Название | Der Gesundheitsminister |
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Автор произведения | Ulrich Hildebrandt |
Жанр | Медицина |
Серия | |
Издательство | Медицина |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783750209459 |
„Während du mit Lara unterwegs warst, habe ich mit José über die Kassenärztlichen Vereinigungen gesprochen. Das weißt du ja bereits. Die Hilflosigkeit der KV, die Rund-um-die-Uhr Betreuung von Notfall Patienten zu managen, ist eine Bankrotterklärung der Selbstverwaltung.“
„Das Thema ist allgegenwärtig. Wir haben es in der Redaktion auch auf dem Schirm. Im Augenblick sind andere Themen bei uns vorrangig.“
„Das sehe ich nicht so. Auf deiner Plattform würde die Notfallbehandlung der Patienten einen breiten Zuspruch finden. Es kann jeden von uns treffen, vergiss das nicht.“
„Soll das eine Anspielung auf meine Fahrten mit Lara sein? Einen Autounfall kannst du auch haben.“
„Keine Anspielung, ganz pauschal, es ist eine Situation, die nach Lösungen ruft.“
„Die du bereits hast“, antwortet Isabell mit neckischem Blick.
„Mich reizt die Lösung. Es klingt vielleicht komisch, aber ich denke, dass ich angebissen habe.“
„Da werden sich deine Freunde aber freuen.“
Als Staatssekretär im Ministerium, egal welchem, erhält man stapelweise Akten. Für andere produziert man selbst welche. Es ist eine besondere Kunst, sich durch die Papierberge durchzuarbeiten. Jeder hat sei eigenes System. Vollumfänglich lesen geht nur ausnahmsweise. Die verfügbare Zeit, das Interesse, die Dringlichkeit und vor allem die Verantwortung bestimmen die Intensität des Aktenstudiums. Welches auch noch belegt werden muss. Signiert mit der eigenen Unterschrift. Nur lesen und weitergeben reicht nicht. Dokumentieren und mit Bemerkungen versehen, ist obligat. Aus mehrerlei Gründen. Und dann noch die Mails. Eine Voraussichtung erledigen zwar die engsten Mitarbeiter, die Brisanz der Inhalte schätzen sie aber nicht immer richtig ein. Zu behaupten, man hätte die Mail nicht erhalten, ist kein Argument. Schon eher eine Steilvorlage für den politischen Gegner.
Jakob sichtet wie jeden Tag die umfangreichen Mails. Spam haben seine Mitarbeiter bereits aussortiert. Bei einer sind sie sich nicht sicher und bitten ausdrücklich um seine eigene Bewertung. Es ist eine Mail von Tom, mit zwei Anhängen. Jakob liest.
„Hi Jakob, dein Nachmittag mit José war wohl erkenntnisreich. Wie ich höre, hast du bereits jetzt eigene Ideen zur ambulanten Notfallbehandlung. Du hast dich also reingefunden. Sei mir bitte jetzt nicht böse. Wir haben vereinbart, keine weiteren Papiere von Bernd. Nur einmal noch. Der Ball muss rollen. Bernd hat mir zwei Kurzfassungen geschickt. Zugegeben auf meine Bitte hin. Schlucks runter und lies es. L.G. Tom.“
Jakob hätte Tom an die Wand genagelt. Wäre er genau jetzt vor ihm gestanden. Tom ist bei allen für sein dynamisches Handeln bekannt. Aufschieben, unerledigt lassen, das ist ihm höchst zuwider. Diese Eigenschaft hat ihm zu seiner jetzigen Position verholfen. Zum ersten Mal empfindet Jakob einen bis dahin nicht gekannten Zug an Tom: Aufdringlichkeit. Unter Freunden hält man an Vereinbarungen fest. Keine weiteren Papiere lautet die Abmachung. Gespräche, Treffen, Verabredungen, das ja. Aber jetzt die Aufforderung, wieder zwei Anhänge zu lesen. Und dann noch etwas. Woher weiß Tom von dem Treffen mit José? Wer hat wen angerufen? Was geht hinter seinem Rücken vor? Jakob sieht erst einmal die anderen Mails durch. Dann ist die Neugier doch zu groß. Er öffnet den ersten Anhang und liest.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG)
„Bei den aktuell 1. 956 Krankenhäusern wird unterschieden zwischen öffentlichen, freigemeinnützigen und privaten Trägern. Die Trägervielfalt genießt gesetzlich einen hohen Schutz.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist ein Verein, keine öffentlich-rechtliche Körperschaft. Die DKG ist der Zusammenschluss der Krankenhausträger, die dabei sein wollen. „Sie verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke“. Behauptet sie jedenfalls. Wie sie das schafft, wo doch die Ziele ihrer unterschiedlichen Trägerschaften erheblich divergieren, bleibt das Geheimnis der DKG e. V. Wahrscheinlich ist das eherne Ziel einzig und allein dem Vereinszweck geschuldet. Nämlich die Interessen des Vereins durchzusetzen. Welche auch immer das sein mögen.
Öffentliche Krankenhäuser liegen in der Verantwortung von Gemeinden, Städten oder Landkreisen. Sie orientieren sich an dem staatlich festgelegten Vorhaltesystem. Wer vorhält betreibt Daseinsvorsorge. Darauf war man einst stolz. Heute ist Daseinsvorsorge ein Reizwort mit dem Beigeschmack der Unwirtschaftlichkeit. Die Daseinsvorsorge ist Teil der staatlich geregelten Grundversorgung für die Bevölkerung. Dazu gehört auch der kommunale Nahverkehr, eine funktionierende Verwaltung, die Gas- Wasserversorgung und die Müllabfuhr. Die öffentlichen Krankenhäuser müssen nur erwirtschaften, was zur Deckung der Betriebskosten nötig ist. Die ausgeglichene Bilanz ist bereits ihr Erfolg.
Freigemeinnützige Krankenhäuser sind ein Potpourri aus Tradition, Geschichte, Religion oder Weltanschauung. Sie werden von Trägern der Wohlfahrtspflege, Kirchengemeinden, Stiftungen oder Vereinen gehalten. Wegen der Gemeinnützigkeit werden sie ohne Absicht der Gewinnerzielung betrieben. Das Vermögen freigemeinnütziger Krankenhausträger ist an einen bestimmten Zweck gebunden. Freigemeinnützige Krankenhäuser sind steuerbegünstigt. Im Idealfall zahlen sie weder Körperschafts-, noch Gewerbe-, Umsatz-, oder Grundsteuer.
Private Krankenhäuser gingen früher aus privaten Wohltätigkeitsinitiativen hervor. Davon sind sie heute weit entfernt. Private Träger setzen auf Rendite im operativen Geschäft. Mit Ansage. Der Krankenhauskonzern Helios erwartet bereits 2 % operativen Gewinn im ersten Jahr nach Erwerb eines Pleitekrankenhauses. Einziges Ziel der betrieblichen Betätigung privater Krankenhäuser ist die Gewinnerzielung.
Private Krankenhäuser sind dann in das staatliche Planungssystem eingeschlossen, wenn sie sich an der allgemeinen Versorgung sozialversicherter Patienten beteiligen. Das unterscheidet sie von Privatkliniken, die an der allgemeinen Versorgung nicht teilnehmen.
Akquise Objekte für die privaten Krankenhausketten sind öffentliche oder freigemeinnützige Krankenhäuser, die deren Träger wegen der Verluste loswerden wollen. Weil sie im Krankenhausplan der Länder enthalten sind, bringen sie automatisch Gewinnpotential mit. Nach 5 bis 6 Jahren muss ein neu erworbenes Krankenhaus 12 – 15 % Rendite in den jeweiligen Konzern einfließen lassen.
Der Rhön-Konzern hat eindrücklich demonstriert, was der Verkauf günstig akquirierter Krankenhäuser nach einiger Zeit einbringen kann. 2014 brachte der Verkauf von 40 Krankenhäusern an den Helios-Konzern 3 Milliarden Euro ein. 1,7 Milliarden Euro sollen an die Aktionäre von Rhön ausgeschüttet worden sein. Gelder, die aus dem Kreislauf des solidarisch finanzierten Gesundheitssystems entnommen wurden. Alles legal, vom Gesetzgeber so eingeräumt. „Der Krankenhausträger kann über die aus den Pflegesätzen erwirtschafteten Einnahmen frei verfügen. Krankenhäuser in privater Trägerschaft können deshalb gegebenenfalls erzielte Gewinne an Gesellschafter ausschütten.“ (Wissenschaftliche Dienste, Deutscher Bundestag, WD 9-3000-095/13)
Bestimmt nicht für „ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke“, wie die DKG e. V. für alle ihre Mitglieder verheißt.
Wer das Spiel zwischen politischer und privater Gesundheitsverantwortung verstehen will, muss sich nur den Verkauf der landeseigenen Hamburger Krankenhäuser vor Augen halten. Als ein Beispiel für viele andere. Was daraus wurde, hat „Der Spiegel“ 2016 eindrücklich beschrieben. Gegen den Willen eines Volksentscheids verkaufte der Hamburger, CDU-geführte, Senat 74,9 Prozent seiner Krankenhäuser. Lieber eine Elbphilharmonie für wenige Bürger, als städtische Krankenhäuser für alle Hamburger. Das verhalf dem, bis dahin noch bescheidenen, Asklepios-Konzern, auf Platz zwei der privaten Krankenhaus Ketten vorzurücken. Und zeigte den Hamburger Bürgern, dass selbst das Gemeinwohl verkäuflich ist. Der Spiegel schrieb: „Seither lassen sich hier die gnadenlose Ökonomisierung der Gesundheit und ihre Folgen wie unter einem Brennglas studieren: Pflegekräfte werden in erster Linie als Kostenfaktor betrachtet, Ärzte am Gewinn gemessen und Patienten