Der goldene Kürbis. Masal Dorothea

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Название Der goldene Kürbis
Автор произведения Masal Dorothea
Жанр
Серия
Издательство
Год выпуска 0
isbn 9783954528318



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unzählige Türen abgingen. Sie griff nach dem ersten bronzenen Knauf auf der linken Seite. Es rührte sich nichts. Eilig schlich sie zum nächsten. Ebenfalls geschlossen. Schritte ertönten. Katie erstarrte mitten in der Bewegung und lauschte. Die Schritte waren kaum hörbar, wurden jedoch zunehmend lauter und kamen eindeutig näher. Ihr Herz begann wie wild zu schlagen. Mit aufgerissenen Augen suchte sie die Umgebung nach einem passenden Versteck ab. Da waren ungefähr tausend verschlossene Türen und vereinzelt herumstehende Tischchen mit Blumenschmuck. Kein einziges Versteck! Blieb noch die Treppe. Völliger Blödsinn. Wer wusste schon, wem sie dort begegnete. Wäre es der blonde Junge, dann hieß es gleich Game Over.

      Die Schritte waren nun ganz deutlich am Ende des Flures zu hören. Wer auch immer hier oben herumlief, würde jeden Moment um die Ecke biegen.

      So leise es ging, sprintete Katie auf die gegenüberliegende Seite und griff wahllos nach der nächstbesten Tür. Zu ihrer großen Erleichterung ließ sich diese problemlos öffnen. Sie sprang in das dahinter liegende Zimmer und blieb im Stockdunklen stehen. Keine Ahnung, wer oder was sich hier drinnen befand. Die größte Gefahr ging aber momentan vom Flur aus. Katie schloss rasch die Tür so weit wie nötig, um von außen nicht erkannt zu werden und schielte durch den Spalt. Jetzt würde sich zeigen, ob jemand ihren Spurt quer über den Flur bemerkt hatte.

      Keine Sekunde später tauchten auch schon zwei Wachoffiziere in ihrem Blickfeld auf. Zügigen Schrittes marschierten sie den Gang entlang. Bei jeder Bewegung schlugen ihre Degen geräuschvoll an die uniformierten Beine. Katie wich instinktiv einen Schritt zurück. Die Männer kamen immer näher, blickten in ihre Richtung … und gingen an dem Raum vorbei.

      »… weiß wirklich nicht, was er damit meint. Er glaubt, dass der Kürbis gestohlen werden …«

      »Er sagte etwas von …«

      Schon waren die Wachen hinter der nächsten Ecke verschwunden. Erleichtert atmete Katie aus. Ihr unerlaubtes Betreten der Villa hatte offenbar niemand bemerkt.

      Gerade als sie die Tür öffnen wollte, hörte sie erneut Schritte auf dem Flur. Sofort zog sich Katie zurück in das dunkle Zimmer. Dieses Mal waren die Geräusche viel leiser und unregelmäßiger. Ein schmächtiger Mann und eine Frau in ausladender, rosafarbener Abendgarderobe erschienen. Händchen haltend schlich das Paar den Gang entlang in Richtung der großen Treppe. Während der Mann seine Füße übertrieben vorsichtig auf dem Boden absetzte, hob und senkte sich der große Unterrock der Frau geräuschvoll. Der Anblick glich einem ungelenken Vogel, der durch hohes Gras stakste und durch den lauten raschelnden Stoff genau das Gegenteil des Mannes bezweckte. Dick und Doof ließen grüßen. Katie konnte nicht anders. Sie musste lachen. Panisch schlug sie sich die Hand vor den Mund.

      Die Frau hielt abrupt inne. »Was war das?«

      »Ich habe nichts gehört.« Der Mann ging unbeirrt weiter und zog unnachgiebig am Arm der Frau. Diese schien allerdings von der Antwort wenig überzeugt. Mit zusammengekniffenen Augen suchte sie die Umgebung ab. Ihr Blick traf den von Katie. Diese zuckte erschrocken zurück, doch es war zu spät. Der Mund der Frau öffnete sich.

      »Da ist nichts. Kommt endlich!«, mit einer ruckartigen Bewegung zog der Mann sie von der Tür fort. Widerspenstig reckte sie den Kopf nach hinten, doch Katie hatte sich bereits aus dem Sichtfeld zurückgezogen und kauerte nervös am anderen Ende des Zimmers.

      »Hoffentlich hat man unser Verschwinden nicht bemerkt«, vernahm sie die dumpfe Stimme der Frau.

      »Habt keine Angst, Liebste. Niemand hat etwas bemerkt.«

      Die Schritte wurden leiser und verschwanden schließlich ganz. Katie atmete erleichtert aus und ließ sich erschöpft auf den Boden sinken. Ihre Beine zitterten vor Aufregung. Trotzdem huschte ein Grinsen über ihr Gesicht. Scheinbar war das ein oder andere Liebespärchen hier auf der Suche nach einem ungestörten Platz. Wenn auch die Anschleichmethode der beiden sehr eigenartig gewesen war.

      Unfassbar, welch unverschämtes Glück Katie jetzt schon zum zweiten Mal gehabt hatte. In Zukunft hieß es jedoch besser aufzupassen. Ihr Schutzengel würde früher oder später mal eine Pause machen und dann konnte ein Fehltritt verheerende Folgen mit sich bringen.

      Erst jetzt fiel Katie auf, dass die Gefahr noch gar nicht vorüber war. Sie befand sich in einem völlig fremden und dazu noch dunklen Zimmer. Die zugezogenen Vorhänge deuteten darauf hin, dass sich jemand zum Schlafen hingelegt hatte und hoffentlich auch jetzt noch brav im Bett lag. Am liebsten wäre Katie direkt zurück in den Flur gerannt, aber sie brauchte dringend eine Verkleidung. Nein, sie musste die Chance nutzen und sich hier zuerst nach einem Kostüm umschauen.

      Mit der Hand schützend vor dem Glas, schaltete Katie ihre Taschenlampe ein und durchleuchtete im schwachen Licht vorsichtig das Zimmer. Sofort fiel ihr Blick auf das große Himmelbett auf der rechten Seite. Es war also tatsächlich ein Schlafzimmer.

      Erstaunlicherweise war das Bett leer und unbenutzt, wie sie nach einer genaueren Untersuchung feststellte. Ansonsten beinhaltete das Zimmer noch einen Nachttisch, einen Kamin und einen großen, hölzernen Kleiderschrank in der linken Zimmerecke.

      »Bingo!«

      Eilig durchquerte Katie den Raum und öffnete die linke Schranktür. Ein muffiger Geruch von Stoff und Mottenkugeln schwappte ihr entgegen und breitete sich im Zimmer aus. Katie schnappte angewidert nach Luft und unterdrückte einen aufkommenden Würgereiz. Einen Moment lang krampfte sich ihr Magen zusammen. Angewidert drehte sie den Kopf zur Seite.

      Dann verflog die unangenehme Duftwolke und gab den Inhalt des Schrankes frei. Neben allerlei Unterwäsche und Mänteln hingen dort fünf verschiedene Kleider. Die Gewänder leuchteten in den unterschiedlichsten Farben. Ehrfürchtig berührte Katie mit der Hand das erste Kleid und strich über den seidenen Stoff. Im Licht der Taschenlampe blitzten goldglänzende Stickereien und eingewobene Perlen auf. Diese Kleider mussten einer sehr wohlhabenden Dame gehören. Perfekt also, um sich damit auf einen edlen Kostümball zu schleichen.

      Mit entschlossener Miene griff Katie nach einem roten Kleid. Die Größe durfte in etwa passen. Zwar war es ein komisches Gefühl so etwas Wertvolles »auszuborgen«, doch in Anbetracht der Kerkeralternative hatte sie wohl kaum eine andere Wahl.

      Eilig tauschte sie ihr eigenes Outfit gegen das üppige Gewand. Zumindest war das der Plan.

      Das Anziehen des historischen Kleides erwies sich jedoch als große Herausforderung. Überall hingen Schnüre und Bänder, die ohne Hilfe kaum zu schließen waren. Allein das Schnürkorsett bildete eine schier unlösbare Aufgabe, an der Katie nach einigen kläglichen Versuchen endgültig scheiterte. Also beschloss sie, sich lediglich auf die wichtigsten Verschlussstellen zu konzentrieren, sodass das Kleid zumindest ansatzweise Halt hatte und einen respektablen Anblick bot.

      Die Haare knotete sie zu einem schlichten Dutt auf dem Hinterkopf zusammen. Nur zwei Strähnen ließ sie links und rechts seitlich ins Gesicht fallen. Sie meinte ähnliche Frisuren bei den anderen weiblichen Gästen gesehen zu haben, wenn nicht sogar aufwendige Perücken. Ein solch kratzendes Flohmonster kam für sie jedoch nicht in Frage.

      Übrig blieb ein kleiner Haufen Schnüre und Bänder, die verstreut auf dem Boden lagen. Katie hoffte, dass diese nicht alle zu IHREM Kleid gehörten. Vorsichtshalber griff sie nach einem roten Band und wickelte es sich als Armband ums linke Handgelenk. So hatte sie wenigstens etwas griffbereit, falls sich doch der ein oder andere Verschluss öffnen sollte.

      Einige Minuten später war sie schweißnass gebadet, doch das Resultat konnte sich sehen lassen. Ein Blick in den Schrankspiegel ließ Katie andächtig innehalten: Die Schattenjägerin war verschwunden. Stattdessen lächelte ihr nun eine Märchenprinzessin entgegen. Das rote Kleid war nach hinten gefaltet, aufgebauscht und besaß eine farblich passende Schleppe. Der Reifrock sowie das weit ausgeschnittene und aufwendig verzierte Dekolleté verliehen ihr ungewohnt ausgeprägte Kurven. Katie erkannte sich kaum wieder. Ihr Kostüm war zwar etwas zu groß, sollte aber seinen Zweck erfüllen. Nur die ausladende Breite des Reifrockes war gewöhnungsbedürftig.

      Katie ging ein paar Mal im Zimmer auf und ab, bis sie zumindest ungefähr wusste, wo das Kleid anfing und wo es endete. Dann verstaute sie ihre Wertgegenstände