Название | Die Seelenlicht Chroniken |
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Автор произведения | Katrin Gindele |
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Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783946843788 |
Zögernd deutete ich zum Ausgang. »Rechts neben der Tankstelle ist ein kleiner Schuppen.«
Er machte auf dem Absatz kehrt und marschierte nach draußen. Vor seinem Motorrad ging er in die Hocke und fummelte kurz unterhalb des Sitzes herum, wo er mehrere Gurte löste, die eine lange schmale Tasche hielten. Kurzerhand nahm er die Tasche mit dem Ledergurt und warf sie sich über die Schulter, dann schob er das Motorrad zum Schuppen.
Ich sammelte meine Sachen ein, machte die Musik sowie alle Lichter aus und aktivierte die Alarmanlage. Dann schloss ich die Ladentür ab und steckte den Schlüssel in meine Handtasche.
»Wo steht dein Auto?«, fragte er, kaum dass ich alles erledigt hatte.
»Ich habe kein Auto«, gab ich ihm zu verstehen. »Von hier aus ist es aber nicht sehr weit. Etwa zwanzig Minuten zu Fuß.«
Meine Antwort schien ihn zu verblüffen. Verstohlen musterte er mich aus den Augenwinkeln.
Tja, mein Freund, dachte ich innerlich grinsend. Die Schickimicki-Tussi parkte nun mal keinen Ferrari hinter der Tankstelle, er musste wohl oder übel laufen.
Eilig schlüpfte ich in meine Pumps und setzte mich in Bewegung. Er folgte mir.
»Wie heißt du eigentlich?«, fragte er nach einer Weile und musterte mich prüfend.
Gleichgültig zuckte ich mit den Schultern, weil ich noch immer sauer auf ihn war. »Ich hatte mich bereits vorgestellt, aber du warst nicht sonderlich daran interessiert, irgendwelche Höflichkeiten auszutauschen.«
Seine Mundwinkel zuckten ein wenig, als ich zu ihm spähte, offensichtlich hatte er nicht mit so einer frechen Antwort gerechnet.
»Hannah«, sagte er plötzlich. »Dein Name ist Hannah.«
Überrascht drehte ich den Kopf zur Seite und schaute ihn geradewegs an. Gegen meinen Willen musste ich zugeben, dass ich es irgendwie mochte, wie mein Name klang, wenn er ihn aussprach. Der Typ verfügte über ein bemerkenswertes Aussehen, das war mir gleich aufgefallen, nachdem er den Helm abgesetzt hatte.
Ich schluckte hart und richtete den Blick wieder streng nach vorne. Seine strahlend blauen Augen faszinierten mich auf eine Weise, die ich mir nicht erklären konnte. Sein Blick war aufmerksam und sehr wachsam, ihm schien nichts zu entgehen.
»Hast du auch einen Namen?«, brachte ich mühsam hervor. Dann atmete ich tief durch, hob den Kopf und begegnete seinem durchdringenden Blick erneut. »Oder soll ich dich lieber mit Hey, du ansprechen?« Bevor er etwas erwidern konnte, fügte ich hastig hinzu: »Da ich so großzügig bin und dir für die nächsten Tage eine Bleibe zur Verfügung stelle, solltest du wenigstens versuchen, etwas freundlicher zu sein, meinst du nicht?«
Mit einem Blick nach links und rechts überquerte ich eilig die Straße und bog anschließend in die kleine Promenade ein, ungeachtet dessen, ob er mit mir Schritt halten konnte. Doch er blieb mühelos an meiner Seite.
Diese fesselnden blauen Augen schauten mich an, musterten mich eingehend. Mir wurde ganz flau im Magen.
»Mickal«, sagte er, ohne das Tempo zu verlangsamen. »Und danke dafür, dass ich bei dir wohnen darf.«
Ich nickte nur, weil ich mich auf den Verkehr an der nächsten Kreuzung konzentrieren musste. Die Straße wurde schmaler, bog nach links ab und wand sich dann bis zur Kuppe eines Hügels hinauf. Dort stand unser Haus, eine kleine Finca, umgeben von herrlich blühenden Rhododendronbüschen. Erschöpft seufzte ich leise, als das Haus in Sichtweite kam.
»Ich lebe nicht allein«, setzte ich ihn in Kenntnis. »Sondern zusammen mit meiner Mutter. Sie ist …« Ich kam ins Stocken, weil ich keine Ahnung hatte, wie ich ihren Zustand einem Fremden gegenüber beschreiben sollte. »Sie … hütet das Bett«, begann ich zögerlich. »Seit dem Unfalltod meines Vaters ist sie nicht mehr dieselbe. Sie isst kaum noch etwas und will nicht mehr aufstehen.«
Er hob den Blick und begegnete meinem. »Sie hat aufgegeben«, sagte er voller Überzeugung.
Aufgegeben. Das war das Wort, das mir auf der Zunge lag, aber nicht ausgesprochen werden wollte.
Mom hatte aufgegeben. Schon vor langer Zeit.
»Manchmal habe ich das Gefühl, dass unsere ganze Familie bei dem Unfall gestorben ist, nicht nur Dad und Tony.«
Mickal musterte mich fragend.
Ich blieb stehen und tat so, als müsste ich den Hausschlüssel in meiner Handtasche suchen. »Tony war mein großer Bruder. Er hatte das gleiche Motorrad wie du, als wir in Deutschland gelebt haben, deshalb wusste ich auch, welchen Reifen du brauchst.« Ich kramte den Schlüssel aus meiner Handtasche und ging die letzten Schritte bis zum Haus im gemächlichen Tempo weiter. »Mom ist so egoistisch«, beschwerte ich mich kleinlaut. »Sie tut so, als wäre nichts mehr wichtig. Aber ich bin nicht tot. Ich lebe noch und reiße mir jeden verdammten Tag den Arsch auf, damit wir über die Runden kommen.«
Erschrocken presste ich die Lippen zusammen. Warum nur hatte ich ihm das überhaupt erzählt? Wir kannten uns doch gar nicht. Außerdem war das nichts, was er wissen musste, das ging nur mich und meine Mutter etwas an. Dennoch tat es gut, mit jemandem darüber zu reden, selbst wenn mein Gegenüber nur stillschweigend zuhörte, ohne etwas zu erwidern.
Tränen der Verzweiflung brannten in meinen Augen. Die Sorge um meine Mutter, um unsere gemeinsame Zukunft, ließ mich kaum noch schlafen.
Ich blinzelte die Tränen weg, straffte die Schultern und steckte den Schlüssel ins Schloss, kaum dass wir die Haustür erreicht hatten.
»Mom, ich bin zu Hause«, rief ich nach oben. Dabei schlüpfte ich aus meinen Pumps und legte meine Handtasche auf die kleine Anrichte. Dann drehte ich mich zu meinem Gast um. »Das Haus ist nicht besonders groß. Zwei Schlafzimmer, eine Wohnküche und ein kleines Badezimmer, aber für uns reicht es allemal.« Mit einem Nicken deutete ich den Flur entlang. Die Wände waren kalkweiß gestrichen, der Boden war mit matten Steinfliesen gefliest. »Da vorne rechts ist die Küche, von dort aus gelangst du auch ins Wohnzimmer und in den Garten. Das Bad befindet sich hinter der linken Tür. Oben sind beide Schlafzimmer und eine kleine Abstellkammer. Du kannst dich gerne in Ruhe umsehen, während ich nach Mom schaue.«
Mickal nickte. Mit eingezogenem Kopf ging er den Flur entlang in Richtung der Küche, weil er mit seinen fast zwei Metern beinahe die niedrige Decke streifte.
Gedankenverloren schaute ich ihm hinterher und überlegte, wo zum Teufel dieser Riese überhaupt schlafen sollte. Unser Sofa war jedenfalls viel zu klein dafür, das war mir in dem Moment bewusst geworden, als ich mitbekommen hatte, wie er den Kopf einziehen musste, um durch die Tür ins Haus zu gelangen.
Na super, dachte ich, als ich die Treppe nach oben lief. Das konnte ja lustig werden.
Mom lag auf dem Rücken, die Arme unter der Bettdecke, und döste. Trotz der heißen Temperaturen, die für August hier in Italien völlig normal waren, brauchte sie immer eine Decke, weil ihr ständig kalt wurde.
»Mom?« Leise trat ich ans Bett und betrachtete ihr blasses Gesicht.
Die Haut spannte sich über den Wangenknochen, dunkle Schatten lagen unter ihren langen, dichten Wimpern. Ihre Lippen waren bereits spröde vom Wassermangel.
Mit einem Blick auf den unberührten Teller, der neben dem Bett auf dem kleinen Schränkchen stand, sagte ich: »Mom, du hast schon wieder nichts gegessen. Ich hatte dir extra Toast gemacht, weil du den so gerne magst.«
Langsam öffnete sie die Augen und schaute zu mir auf. »Wie war dein Tag?«
Vorsichtig setzte ich mich auf die Bettkante und strich ein paar lose Haarsträhnen aus ihrem Gesicht. »Wir haben einen Gast«, erklärte ich und lächelte, als sie die Augen aufriss.
»Einen Gast?«
Ich nickte. »Ein Tourist auf der Durchreise. Er braucht für ein paar Tage eine Unterkunft, und er zahlt wirklich gut, Mom.« Als ich bemerkte, wie sie zum Protest ansetzte, fügte ich hastig