Название | Der König in Gelb |
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Автор произведения | Manuel Filsinger |
Жанр | |
Серия | |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962298562 |
CASSILDA: (Schließt ihre Augen und senkt betrübt den Kopf.)
CAMILLA: (Seufzt traurig.) Nur du Schwester, du bist die Einzige, der das Gelbe Zeichen kein Glück gebracht hat. Naotalba sagt, du seiest eine Märtyrerin. Dass es dir, als dessen Trägerin, bestimmt sei, für unser aller Glück zu leiden.
Dies sei der Grund, weshalb du mit Schwermut und Halluzinationen gepeinigt wirst. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, ist es eine große Ehre, die dir zuteil wurde. Und es erfüllt mich mit großem Stolz, dass du das Amulett dennoch Tag für Tag so tapfer trägst.
CASSILDA: Der einzige Grund, weshalb ich das Ding noch immer trage, ist der, dass es sich nicht mehr von Mutters Kette lösen lässt und ich mich um keinen Preis der Welt von ihr trennen könnte.
CAMILLA: So wie sich dein größter Schatz mit dem unseren verbunden hat, musst du nun die Liebe, die du noch immer für Mutter empfindest, mit unserer Liebe für das Gelbe Zeichen verbinden.
CASSILDA: (Wechselt das Thema.) Was ist der wahre Grund, weshalb du mich heute besuchen kommst, Schwester?
CAMILLA: (Verspielt.) Brauche ich neuerdings einen Grund, um meine große Schwester zu besuchen?
CASSILDA: Wie mir scheint, bin ich nicht die einzige untalentierte Schauspielerin in der Familie. Genug des albernen Spiels, wieso bist du hier?
CAMILLA: (Beißt sich auf die Unterlippe und errötet vor Scham.) Onkel hat mich geschickt. Er bat mich darum, noch einmal mit dir aufgrund deines … aufgrund deines gesundheitlichen Zustandes über etwas zu sprechen.
CASSILDA: Worüber?
CAMILLA: Über den Maskenball. Wie du weißt, ist dies morgen der womöglich bedeutendste Abend unseres Lebens. Denn wir feiern nichts Geringeres als das tausendjährige Bestehen unseres Königreiches.
Du bist dir über die damit einhergehende Bedeutung im Klaren, nicht wahr? Du weißt, was geschehen wird und was man von dir als ältestes Kind des Königs erwartet, wenn die Glocken von Yhtill zur dreizehnten Stunde läuten und all unsere edlen Gäste aus ganz Hoseib ihre Masken ablegen?
CASSILDA: (Zögerlich.) Sie werden um meine Hand anhalten und ich werde mich sodann für einen von ihnen entscheiden, ganz so, wie es der Hyaden Wille ist.
CAMILLA: Ganz genau. (Aufgeregt.) Und? Weißt du schon, wen von ihnen du zum Gemahl nehmen wirst? Uoht oder Thale?
CASSILDA: (Eisiger Schauer läuft ihr den Rücken herunter.) Muss es einer meiner Brüder sein? Wird außer ihnen sonst niemand um meine Hand anhalten?
CAMILLA: Oh, es werden morgen Abend viele Edelleute aus Hoseib versuchen, deine Gunst zu gewinnen. Und offiziell steht es dir – aus Dank, dass du das Gelbe Zeichen nach Yhtill gebracht hast – auch frei, deinem Herzen zu folgen und dich für einen jeden von ihnen zu entscheiden.
CASSILDA: Und inoffiziell?
CAMILLA: Nun … inoffiziell – so fürchte ich – wird von dir erwartet, dich für dein Fleisch und Blut zu entscheiden. Denn nur ein Casastine ist würdig, auf dem Elfenbeinthron zu sitzen und über Hoseib zu herrschen. Diese Wahrheit hat uns das Gelbe Zeichen gelehrt.
CASSILDA: (Schweigt.)
CAMILLA: Es ist fürwahr keine leichte Entscheidung. Uoht ist stark und tapfer, ein wahrer Krieger. Thale dagegen ist sanft und einfühlsam, ein leibhaftiger Künstler.
CASSILDA: Für wen von ihnen würdest du dich entscheiden, wenn du an meiner Stelle wärst?
CAMILLA: (Entschlossen.) Für Thale, meinen Zwillingsbruder. Wir waren immer schon eins – eine Seele in zwei Körpern –, um es mit seinen Worten zu sagen. Ich bin mir sicher, du wirst die richtige Entscheidung treffen. Höre nur auf das Gelbe Zeichen.
CASSILDA: (Spricht geistesabwesend mit sich selbst.) Wenn Wahnsinn eine Farbe hätte, welche Farbe wäre es wohl …?
CAMILLA: Was sagst du? Ich verstehe kein Wort, wenn du so düster vor dich hinmurmelst.
CASSILDA: Schon gut, ich habe mit mir selbst gesprochen. In Gedanken war ich bereits auf dem Maskenball.
CAMILLA: (Errötet.) Glaubst du, Hastur wird morgen Abend auch kommen?
CASSILDA: Wer ist Hastur?
Die Stadt Carcosa mit ihren im Nebel verborgenen Zwillingstürmen (siehe rechte Sonne):
„Carcosa”
By Steve Lines.
Die Zwillingstürme von Carcosa:
„Carcosa Coin”
By David Lee Ingersoll.
SZENE 2: CASSILDAS LIED
CASSILDA
CAMILLA
Der große Abend steht unmittelbar bevor. Der Thronsaal von Yhtill ist gefüllt mit maskierten Adeligen aus ganz Hoseib. Vor dem Podium, auf dem sich der elfenbeinerne Thron befindet, wurde eine lange Tafel für die Mitglieder der königlichen Familie aufgestellt. In die Rückenlehne des Thrones ist das Wappen der Familie Casastine eingraviert und das obere Ende des massiven Elfenbeins hat die Form eines Stierkopfes, der das Sternbild Taurus symbolisiert. In den Alkoven des Saales sind große Spiegel mit vergoldeten Rahmen eingelassen, damit sich die Gäste darin bewundern und ergötzen können. Der Fußboden bildet ein aus Marmor und Onyx gefliestes Schachbrettmuster.
Cassilda sitzt außerhalb des Saales auf dem marmornen Boden des Balkons, mit dem Rücken an die Balustrade gelehnt und blickt hinauf zum Sternenhimmel. Etwas an diesem Anblick scheint sie zu verängstigen. Von weit unten dringen die Musik und die heiteren Stimmen der Menschenmassen zu ihr empor. Cassilda trägt ein prächtiges rotes Kleid und neben ihr auf dem Boden liegt eine mit Rubinen verzierte Maske aus Porzellan.
CAMILLA: (Betritt den Balkon und nimmt ihre Maske ab.) Schwester, was tust du denn hier draußen?
CASSILDA: (Betrachtet Camilla nur für einen kurzen Moment, ehe ihr Blick wieder ängstlich gen Himmel wandert.)
CAMILLA: (Setzt sich neben Cassilda und nimmt sie in den Arm.) Was siehst du?
CASSILDA: (Flüstert ängstlich.) Der Himmel …
CAMILLA: (Blickt ebenfalls nach oben.) Was soll mit ihm sein? Es ist eine wunderschöne Nacht.
CASSILDA: (Noch immer verängstigt flüsternd.) Siehst du es denn nicht?
CAMILLA: Was soll ich sehen? Ich sehe den Mond und Aldebaran.
Ich sehe die Hyaden, wie sie schön wie eh und je auf uns herablächeln. Und ich sehe auch Alar, jenes prachtvolle Gestirn, nach dem unsere Nachbarstadt benannt ist. Was von alledem jagt dir nur solch eine Angst ein?
CASSILDA: (Wendet den Blick von Camilla ab.) Ich kann es dir nicht sagen, es wäre vergebens. Meine Worte haben all ihre Macht verloren. Sie sind leer, wie unausgesprochen, (Ihre Stimme