Wie wir aus Stroh Gold machen können. Dr. Hans Rosenkranz

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Название Wie wir aus Stroh Gold machen können
Автор произведения Dr. Hans Rosenkranz
Жанр Учебная литература
Серия
Издательство Учебная литература
Год выпуска 0
isbn 9783737503686



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Charisma und starke überzeugende Argumente Vorbild und Modell stehen für die Mehrzahl ihrer Mitarbeiter sowohl in positiver als auch negativer Weise. Sie gewinnen ihre Legitimation und ihren Einfluss, weil sich die Mitarbeiter mit ihnen identifizieren. Erinnerungen und ungelöste Probleme mit den eigenen Eltern kommen hier häufig auf einer unbewussten Ebene mit ins Spiel. Identifikation geschieht auch wenn die Identifikationssubjekte das nicht wünschen. Das verstärkt die Verantwortung, die immer mit Führung verbunden ist. Sich führen zu lassen bedeutet den zeitweisen Verzicht auf Selbstbestimmung für eine übergeordnete Aufgabe im Vertrauen darauf, dass dadurch ein Mehrwert erreicht wird. Die Adressaten geben einen Vertrauensvorschuss an den Führenden und rächen sich, wenn er das Vertrauen missbraucht. Bei einigen Naturvölkern war die Wahl zum Führer mit übernatürlichen Projektionen und Allmachtsfantasien verbunden, was sie nicht daran hinderte, Führungskräfte bei Erfolgslosigkeit zu töten. (Slater, 1970)

      Führungskräfte sind nun inmitten einer globalen, zersplitterten Wertewelt besonders gefordert und stehen vor einem permanenten Entscheidungsdilemma. Sie müssen Antworten zu Fragen finden wie: Was legitimiert mich eigentlich dazu, andere zu führen, das heißt, ihnen mein Werteverständnis anzubieten und ihre Interessen in diesem Verständnis zu vertreten? Stimmen meine eigenen Überzeugungen mehr mit den Überzeugungen des Unternehmens, des unmittelbar Vorgesetzten oder mehr mit den Überzeugungen der Mitarbeiter und der Gewerkschaften überein? Wie weit kann ich noch die Philosophie meines Dienstherrn vertreten, ohne mein Gesicht zu verlieren? Ist Gewinnmaximierung, Gewinnoptimierung oder ein soziales Anliegen, wie der Erhalt von Arbeitsplätzen mit einem geringeren Gewinn, das Werte- und Zielsystem, das mein Unternehmen anstrebt und das ich vertreten kann? Wie viel darf ich von meinen ehrlichen Überzeugungen zeigen, um nicht allen Einfluss zu verlieren und entlassen zu werden – und wie viel muss ich zeigen, um nicht mein Gesicht und meine Selbstachtung zu verlieren?

      All diese Fragen schwingen in der Routine des Alltagsgeschäfts mit, wenn Führungskräfte ihrer Aufgabe nachgehen. Energetisch stehen sie im Zentrum von unterschiedlichen Wertesystemen und Interessen. Es liegt nahe, dass Topmanager und Investmentbanker aktuell häufig mit einem unangemessen hohen Geldzufluss und einem negativen, ungerechten Wirtschaftssystem assoziiert werden. Dies beschreibt der ehemalige Vorstandsvorsitzende der BASF (Hambrecht, 2010): „Die Veränderungen, die sich jetzt auf der Erde zeigen, sind hoch komplex und es ist manchmal schwer, dies jedem zu erklären. Führungskräfte und Unternehmen können nicht mehr ihr Geschäft losgelöst von der Gesellschaft betreiben, sondern müssen die Menschen, besonders ihre Mitarbeiter, mitnehmen. Aber in der Öffentlichkeit wird ausschließlich von ihren Fehlern und dem Versagen geredet.“ Hambrecht antwortet auf die Frage: „Sind wir zu negativ?“ – „Die Kultur des Positiven ist nach 60 Jahren sozialer Marktwirtschaft verloren gegangen. So haben die Menschen das Gefühl, auf der Seite zu stehen, auf der es schlechter ist und dieses Gefühl wird dann transportiert.“

      Diese Haltung zeigt sich in Selbst- und Fremdabwertung, in der Nichtbeachtung der eigenen Werte und der Werte des Anderen. Die natürlich gegebene Unterschiedlichkeit in den Wertesystemen wird nicht bewusst zum Anlass der Begegnung und konstruktiven Auseinandersetzung genutzt, sondern sie schwingt unterschwellig als Bedrohung bei den Interaktionen zwischen Personen, Gruppen, Unternehmen und ganzen Nationen mit. Abwertungsspiralen entstehen und führen zu Krisen, Krankheiten und Konflikten mit oft verheerenden Folgen (Simon, 2004).

      Ein Beispiel für eine misstrauensbedingte Abwärtsentwicklung liefert uns die sich schon über viele Jahre hinziehende Finanzkrise.

      Ein globales Wirtschaftssystem gerät ins Wanken, da seine tragende Säule, sein Wertesystem, eingebrochen ist. Das Geschäftsmodell der Kreditvergabe ist angewiesen auf die Kultur des Positiven – auf das überprüfte Vertrauen in den Geschäftspartner und seine Glaubwürdigkeit. Der internationale Finanzmarkt ist global umspannt von einem fein gewobenen Netz an persönlichen Kontakten, zwischen denen das wertvolle Gut „Vertrauen“ gehandelt wird. Wie sensitiv dieses Handelsnetz ist, zeigt sich an dem fatalen Dominoeffekt, der sich einstellt, wenn Negativität und Misstrauen die Handelsbeziehungen vergiften. Daher mag es auch wenig verwundern, dass die hastig zusammengeschnürten Unterstützungsangebote der europäischen Regierungen, wenn überhaupt, nur sehr schleppend die gewünschte Wirkung erzielen.

       Vertrauen lässt sich nicht in Milliarden aufwiegen, sondern bedarf einer gezielten, Wert „schätzenden“ Auseinandersetzung mit der dahinterliegenden Wertestruktur aller Beteiligten. Und dies bedarf des Muts, das eigene Sagen, die eigene Theorie mit dem eigenen Verhalten und den schon selbsterworbenen Fähigkeiten abzustimmen.

      Lösungsversuche

      Kampf oder Flucht?

      Viele Unternehmen geben dann, wenn der Tiefpunkt der Negativität erreicht ist, Kampfparolen aus, wie: „Streng Dich doppelt und dreifach an! Bringe noch bessere Leistungen! Sei besser als Dein Mitbewerber! Nur so kannst Du Deinen Arbeitsplatz erhalten.“

      In Wirklichkeit bewirken solche Strategien meist das Gegenteil – sie basieren auf Ideen, mit „Mehr des Gleichen“ zu bestehen. Im Bestreben, den Engpass des Negativen zu überwinden, werden neue Widerstände erzeugt.

       Die Wirkung ist gleich der einer chinesischen Fingerfalle, durch mehr Aktion verhaken wir uns immer weiter.

      Andere Unternehmen bevorzugen Fluchtstrategien. Manager und Mitarbeiter verfallen in Resignation und überlassen sich der vermeintlich stärkeren Macht derer, die es doch wissen müssten. Die Verantwortung wird auf die oberste Instanz abgewälzt – wer immer das sein mag. Ihre Depression wird noch verstärkt, wenn sie realisieren, dass sich die von ihnen durch Passivität unterstützten Hierarchen als Materialisten herausstellen, die Korruption durch „Vogel-Strauß-Politik“ und durch Selbstbereicherung akzeptieren.

      „Null-Toleranz-Politik“?

      Die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise ist aus Gewinnsucht entstanden. „Viele Banken betrachteten Kunden zunehmend als Gegenspieler und Spielmasse. Auch nutzen sie ihren Informationsvorsprung gegenüber Bürgern und Unternehmen, um Geschäfte zu deren Lasten und zum eignen Nutzen zu tätigen“ (Hulverscheidt C., 2015). Der entstandene Vertrauensverlust soll nach erfolgreicher Sündenbocksuche nun durch die Aufstellung von „kulturellen Kernstandards“ geheilt werden. „Um den Schaden zu reparieren, müssten die Banken wieder lernen zu dienen“, so die Vision ehemaliger Bank- und Notenbankchefs der Finanzindustrie, die ethische Standards mit einer „Null-Toleranz-Politik“ und der Anwerbung von „Whistleblowern“ durchsetzen wollen (Vgl. Hulverscheidt C., 2015). Auch diese Strategie versucht, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, indem sie Menschen als Wesen betrachtet, die technisch wie Maschinen manipuliert werden können. Eine „Null-Toleranz-Politik“, bei der jeder Verstoß umgehend mit drastischen Strafen geahndet wird, hat wenig Aussichten einen auf Vertrauen basierenden Kulturwandel zu bewirken.

      Konstruktive Konfrontation?

      Wenn es durch Kampf, Flucht und Strafen nicht klappt, scheint nur mehr übrig zu bleiben: „Der Vergeblichkeit ins Antlitz zu blicken und doch nicht zu verzagen“. Welcher realistischen Hoffnung könnten wir noch folgen? Welche Möglichkeiten könnten wir noch aufspüren, unsere vorhandenen Ressourcen sinnvoll zu erschließen und sie friedlich, angemessen und zum Wohle aller zu nutzen? Traditionelle, lineare und einseitig an Gewinnmaximierung orientierte Denk- und Handlungsstrategien erweisen sich hier zu offensichtlich als ungeeignet.

      Aber auch in Nichtkrisenzeiten verzichten wir darauf, unser Potenzial an Talenten befriedigend zu nutzen. Das zeigen die Antworten zu einer Frage, die ich meinen Klienten häufig bei ihrer Potenzialanalyse stelle. Ich falle dann manchmal mit der Tür ins Haus und frage sie, wie viele ihrer Ressourcen sie gegenwärtig persönlich, als Vorstandsgruppe und als gesamtes Unternehmen über den Daumen gepeilt aktivieren. Nach einer zögerlichen