Die Seelenlicht Chroniken. Katrin Gindele

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Название Die Seelenlicht Chroniken
Автор произведения Katrin Gindele
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Серия
Издательство
Год выпуска 0
isbn 9783946843788



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      »Ich habe einen Platten«, erklärte er auf Englisch. »Und du siehst nicht so aus, als würdest du wissen, was zu tun ist.« Sein durchdringender Blick war fest auf mich gerichtet, stechend und kühl, als würde ihm nie etwas entgehen.

      Ich kniff die Augen zusammen. Hielt der mich für blöd?

      Dann trat ich mutig einen Schritt vor. »Du musst den Reifen entweder flicken oder einen neuen aufziehen, was anderes wird dir wohl nicht übrig bleiben.«

      Seine Mundwinkel zuckten ein wenig, offenbar hatte ich ihn beeindruckt, auch wenn ich mir nicht erklären konnte, was an meiner Aussage so beeindruckend gewesen sein sollte.

      »Dann unterhalten wir uns also auf Englisch«, schlug ich vor, als er nichts weiter sagte. »Ist dir das recht?«

      Er nickte nur, drehte den Kopf und starrte sein Vorderrad an, das immer mehr an Luft verlor. »Einen neuen Reifen«, erklärte er nach einer Schweigeminute. »Hast du so was?«

      »Nicht dieses Modell«, gab ich zu verstehen. »Den müsste ich erst bestellen.«

      Er zuckte mit den Schultern. »Wie lange?«

      Entnervt warf ich ihm einen Seitenblick zu. »Sag mal, kannst du auch in ganzen Sätzen sprechen, oder redest du immer so?« Ich war ja nun wirklich nicht kleinlich, aber so etwas mochte ich gar nicht. »Muss man dir jedes Wort aus der Nase ziehen?«, fragte ich angesäuert. »So etwas gehört sich nicht.«

      Ich spürte, dass er mich wieder musterte, und plötzlich fühlte sich meine Haut viel zu eng an. Mir wurde heiß unter seinem eindringlichen Blick. Sehr heiß.

      »Fangen wir noch mal von vorne an«, versuchte ich die Situation zu entschärfen und streckte meinen Arm aus, um ihm die Hand zu reichen. »Ich bin Hannah. Und du bist?«

      Sein Blick wanderte zu meinem ausgestreckten Arm, doch er machte keinerlei Anstalten, meinen Gruß zu erwidern. »Nicht interessiert«, gab er zurück, ohne mit der Wimper zu zucken.

      Mir klappte die Kinnlade herunter. So etwas Unfreundliches war mir in meinem ganzen Leben noch nicht begegnet. »Nicht interessiert?«, blaffte ich und ließ den Arm sinken. »Bist du dir etwa zu fein, dich vorzustellen? Sag mal, was hast du für ein Problem?«

      Zu meinem Erstaunen antwortete er mit einem Lächeln, wovon mir beinahe die Knie weich wurden, wäre ich nicht so sauer gewesen.

      »Bin gespannt, wie du dein Problem lösen willst«, stellte ich klar, wirbelte herum und kehrte an meinen Arbeitsplatz zurück. Der Typ sollte bloß nicht denken, dass ich mir solch ein Benehmen gefallen lassen würde. Sollte er doch selbst sehen, woher er einen neuen Reifen bekam. Hier in der Nähe gab es weder eine andere Tankstelle noch eine Werkstatt, und selbst wenn, diese Art von Reifen hatte niemand vorrätig, davon war ich felsenfest überzeugt.

      Mit einem breiten Grinsen im Gesicht schnappte ich mir eine Flasche Wasser aus dem Regal, stellte mich damit demonstrativ vor die große Fensterscheibe, drehte langsam den Deckel auf und nahm einen kleinen Schluck.

      Er schaute zu mir herüber, seine Augen folgten meiner Hand, als ich die Flasche erneut an meine Lippen führte.

      »Hast du etwa Durst?«, dachte ich laut, mit einer Befriedigung, die mein Grinsen noch breiter werden ließ. »Hier sitze ich am längeren Hebel, mein Freund, und wenn du etwas von mir willst, dann wirst du gefälligst darum bitten, und zwar in ganzen Sätzen.«

      Natürlich war mir klar, dass er mich dort draußen nicht hören konnte, doch das war mir egal. Allein es laut auszusprechen reichte mir schon völlig, und meine Laune hob sich dadurch auf der Stelle ein wenig.

      Siegessicher setzte ich mein schönstes Lächeln auf und winkte ihm zu, mit der Wasserflasche in der Hand. Als er mich perplex anstarrte, mit gerunzelter Stirn, da er offenbar nicht wusste, was er davon halten sollte, verpuffte auch der letzte Rest meiner schlechten Laune.

      So oder so, der Typ würde zu Kreuze kriechen, was anderes blieb ihm gar nicht übrig. Entweder das oder er musste seine Reise zu Fuß fortsetzen, und bei diesen Temperaturen würde er nicht sonderlich lange durchhalten.

      Leise singend ging ich hinter den Tresen, stellte mein Wasser ab und drehte die Musik, die immer im Hintergrund lief, etwas lauter. Dieser Abend, so stressig er auch begonnen hatte, würde mit Sicherheit noch sehr interessant werden.

      Kapitel 2

      Nachdem ich meine Kasse abgeschlossen und das Geld im Tresor verstaut hatte, kehrte ich hinter den Tresen zurück. Dort angekommen, bückte ich mich, schnappte mir meinen Blazer und die Schuhe samt Handtasche und richtete mich wieder auf.

      Verdammt!

      Der Motorradfahrer stand unvermittelt vor dem Tresen, so nah, dass ich vor Schreck leise aufschrie.

      Er verneigte sich leicht und fragte schmunzelnd: »Könnten wir noch mal über das Problem mit meinem Reifen sprechen?«

      Ich fühlte mich ein wenig überrumpelt, zögerte einen Moment und antwortete schließlich: »Meinetwegen.«

      Während ich den Computer wieder hochfuhr, um die Bestellung einzugeben, beobachtete er mich aufmerksam.

      »Was für einen brauchst du?«, fragte ich kühl, ohne aufzusehen. Der sollte bloß nicht denken, er könne mich behandeln wie irgendeine blöde Tussi, nur weil ich im Businesskostüm hinter dem Tresen stand.

      »120/70 ZR17 von Bridgestone.«

      Ich nickte. »BT 015 M?«

      Er zog eine Augenbraue hoch und nickte perplex.

      Eins zu null für mich, dachte ich schmunzelnd. Schließlich hatte ich meinem Bruder oft genug über die Schulter geschaut, daher wusste ich ganz genau, welchen Typ Reifen er für diese Maschine brauchte.

      »Mindestens eine Woche«, gab ich die Antwort des Herstellers an ihn weiter. »Bei anderen Anbietern dauert es noch länger.«

      »Eine Woche?«, wiederholte er entgeistert. »Soll das ein schlechter Witz sein?«

      In Italien dauerte alles ein wenig länger, das war eigentlich kein Geheimnis.

      Ich räusperte mich. »Soll ich nun bestellen oder nicht?«

      Nachdem einige Sekunden verstrichen waren, nickte er schließlich mit grimmiger Miene.

      »Okay«, stimmte ich zu und brachte die Bestellung zum Abschluss. »Dann bräuchte ich noch deine Nummer, damit ich dich erreichen kann, wenn die Lieferung eintrifft«, erklärte ich.

      Er zögerte und ich verschränkte die Arme vor der Brust.

      »Was glaubst du, was ich mit deiner Handynummer vorhabe? Auf Flyer drucken und in der Stadt verteilen?«

      So ein Idiot!

      Statt mir zu antworten, fragte er: »Gibt es hier in der Nähe irgendwo ein Hotel?«

      Hotels gab es natürlich reichlich, allerdings würde er dort kein Zimmer bekommen. »Wir haben Hauptsaison«, klärte ich ihn auf. »Ich glaube nicht, dass es noch freie Zimmer gibt.«

      Sein intensiver Blick erfasste mich, er kniff die Augen zusammen. »Du hast nicht zufällig eine freie Couch übrig?« Bevor ich ablehnen konnte, fügte er hastig hinzu: »Selbstverständlich würde ich dafür bezahlen. Sagen wir … fünfhundert?« Er grinste, offenbar war ihm nicht entgangen, dass ich ihn abwimmeln wollte.

      »Fünfhundert?«, japste ich. Meine Augen wurden riesengroß.

      »Pro Nacht«, nickte er.

      Beinahe wäre mein Herz stehen geblieben. Fünfhundert pro Nacht. Um so viel Geld zu verdienen, müsste ich wochenlang Doppelschichten schieben.

      Obwohl sich alles in mir dagegen sträubte – der Typ war an Unfreundlichkeit und Arroganz kaum zu übertreffen –, musste ich mir eingestehen, dass wir das Geld sehr gut gebrauchen konnten.

      »Ähm …« Ich musste verrückt sein, auf solch ein Angebot einzugehen. »Okay«, stimmte ich zu, auch wenn mir