Rabengelächter. Viona Kagerer

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Название Rabengelächter
Автор произведения Viona Kagerer
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Год выпуска 0
isbn 9783962298500



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      Rabengelächter

      1. Auflage, erschienen 12.2020

      Umschlaggestaltung: Romeon Verlag

      Text: Viona-Maria Victoria Kagerer

      Layout: Romeon Verlag

      ISBN (E-Book): 978-3-96229-850-0

       www.romeon-verlag.de

      Copyright © Romeon Verlag, Kaarst

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       Rabengelächter

      Prolog

      Eine einzelne Träne rann aus seinen Augen, bahnte sich den Weg und fiel zu Boden. Sanft bettete er ihren Kopf auf seinen Schoß und strich dem Mädchen mit zitternder Hand ein paar verirrte Haarsträhnen aus dem blassen Gesicht. Er schüttelte den Kopf langsam, sie durfte nicht sterben, nicht hier, nicht jetzt, nicht durch seine Hand. Ein Druck baute sich in seinem Inneren auf, als sie mit zitternden Lidern versuchte, ihre Augen zu öffnen. Ein Schrei, unheilvoll und panisch, peitschte über das Schlachtfeld. „Wo ist sie?“ Er wollte dem verzweifelten Mann antworten: „Hier, bei mir! Hier, und ich habe sie zum Tode verurteilt!“ Doch in diesem Moment öffnete sie ihre Augen und blickte ihn mit einer solchen Intensität an, dass sein Atem stockte. Ein Lächeln zierte ihre blassen Lippen. Die einzige Farbe in ihrem Gesicht war das dünne Blutrinnsal, welches aus Nase und Mund floss. Ihre Augen, diese eisigen Augen, wanderten weiter und blieben an dem dämmrigen Himmelszelt hängen. Pfeifend holte sie Luft, er lauschte diesem Pfeifen. Doch dann erstarb es. Mit dem Gefühl, nicht mehr seinem Körper zugehörig zu sein, musste er mit ansehen, wie ihr Blick brach und diese eisigen Augen den roten Schimmer am Himmel widerspiegelten.

      Kapitel 1

      „Krah-krah“, hallte es über die Lichtung. Nebelschwaden hingen über den Bäumen, wie ein zweiter grauer Himmel. Die Bäume waren groß, und wenn ich groß sage, dann meine ich auch groß. Nicht diese Art von Baum, wo man den Kopf in den Nacken legt und die Krone sieht, sondern diese Art von Baum, wo man den Kopf in den Nacken legt und die Krone immer noch nicht sieht. Okay, zugegeben, das war jetzt ein wenig verwirrend formuliert. Aber das war ich nun mal: verwirrt …

      Warum zum Geier stand ich mitten im Wald, mitten in der Pampa? Bei dem Wort Pampa durchzuckte mich ein Gedanke, gewürzt mit einem Hauch Panik. Wie komme ich je wieder mit meinem nicht vorhandenen Orientierungssinn nach Hause? Ich wusste ja nicht mal, wie ich hergekommen war! Ich drehte mich noch einmal um mich selbst. Märchenwald, tanzte es durch meinen Kopf, als ich meine Umgebung genauer inspizierte. Das Moos zu meinen nackten Füßen war dick und hatte ein saftiges Dunkelgrün. Da war sogar ein … Moment mal, nackte Füße? Spätestens als ich sah, was ich anhatte, wurde mir klar, dass ich träumte.

      Ich trug etwas Korsettartiges, das an den Seiten mit Leder zusammengeschnürt war. Auf meinen sonst nackten Schultern lag ein weißes Fell. Ein kurzer Rock aus Leder bedeckte meine Beine, und glaubt mir, der war so kurz, dass ich fast eine zarte Röte angenommen hätte. Das ganze Outfit war ziemlich knapp und erinnerte mich irgendwie an eine Wikingerkriegerin; nicht dass es welche gegeben hätte … Sexisten.

      Vielleicht würde hier auch noch irgendein heißer Typ auftauchen, mit so einem Oberkörperpanzer, wo die einzelnen Muskeln eingegossen waren … Suchend blickte ich zwischen die Bäume. Ich meine, hey, wenn du die Chance hast, deinen Traummann zu treffen, dann spielt Schüchternheit ja wohl keine Rolle mehr. Und wenn er dann mit seiner tiefen Stimme deinen Namen wie ein Gebet spricht. Obwohl … stopp, das wäre gruselig. Sagen wir, er nennt ihn lässig, aber bitte nicht mit so einem Schnalzen danach. Ist in der Männersprache wahrscheinlich eine Art unwiderruflicher Liebesschwur; aber ganz ehrlich, so was kommt nur in Rosamunde-Pilcher-Filmen gut an, und diese Filme kamen bei mir nicht gut an.

      „Anouk, komm zuuuuu miiiir!“

      Stirnrunzelnd fragte ich mich, was mein Unterbewusstsein unter einer tiefen, attraktiven Stimme verstand. Denn diese Stimme, die mich zu sich rief, klang wie aus einem Horrorfilm entsprungen. Aus einem sehr, sehr schlechten, wo man noch keinen Stimmverzerrer hatte und sich einfach einen Becher von den Mund gehalten hat.

      Die darauf folgende Stille jagte mir einen Schauer über den Rücken; also, das hatte jetzt echt Horrorfilmpotenzial. Wie um meine These zu bestätigen, krächzte in der Nähe ein Rabe. Unbehaglich rieb ich mir über die Arme, so sollte der Traum jetzt echt nicht laufen!

      „Anouk!“

      Ein drängender Unterton lag in dem kurzatmigen Gekrächze. Und dann passierte das, was in den ganzen Büchern und Filmen immer so schön ausführlich, bis ins letzte Detail, beschrieben wird: Ich hatte keinen Einfluss mehr auf meinen Traum, falls ich das je gehabt hatte. Mein Körper ging einfach in die Richtung von Mr. Stimmverzerrer. Ich ließ die kleine Lichtung hinter mir und ging und ging. Plötzlich stoppte ich. Jetzt, wo ich wieder die Kontrolle über meinen Körper hatte, fing ich erst mal an zu niesen. Kein wunder bei dem Plunder! Da hatten wir den Salat! Denn wie auch in der Realität war es hier Herbst, und ich wage mal zu behaupten, dass das, was ich trug, nicht gerade wettertauglich war. Ich schlang die Arme um meine Mitte und guckte mich zitternd um. Ich stand in einem Kreis aus Birken. Träge trudelte etwas vor meinem Gesicht zu Boden. Reflexartig griff ich danach; als ich die Faust öffnete, lag darin eine schwarze Feder. Langsam sah ich nach oben und begegnete den klugen Augen eines Raben.

      Er breitete seine Schwingen aus und ließ sich wenige Meter vor mir zu Boden gleiten. Ich schnappte nach Luft und stolperte ein paar Schritte nach hinten. Jetzt, wo er vor mir saß, konnte ich sehen, wie riesig er war. Er reichte mir mit dem Kopf wahrscheinlich bis zur Hüfte. Und als wäre das nicht genug, öffnete er den Schnabel und begann zu sprechen (ja, ich sollte womöglich mal an so was wie Psychotherapie denken!).

      „Naaa endliiiichhhh! Seiiii willkommmmen, Tochter!“

      Er legte den Kopf schief und beobachtete mich. Erwartete er etwa, dass ich ihn „Papa“ nannte und ihm um den Hals fiel? Demonstrativ presste ich meine Lippen aufeinander. Gab es in diesem Traum vielleicht eine Art Stopptaste? Als das Schweigen mir auf das Trommelfell zu drücken begann, gab ich das Nicht-reden-Wollen auf und räusperte mich.

      „Äh, hi, du“, oder sollte ich ihn doch lieber siezen? „Ich meine, Sie haben da was verloren. Äh, ja, hier!“

      Ungelenk fuchtelte ich mit der Feder vor meiner Nase herum. Beeindruckt von meinen unglaublichen Redekünsten, hielt das Schweigen weiter an. Ich beugte mich also langsam zum Boden und legte die Feder vor meine Füße, dann trat ich einen Schritt zurück. Als hätte ihm diese Geste wieder das Leben und seine wirklich scheußliche Stimme eingehaucht, neigte er den Kopf leicht, wie eine angedeutete Verbeugung, und lispelte: „Behalten sollssst du sie, als Zeichen unserer unbegrenzten Loyalität, die sonsssst niemandem außßßer dem Vater selbsssst gebührt.“

      „Äh.“(Ja, ich weiß, ich spürte meine Intelligenz.)„Danke,