzt haben. Joachims Motor heult gerade mächtig auf, als seine Mutter ihn ruft. Und gleich darauf wird auch Hans ins Haus gerufen. Da ist doch was im Busch? Genau! Diesmal geht es nicht mit einem Donnerwetter ab. Gerade sieht Hans, als er am Küchenfenster vorbeigeht, wie Frau Beuße den Joachim ohrfeigt. Aber dabei belässt es seine Mutter nicht. Sie entscheidet sich für ein sorgfältigeres Vorgehen.
Erst schimpft sie und dann sagt sie, er solle sich ausziehen und ins Bett legen. Das findet Hans nicht sehr schlimm. Nun liegt er da, im Pyjama, die Bettdecke bis zum Kinn hochgezogen, das helle Tageslicht scheint durch das Fenster und er denkt an seinen Stuka. Aber dann kommt ein ganz anderer Angriff. Seine Mutter rauscht rein, den Ausklopfer in der Hand, reißt ihm ohne ein Wort die Bettdecke weg, dreht ihn an den Beinen um auf den Bauch und dann gibt es Dresche.
Hans ist flink! Nach dem ersten Schlag wird er sehr flink. Als Erstes versucht er die Decke wieder über sich zu ziehen. Es gelingt ihm nur teilweise. Eine Seite bleibt immer noch ungeschützt. Schmerzlich. Er strampelt und windet sich, mit teilweisem Erfolg, aber eben nicht ausreichend.
„Nicht, Mama, aah, nicht! Aah! Nicht! Aah, aah! Nicht! Aah!“
„So“, sagt sie schließlich, „jetzt kannst du über dein Betragen nachdenken“, und geht aus dem Zimmer.
Da liegt er, unzufrieden mit seinem Schicksal, mit verkniffenem Gesicht unter der Bettdecke und reibt sich die heißen Stellen.
Aber das Zimmer verschwimmt. Sind das seine Tränen? Nein, er flennt ja gar nicht. Das war ja nur die große Seite des Ausklopfers, nicht der Stiel. Halb so schlimm. Das ist auch nicht sein Zimmer in Holm-Seppensen. Das sind ja Glaswände. Das ist, Moment, ich muss wieder klicken, das da ist, genau, das ist die Akutstation der Internistischen.
5. Trümmerkinder
An den Raum als solchen erinnere ich mich nur schwach. Aber an das, was geschah, sehr wohl. Dort hat man sich mit mir besonders viel Mühe gegeben.
Als die Laborergebnisse der Blutuntersuchung eintrafen, war meine Ruhepause vorbei. Da wurden sie richtig aktiv. Zwar hatten sie keine alarmierenden Werte festgestellt, wie sie sagten, aber Störungen der Blutzusammensetzung. Ich bekam eine Rundfahrt durch das Krankenhaus. Als ich im Vorzimmer zum Röntgenraum eintraf, war ich wieder in Gesellschaft. Es gab noch mehr Anwärter für eine Durchleuchtung. Meine Untersuchung verzögerte sich, es dauerte.
Aber dann, als ich dran war, als sie mich röntgen wollten, machte ich Ärger. Eigentlich war ich es gar nicht, der die Dame bei ihrer regelmäßigen, standardisierten Tätigkeit störte, ich wusste nur nicht, ob sie das wusste. Es war mein Körper, der sich selbstständig bewegte, stoßweise verkrampfte und leider auch etwas Schaum aus mir rausdrückte. Da hatte die Dame es plötzlich eilig, telefonierte, und bald kamen sie zu dritt zu mir, der Internist, der Neurologe und der Pfleger von der Aufnahme. Der Pfleger rannte gleich wieder weg und kam kurz darauf mit einem Bildschirmgerät wieder, an das ich angeschlossen wurde. Natürlich führte das EKG dazu, dass sie unzufrieden waren. Da mein Körper dann wieder krampfte, als sie gerade beratschlagten, was zu tun sei, und ihnen die Sauerstoffsättigung des Blutes in meinem Mittelfinger nicht gefiel, bekam ich wieder eine Rundfahrt.
Diesmal wollten sie mehr Geld ausgeben. Diesmal wollten sie mit der CT Einblick gewinnen. Ich glaube, ich sagte es schon, sie taten wirklich alles, was ihnen möglich war. Vorsorglich wurde ich festgeschnallt. Verständlich, da mein Körper sich doch wieder hätte selbstständig machen können. Und in der Röhre, durch die sie mich fahren ließen, musste man sich ruhig verhalten, sagten sie, sonst verwackelten die Aufnahmen. Aber es klappte gleich auf Anhieb. Ich konnte auch gar nicht anders. Sie erkannten keinen auffälligen Fleck in meinem Kopf. Danach waren sie sich uneinig. Sie stritten, wer mich haben sollte.
„Ischämisch“, meinte Dr. Butt, der Internist.
„Wahrscheinlich, aber welche Ursache?“, sagte der Neurologe. „Ich weiß nicht so recht, wir wissen einfach noch zu wenig von ihm. Bedenken Sie das Krampfen, Dr. Butt! Vasospasmus? Eine Lumbalpunktion könnte weiterhelfen.“
„Das muss natürlich beobachtet werden. Ich weiß, es ist nicht ganz modern, aber wir haben früher immer gesagt, dass ein Apoplex Zeit zur Beruhigung braucht. Ich denke, wir legen ihn auf die Intensivstation. Blutdruckabsenkung vorsichtshalber und kontinuierliche Beobachtung des Verlaufs werde ich dort vorschlagen. Jetzt ist er nicht ansprechbar. Aber das kann sich ändern.“
Ich wollte ihm gleich widersprechen. Aber es ging nicht. Ich war ja ansprechbar! Ich konnte nur nicht antworten, das war das Problem. Und immer diese Kopfschmerzen, sie wurden immer schlimmer, seit ich hier war. Aber dann fuhren sie mich doch zur Intensivstation. Fand ich auch besser. Das mit der Punktion war sicherlich übertrieben, dachte ich. Wenn sie gewusst hätten, dass ich mein Blut immer verdünne, hätten sie damals vielleicht anders entschieden, denke ich. Aber ihnen fehlte meine Dokumentation vom Nachtschrank mit der Patientenverfügung. Die Blätter aus sorgfältig bedrucktem und beschriebenem Papier. Seiten über Seiten.
Ununterbrochen schrieb man die wichtigen Funktionen auf, die mein Körper herzugeben bereit war. Aber er hatte auch seine Geheimnisse, die er ihnen nicht erzählte. Meine Betriebstemperatur war mit einer Blutdrucksenkung heruntergefahren worden. Ich durfte immer schlafen. Das minimale Blutgerinnsel im Kopf sollte sich selbst auflösen, die kleine Ader, die geplatzt war, sollte sich selbst schließen. Sie ließen mir Zeit für meine Rettung.
Aha, jetzt wird es spannend, ich erinnere mich, da kam Frau Pückler ins Bild. Die Dame, die mir immer im Haushalt behilflich war. Schon seit dreißig Jahren tat sie das, verlässlich, sauber, zurückhaltend. Genau das, was ich brauchte. Sie sprach den Stationsarzt an, wollte ihn überzeugen. Aber der wollte nicht überzeugt werden. Es war Dr. Mohr und daneben stand natürlich Angela. Er hat es einfach nicht gern, überzeugt zu werden. Aber Frau Pückler hat sie mitgebracht, die Patientenverfügung! Sie hatte sie natürlich gefunden, auf meinem Nachttisch, brachte sie her, damit mein Wille berücksichtigt würde. Die Szene sehe ich noch genau vor mir, weil ich mich auf meine Freiheit freute.
„Nein“, sagte Dr. Mohr, „wir können das Papier nicht berücksichtigen. Ich will Ihnen gerne glauben, dass es von seinem Nachttisch ist. Aber Sie sind keine nahestehende Bezugsperson, selbst wenn Sie ihn schon lange kennen. Das darf ich nicht berücksichtigen. Unser Gesetzgeber erlaubt das nicht. Würde sich wohl auch kaum beweisen lassen, der Ursprung. Ich kann Sie auch nicht zu ihm lassen.“
„Darum habe ich auch gar nicht gebeten. Ich möchte Sie bitten, den Inhalt seiner Verfügung zur Kenntnis zu nehmen“, sagte Frau Pückler.
„Nein, ich will das gar nicht haben. Wir nehmen es auch nicht in die Krankenakte. Es hat für uns keine Verbindlichkeit.“
„Ich habe schon die Kinder informiert. Sie müssen nur erst einmal anreisen. Ihr Wohnsitz ist anderswo. Ich wollte mit meinem Besuch hier nur dafür sorgen, dass Ihnen sein Wille bekannt ist, rechtzeitig, meine ich.“
„Was heißt rechtzeitig? Er ist bei uns in bester Obhut. Wir werden alles unternehmen, was möglich ist, um ihm zu helfen.“
„Das ist es ja gerade. Er will es offensichtlich gar nicht nach dem, was hier steht. Schon auf der ersten Seite hier steht es.“
„Also noch einmal. Wir nehmen dieses Papier nicht zur Kenntnis. Von wann ist das? Welches Datum hat es? Fast ein Jahr! Das ist noch nicht einmal aktuell. Nein, nein. Nehmen Sie es wieder mit. Und nun entschuldigen Sie mich bitte. Sie verstehen, die Pflicht!“
Höflich ist er nicht immer, aber bemüht. Mit seinem gewinnenden Lächeln, schräg geneigtem Kopf und