Old Surehand I. Karl May

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Название Old Surehand I
Автор произведения Karl May
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783746747453



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trug er Sporen, deren Räder von außerordentlicher Größe waren; die dürren Beine steckten in Leggins, die wenigstens ein Jahrhundert alt zu sein schienen; das überaus schmutzige Hemde ließ Hals und Brust unbedeckt, und darüber hing in weiten Falten eine Jacke, deren Farbe kaum mehr zu erkennen war. Sein alter Hut hatte eine unendlich breite Krempe und saß ihm tief im Genick; darunter trug er ein Tuch, dessen Zipfel hinten bis auf die Schultern niederhingen. An den Ohrläppchen sah ich große, schwere Silberringe. In dem Gürtel steckte ein alter, langer Bowiekneif, und mit der knochigen, rechten Hand hielt er ein Gewehr umfaßt, dessen Konstruktion ich jetzt nicht erkennen konnte. Das Gesicht war genau so, wie es Parker uns gestern in Worten gezeichnet hatte. Am meisten fiel an diesem frühern ›Könige der Cowboys das weiße Haar ins Auge, welches wie eine silberne Mähne unter dem Hute und dem Tuche hervorquoll und ihm fast bis zum Gürtel herabreichte.

      Er warf einen schnellen, scharf musternden Blick umher, wabbelte mit einer überlegenen Bewegung seine Glieder durcheinander und antwortete auf die entschuldigenden Worte Parkers:

      »Pshaw! Ich weiß, daß man mich so nennt, und habe nichts dagegen, daß Ihr dies auch thut. Ihr seid verdammt unvorsichtige Kerls, ihr. Brennt ein Feuer, welches man zwanzig Meilen weit riecht, und schreit, daß man es noch zehn Meilen weiter hört! Wenn ein halbes Dutzend Rote an meiner Stelle gewesen wären, so hätten sie euch in weniger als einer Minute auslöschen können; th'is clear. Es giebt Menschen, die im Leben nie klug werden. Wo kommt ihr denn eigentlich her, Boys?«

      »Vom Gila herüber,« antwortete Parker.

      »Und wo wollt ihr hin?«

      »Nach dem Pecos hinab.«

      »Das trifft sich gut. Kann euch dort brauchen. Habt ihr vielleicht das Truppenlager berührt, welches da oben einige Reitstunden hinter dem Mistake-Cañon liegt?«

      »Wir haben dort eine Nacht gelagert.«

      »Sind die Uniformleute noch dort?«

      »Ja.«

      »Gut, sehr gut! Ich muß nämlich wieder hinauf zu ihnen. War schon einmal dort.«

      »Das hörten wir.«

      »Well, habe eine dringende Bitte an sie; brauche ihre Hilfe. Ich werde euch das erzählen, will aber erst mein Pferd holen, welches ich weiter unten, als ich euer Feuer roch, angepflockt habe, um euch zu beschleichen. Bin in kurzem wieder da.«

      Er sprang über den Bach hinüber und verschwand. Die zehn Männer standen noch da, fast starr vor Überraschung. Nun, da er fort war, ergingen sie sich in Ausdrücken der Verwunderung; ich schwieg wie bisher. Mein Pferd lag noch an der Erde. Da es so nicht fressen konnte, rief ich ihm zu ›Schischi! Es sprang sofort auf und begann wieder zu weiden.

      Nach einiger Zeit kam Old Wabble wieder, sein Pferd am Zügel führend. Als er mit ihm den Bach übersprungen hatte, ließ er es laufen, setzte sich an das Feuer und sagte:

      »Diese Flamme ist eigentlich viel zu groß; th'is clear; da ich aber erst jetzt gekommen bin und also weiß, daß die Gegend sicher ist, so können wir es brennen lassen. Wie lange wollt ihr hier liegen bleiben?«

      »Nur diese Nacht.«

      »Werdet auch morgen und die nächste Nacht hier liegen.«

      »Schwerlich!«

      »Sicher! Sollt gleich erfahren, warum. Möchte nur vorher wissen, wer ihr alle seid. Sam Parker kenne ich, der damals seinen ersten Elk bei mir geschossen hat. Wer sind die andern?«

      Parker nannte ihre Namen, deutete dann auf mich und fuhr in leichtem Tone fort:

      »Und der dort ist Mr. Charley, ein deutscher Gelehrter, der nach alten Indianergräbern sucht.«

      Old Wabble richtete sein Auge auf mich, da ich ruhig liegen blieb, und meinte:

      »Nach Indianergräbern? Sonderbare Beschäftigung! Aber doch auch Westmann?«

      »Nein,« fuhr Parker fort. »Er mußte heut drei Probeschüsse thun und hat über zwanzig Schritte weit gefehlt.«

      »Hm, kenne das, habe solche Forscher gesehen, die in die Savanne kamen, um Bücher zu machen, Bücher über die Sprache und Abstammung der einzelnen roten Stämme. Bin ihr Führer gewesen und habe mich krank geärgert. Keiner von ihnen konnte das Messer oder das Gewehr richtig in die Hand nehmen. Die Gelehrsamkeit verdirbt den Menschen; th'is clear. Aber jetzt eine wichtige Frage an Euch. Möchtet Ihr einige Dutzend Indianerskalps haben?«

      »Warum nicht! Von welchem Stamme?«

      »Comantschen.«

      »Soll mir recht sein, Mr. Cutter. Ist es leicht?«

      »Nicht allzu sehr. Man kann dabei leicht seine eigene Haut riskieren. Fürchtet Ihr Euch?«

      »Das nicht; aber ich pflege erst dann zu spielen, wenn ich die Karten kenne. Ich halte es also für richtig, daß Ihr uns vorher sagt, um was es sich handelt.«

      »Habt Ihr den Namen Old Surehand gehört?«

      Bei diesem Namen ergriff alle eine Bewegung der Überraschung, und Parker fragte schnell:

      »Old Surehand? Handelt es sich um den?«

      »Yes. Ihr kennt ihn also?«

      »Natürlich, alle, wenn wir ihn auch nicht gesehen haben. Er ist der beste Schütze im ganzen wilden Westen.«

      »Da ist vielleicht zuviel behauptet. Seine Kugel geht zwar niemals fehl, daher sein Name; aber Winnetou und Old Shatterhand schießen wenigstens ebenso sicher. Ich habe Old Surehand vor einiger Zeit kennen gelernt und allen Respekt für ihn gewonnen. Wir trennten uns vor kurzer Zeit, denn ich mußte in die Gegend von Fort Stanton hinauf und er wollte nach dem Rio Pecos zu den Mescalerosapatschen, um dort nach Winnetou zu fragen und ihn und Old Shatterhand kennen zu lernen. Kurz nach unsrer Trennung erfuhr ich, daß die Comantschen die Kriegsbeile ausgegraben haben; er wußte das nicht, und da sein Weg ihn über ihre Route führte, befand er sich in großer Gefahr; ich lenkte also schnell zurück, um ihn zu warnen, was nicht schwer war, denn ich kannte seinen Weg. Ich holte ihn auch richtig ein; aber der Satan hatte sein Spiel: Wir waren noch keine Viertelstunde bei einander, so wurden wir von einem Comantschenhaufen überrumpelt und überfallen.«

      »Alle Wetter! Waren es viele?«

      »Über hundert.«

      »Und ihr nur zwei?«

      »Yes

      »Und seid trotzdem entkommen!«

      »Ich wohl, aber nicht er,« antwortete Old, indem sein Gesicht sich in pfiffige Falten legte.

      »Ihr habt ihn allein gelassen?«

      »Yes

      »Teufel! War das recht von Euch?«

      Da richtete der Alte seinen Oberkörper auf, machte ein unendlich überlegenes Gesicht und fragte:

      »Wollt Ihr etwa mir, Fred Cutter, den man Old Wabble nennt, Vorwürfe machen? Da seid Ihr nicht der Mann dazu. Merkt Euch das! Ein Gramm List ist oft besser als zehn Kilogramm Pulver; das weiß ich ganz genau. Ja, ich habe mich aus dem Staube gemacht, denn warum nicht? Gegenwehr war nutzlos; darum ergab sich Old Surehand freiwillig. Ich habe gesehen, daß er nicht verletzt worden ist. Sollte ich mich auch ergeben? Dann wären wir beide gefangen gewesen, konnten einander wahrscheinlich gar nichts nützen und niemand hätte von unsrem Schicksale gewußt. Die Comantschen hätten uns am Marterpfahle abgeschlachtet, und es wäre erst nach unsrem sanftseligen Tode ruchbar geworden, daß wir in ihre Hände gefallen und von ihnen mit einem Ticket, nach den ewigen Jagdgründen beschenkt worden sind. Nein, solche Pudel schießt Old Wabble nicht! Ich machte mich lieber davon. Ihre Kugeln flogen mir zwar nach, haben mich aber nicht getroffen; th'is clear, denn sonst würde man die Löcher sehen. Nun bin ich frei und kann Old Surehand heraushelfen. Ist das nicht besser, als wenn ich mich mit ihm hätte gefangen nehmen lassen?«

      »Das mag richtig sein, Mr. Cutter. Aber man wird erzählen, daß