Old Surehand I. Karl May

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Название Old Surehand I
Автор произведения Karl May
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783746747453



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Rio Gila herüber zusammengefunden und wollten jetzt nach Texas hinab, der eine von dieser und der andre von jener Absicht getrieben; eine durch einen bestimmten Zweck zusammengehaltene Gesellschaft bildeten sie nicht.

      Vom Lagerplatze der Truppen bis zum Mistake-Cañon hatten wir vier Stunden zu reiten, welche vergingen, ohne daß sich irgend etwas ereignete. Josua Hawley wurde unterwegs an sein gestriges Versprechen erinnert, und er versprach, es zu halten. Die wenigen Worte, die ich gestern aus seinem Munde gehört hatte, waren mir genug; ich wußte, daß er der Weiße war, der den roten Freund infolge eines Mißverständnisses erschossen hatte. Das lag ihm noch heut auf der Seele, und daher die Schwermut, die mir gleich beim ersten Blicke aufgefallen war.

      Wir hatten uns bis jetzt auf einer felsigen Hochebene befunden, die sich nun allmählich abwärts senkte. Dann hielten wir vor einem tiefen Schlunde, zu dem ein steiler Weg hinabführte. Wie ein von Gigantenfäusten in den Felsen gehauener Graben zog er sich von uns aus scheinbar endlos nach Osten, mit steilen Wänden, die mehrere hundert Fuß hoch waren. Unten rauschte ein Wasser, welches von oben aus wie schwarze Tinte erschien. Da, wo wir hielten, standen vereinzelte Riesenkaktus am Felsenrande. Das war der Mistake-Cañon, dessen Anfang sich vor uns öffnete und in den wir hinabmußten. Wer das Auge hinab in den drohend emporgähnenden Schlund richtete, dem konnte allerdings ein Grausen, ein Gefühl überkommen, als ob da unten die Stätte eines unabwendbaren Unheiles sei. Ich hatte viele Cañons gesehen und auch viele durchritten, war aber von keinem, um mich des Ausdruckes zu bedienen, so zurückgeworfen worden wie von diesem hier.

      Wir ritten den steilen Weg hinab, bis wir den Grund erreichten; dort ging es am Wasser hin, welches nun allerdings ein andres Aussehen hatte. Wir gelangten an einen großen Uferstein, an dem es sich brach; da hielt Jos sein Pferd an, stieg ab, setzte sich auf den Stein und sagte:

      »Hier ist der Ort, an welchem ich mein Versprechen halten will. Steigt ab, Mesch'schurs! Ihr sollt erfahren, wie die Sage von dem Geiste des Mistake-Cañon entstanden ist.«

      »Geist? Pshaw!« lachte Sam Parker. »Ein Dummkopf ist, wer an solche Geister und Gespenster glaubt. Ein weißer Jäger hat irrtümlicherweise einen befreundeten Apatschen an Stelle eines feindlichen Comantschen erschossen. Niemand aber kann sagen, wer es gewesen ist und wie so etwas hat möglich sein können.«

      »Ich, ich kann es sagen, ich allein,« meinte Jos, indem er sich mit der Hand über die Augen strich.

      »Ah, du? Du weißt es, wie diese unglückselige Geschichte sich zugetragen hat?«

      »Ob ich es weiß! Hier von dem Stein aus, auf welchem ich sitze, habe ich selbst damals den verhängnisvollen Schuß abgefeuert. Meine Augen waren um dreißig Jahre jünger als jetzt, aber doch nicht scharf genug, den Richtigen vom Falschen zu unterscheiden. Ich hatte einen Freund, wißt Ihr, einen echten, wahren; er war ein Apatsche und hieß Tkhlisch-lipa, ›Klapperschlange. Er verdankte mir das Leben und hatte dafür versprochen, mir einen Ort zu zeigen, an welchem Nuggets in Menge zu finden seien, wie ich bereits gesagt habe. Ich suchte mir also vier wackere Boys zusammen, welche zu dem Unternehmen paßten. Wir mußten sehr vorsichtig sein, weil der Ort im Gebiete der Komantschen lag; darum nahmen wir Weißen keine Pferde mit, und nur der Apatsche hatte auf seinen Mustang nicht verzichten wollen. Um keine lange Einleitung zu machen, wir kamen hier oben am Cañon an. ihr seht am Rande desselben einzelne Riesenkakteen stehen. Weiter zurück gab es damals einen ganzen Wald davon, an dessen Saum wir uns eine Hütte bauten, in welcher wir wirtschaften wollten, während der Arbeitsplatz hier unten am Wasser lag.

      »Tkhlisch-lipa hatte nicht gelogen; unsere Ausbeute war über Erwarten reich, obgleich nur vier Personen schaffen konnten, da einer die Hütte zu bewachen hatte, während ein andrer jagen mußte, um für Fleisch zu sorgen. Das letztere hatte mit der größten Umsicht zu geschehen, da Avat-kuts, der ›große Büffel‹, der Häuptling der hier hausenden Comantschen, nicht nur ein blutgieriger Mensch, sondern auch ein Virtuos im Spüren war. Es verstand sich ganz von selbst, daß jeder neben Hacke und Spaten auch seine Waffen stets bei der Hand hatte.

      »Wir mochten wohl an die drei Wochen hier gewesen sein, als eines Tages der Apatsche den Dienst bei der Hütte zu versehen hatte, während ein Kamerad, der lange Winters, nach Fleisch umherstreifte. Während wir andern unten herzhaft arbeiteten, saß der Rote oben, sich langweilend, in der heißen Sonnenglut. Er hatte sein Oberkleid, eine neue, wertvolle Santillodecke, abgelegt und rieb sich den Körper zum Schutze gegen Insekten, nach Indianerart mit Bärenfett ein. Da hört er hinter sich ein Geräusch. Er blickt sich um und sieht den gefürchteten Comantschenhäuptling, den er sofort erkennt, vor sich stehen, mit dem Gewehrkolben zum Schlage ausholend. Ehe er auszuweichen vermag, saust der Hieb nieder und trifft ihn so auf den Kopf, daß er die Besinnung verliert. Daß ihm nicht der Schädel zerschmettert worden ist, hat er nur seiner eigenartigen Kopfbedeckung zu verdanken, einer Art Mütze, welche mit Fuchsschwänzen und Klapperschlangenhäuten verziert war.

      »Avat-kuts läßt ihn einstweilen liegen und tritt in die Hütte, um dieselbe zu untersuchen. Er findet unsre mit Nuggets gefüllten Lederbeutel und hängt sie sich an den Gürtel. Wieder zurückgekehrt, wirft er seine alte Kallikojacke ab und vertauscht sie mit der Santillodecke. Auch die Mütze des Betäubten gefällt ihm, und er stülpt sie sich auf den eigenen Schopf. Dann pfeift er seinem starkknochigen Gaul, den er beim Anschleichen hinter den Kakteen zurückgelassen hat, herbei und findet, daß der in der Nähe grasende Mustang des Apatschen bedeutend mehr wert ist. Nun soll der Feind skalpiert werden und zwar bei lebendigem Leibe. Der Comantsche stellt sich also mit ausgespreizten Beinen über denselben, ergreift ihn mit der Linken beim Haare, um den Kopf emporzuziehen, nimmt das Messer in die Rechte, macht über die Ohren weg um Stirn und Hinterkopf einen Schnitt, und versucht nun, den Skalp mit einem kräftigen Rucke loszureißen, was ihm aber nur halb gelingt. Klapperschlange erwacht von dem entsetzlichen Schmerze und faßt den Comantschen bei den Händen. Es beginnt ein Ringen, aus welchem der große Büffel unbedingt als Sieger hervorgehen muß, da der andre von dem herablaufenden Blut geblendet wird.

      »Indessen hat der lange Winters eine gute Jagd und sich mit der Ausbeute nach Hause gemacht. Er findet die Fährte des Comantschen, erschrickt und schleicht ihr nach. Um die Ecke des Kaktuswaldes tretend, sieht er die beiden kämpfenden Indianer und hält wegen der Santillodecke und der Mütze den Comantschen für den Apatschen. Er legt schnell sein Gewehr an und schießt auf den blutenden Freund, trifft aber glücklicherweise wegen der weiten Entfernung nicht. Der Comantsche fährt, als er den Schuß hört, herum, erblickt den neuen Feind, reißt sich los, springt, sein Gewehr liegen lassend, nach dem Mustang des Apatschen, schwingt sich auf und jagt davon. Klapperschlange, vor Wut und Schmerz fast wahnsinnig, wischt sich das Blut aus den Augen, gewahrt den fliehenden Gegner und dessen stehengebliebenes Pferd. Im Nu sitzt er auf und jagt ihm nach, den Lasso von den Hüften reißend, während der lange Winters ganz verblüfft hinterdreinschaut, weil er sich den Vorgang nicht erklären kann. Da Winters den Weg nach rechts versperrt und links die dichten Kakteen kein Entkommen bieten, so sprengt der Comantsche dem Cañon zu, von welchem er weiß, daß ein, wenn auch gefährlicher Pfad an der fast senkrechten Wand desselben zur Tiefe führt. Er ahnt nicht, daß sich vier Bleichgesichter da unten befinden.

      »Drüben, jenseits des Wassers, seht ihr einen Vorsprung, eine schmale, fortlaufende Kante aus dem Felsen treten und sich nach der Höhe ziehen; das ist der erwähnte Pfad. Schon für den Fußgänger schwierig, ist er für einen Reiter geradezu gefährlich, und wir wunderten uns daher nicht wenig, als wir von oben herab den Hufschlag galoppierender Pferde vernahmen. Der Höhe wegen, in welcher sie sich befanden, konnten wir erst nur die Köpfe der Reiter sehen, doch je weiter sie herabkamen, desto vollständiger erblickten wir die Gestalten. Voran lief der Mustang des Apatschen, dessen Reiter wir infolge der Mütze und Santillodecke für Klapperschlange halten mußten. Er wurde von einem, auf einem uns fremden Pferde sitzenden Reiter verfolgt, welchem der blutige Schopf vom Kopfe hing und der sich wegen der hindernden Felswand vergeblich bemühte, dem Voranreitenden den Lasso über den Kopf zu werfen. Wir hörten die Stimme des Apatschen unausgesetzt rufen: ›Hatatitla aguan, hatatitla aguan – erschießt ihn, erschießt ihn!‹ Das galt natürlich uns, und ich griff zu der Büchse. Jetzt erreichte der Vorderste die Sohle der Schlucht, dort, jenseits des Wassers, und sprengte weiter. Nun kam der andre. Er konnte jetzt den Lasso freier handhaben und schwang ihn zum Wurfe. Ich